Hessen - Nordhessen, Süd-Niedersachsen, Süd-Westfalen




Hier folgen noch einige Ausführungen zur nordhessischen Orgellandschaft sowie in den nördlich angrenzenden Gebieten Süd-Niedersachsens und Süd-Westfalens. )





ALTENBURSCHLA (Stadt Wanfried, Werra-Meißner-Kreis)
Ev. Johanneskirche




Erbauer: Johann Wilhelm Schmerbach I (Frieda) 1763, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Altenburschla ist ein Dorf mit etwas über 400 Einwohnerinnen und Einwohnern im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis. Der staatlich anerkannte Erholungsort an der Bundesstraße B250 zwischen Wanfried und dem thüringischen Treffurt ist seit der Gebietsreform 1972 ein Stadtteil der Stadt Wanfried. Die erste urkundliche Erwähnung von Altenburschla ist für das Jahr 813 belegt. In den kriegerischen Auseinandersetzungen in Mittelalter und Neuzeit wurde der Ort infolge seiner Grenzlage wiederholt von durchziehenden Truppen besetzt und geplündert. Bedingt durch die innerdeutsche Grenzziehung nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Ort bis 1990 innerhalb des Zonenrandgebietes. Der Nachbarort Großburschla, in dem die im Mittelalter zum Kloster Fulda gehörende Benediktinerpropstei Burschla lag, ist nur 3 Kilometer entfernt – und war doch 40 Jahre lang unerreichbar. Der Ortskern von Altenburschla besteht aus gut erhaltenen historischen Fachwerkhäusern. Der Dorfanger ist umgeben von Kirche, Pfarrhaus, Gemeindeschänke, Dorfgemeinschaftshaus mit Kindergarten und Gästehaus. Die evangelische Pfarrkirche geht in Teilen ihrer Bausubstanz auf die Zeit vor der Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen im Jahre 1526 und vielleicht bereits auf das Jahr 1362 zurück. Die Jahreszahl 1564 an einem Eckstein im Chorturm benennt das Jahr, in dem der Turm an das bereits bestehende Kirchenschiff angebaut wurde. Die Kirche wurde 1637 im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigt, und erst in den Jahren 1752 bis 1774 konnte sie renoviert werden. Dabei wurde der Oberbau in Fachwerk ausgeführt und auch der Turm erhielt die beiden Fachwerkgeschosse. Die Orgel wurde 1763 erbaut. Sie stammt aus der Werkstatt von Johann Wilhelm Schmerbach dem Älteren.
Schmerbach ist der Familienname einer deutschen Orgelbauerfamilie im 18. und 19. Jahrhundert, die in vier Generationen Orgeln in Nordhessen, dem Eichsfeld und Thüringen schuf. Die Familie lebte und hatte ihre Werkstatt in Frieda bei Eschwege. Die Hauptvertreter dieser Orgelbauerfamilie hießen alle Johann Wilhelm. Darum werden sie heute üblicherweise als Johann Wilhelm Schmerbach I, II oder III oder fast noch häufiger als Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere, der Mittlere und der Jüngere unterschieden. Stammvater war der 1726 geborene Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere. Doch auch sein Vater Conrad Schmerbach war bereits Orgelbauer, aber von ihm sind keine Instrumente erhalten. Johann Wilhelm lernte sein Handwerk also vermutlich bei seinem Vater und baute seine früheste bekannte Orgel 1756 in Seifertshausen bei Rotenburg an der Fulda, die allerdings nicht erhalten ist. Überhaupt sind von Johann Wilhelm Schmerbach dem Älteren nur ganz wenige Instrumente, und das auch zumeist nur in Teilen, auf uns gekommen. Eine davon und zugleich die älteste ist die 1763 fertiggestellte Orgel in Altenburschla, der darum eine besondere Bedeutung für die Orgellandschaft Nordhessens zukommt. Gestiftet wurde sie damals von Johann Heinrich und Catharina Hose. Erhalten sind aus dem Schaffen dieses Meisters noch die Orgeln in Niederbeisheim im Knüllwald, 1775 fertiggestellt, dann die 1784 vollendete Orgel in Diemerode bei Sontra und das 1787 erbaute Instrument in Braach bei Rotenburg. Beim Bau der letztgenannten Orgel hat wohl schon sein 1765 geborener Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere maßgeblich mitgewirkt, der nach dem Tod des Vaters 1789 die Werkstatt in Frieda übernahm. Von allen orgelbauenden Schmerbachs gilt Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere als der künstlerisch Bedeutendste; eine ganze Reihe von klanglich und optisch sehr edlen Instrumenten zeugen bis heute von seiner Meisterschaft. Dessen 1795 geborener Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Jüngere übernahm 1832 dessen Amt als Kreisorgelbauer für die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen und wirkte als Orgelbauer in der väterlichen Werkstatt bis etwa 1860. Zurück zu Johann Wilhelm Schmerbach dem Älteren und seiner Orgel in Altenburschla. Wie die meisten Schmerbach-Orgeln wurden auch sie später leicht verändert. Um 1920 ersetzte der Orgelbauer August Möller aus Rotenburg an der Fulda die barocke Mixtur durch eine Flöte 8' und erneuerte die im ersten Weltkrieg abgegebenen Prospektpfeifen. Darüber hinaus erbaute er wesentliche Teile der Traktur und die gesamte Spielanlage neu. In diesem Zustand ist das Instrument bis heute auf uns gekommen.
Die 1763 erbaute Schmerbach-Orgel in Altenburschla besitzt acht Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual hat einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Die, wie gesagt, heute leicht veränderte Disposition umfasst die Register Gedackt und Flöte 8', Principal und Flöte 4', eine Quinte 2 2/3' sowie die Oktave 2'. Im bis zum c1 ausgebaute Pedal finden wir die Register Subbaß 16' und Quintatönbaß 8', dazu kommt ein Tremulant und eine Pedalkoppel. Langfristig wäre eine Wiederherstellung der originalen Disposition sicher erstrebenswert, denn eine Klangkrone, also die Mixtur, vermißt man dann doch ein wenig. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=XGkb2E_LZjU

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Flöte 8' Quintatönbaß 8' Tremulant
Principal 4'    
Flöte 4'    
Quinte 2 2/3'    
Octave 2'    

In Altenburschla gespielte Stücke:
Johann Rudolph Ahle: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=5BuxcUhIxuc
Moritz Landgraf von Hessen: Fuga VIII in A >>> https://www.youtube.com/watch?v=HH4unEi5gDQ
Christian Heinrich Rinck: Gott ist mein Lied >>> https://www.youtube.com/watch?v=LZYp2KpLftk
Christian Heinrich Rinck: Wunderbarer König >>> https://www.youtube.com/watch?v=DDmA2BSAoow
Georg Michael Telemann: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende >>> https://www.youtube.com/watch?v=c1FApy4IDC0
Georg Philipp Telemann: Fuga in d >>> https://www.youtube.com/watch?v=wZ1inrR_h90



ATZBACH (Gemeinde Lahnau, Lahn-Dill-Kreis)
Ev. Kirche



Unbekannter Erbauer 1637, Umsetzung und Erweiterung Johann Peter Rühl (Gießen) 1784, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Atzbach ist ein Ortsteil der Gemeinde Lahnau im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis. Westlich grenzt der Ort an Dorlar, nordwestlich an Waldgirmes und südlich liegt der Wetzlarer Stadtteil Dutenhofen, von dem Atzbach durch die Lahn getrennt ist. Atzbach wurde im Jahr 774 im Lorscher Codex unter dem Namen „Ettisbach“ erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort gehörte zur Grafschaft Gleiberg und kam 1180 in den Besitz der Grafen von Merenberg und später zur Grafschaft Nassau-Weilburg. Von 1734 bis 1849 war Atzbach Sitz eines nassauischen Amtes. 1977 wurde Atzbach in die damals neu geschaffene Stadt Lahn eingemeindet und schloß sich nach der Auflösung der Stadt Lahn mit Dorlar und Waldgirmes zur Gemeinde Lahnau zusammen. Die evangelische Kirche ist eine frühklassizistische Quersaalkirche aus dem Jahr 1767. Der Turm wurde 1899 angebaut. Die dreiseitige Empore ist mit insgesamt 43 Bildern aus dem alten und neuen Testament des oberhessischen Kirchenmalers Daniel Hisgen geschmückt. Im Jahre 1783 erhielt die Kirche eine gebrauchte Orgel, die damals aus der Frankfurter Dreikönigskirche umgesetzt wurde. Erbaut wurde dieses Instrument ursprünglich 1637 und von dem Orgelbauer Johann Peter Rühl in Atzbach wieder aufgestellt wurde.  
Die Dreikönigskirche im heutigen Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen gehörte im Mittelalter zum Hospital der Deutschordensritter. 1340 wurde die zweischiffige, spätgotische Hallenkirche eingeweiht, die 1875 abgerissen und durch die heutige, neugotische Kirche ersetzt wurde. 1637 erhielt die Dreikönigskirche eine Orgel. Leider schweigen sich alle Quellen über ihren Baumeister aus und Vermutungen hierüber anzustellen ist ganz besonders schwierig, da es zu jener Zeit in der Reichsstadt Frankfurt keinen Orgelbauer gab und wir über Jahrzehnte immer auswärtige, durchziehende Orgelmacher in Frankfurt an der Arbeit finden. So erstellte etwa 1624 Niclas Grünewald aus Nürnberg in der Barfüßerkirche eine neue Orgel und Lorenz Ettlin aus Esslingen schuf 1626 die große Orgel in der Katharinenkirche. Die Orgel in der Dreikönigskirche hatte ursprünglich Flügeltüren, die Stellen für die Scharniervorrichtungen sind heute noch erkennbar. Der strenge Prospekt im brabantischen Stil wird von einem gekrönten Adler, dem Wappen der Stadt Frankfurt, bekrönt. Als man dort in der Dreikönigskirche 1783 eine neue Orgel durch die Firma Stumm errichten ließ, verkaufte man die alte Orgel nach Atzbach. Dort wurde sie von Johann Peter Rühl wieder aufgestellt und klanglich dem Geschmack des Spätbarock angepaßt. Das genaue Geburtsjahr von Johann Peter Rühl ist nicht bekannt, mit „ca. 1755“ dürften wir jedoch nicht gänzlich falsch liegen. Er war der Sohn eines Lehrers in Niederkleen bei Langgöns. Er arbeitete zunächst als Geselle bei Johann Friedrich Syer in Nieder-Florstadt in der Wetterau und dann bei Johann Andreas Heinemann in Gießen, dessen Tochter Catharina Christina er 1789 ehelichte. Nach dem Tod Heinemanns 1798 übernahm er dessen Werkstatt. Rühls Tochter wiederum heiratete 1809 den Orgelmacher Johann Georg Bürgy, der dann die Werkstatt seines zum Zeitpunkt seiner Hochzeit offensichtlich schon verstorbenen Schwiegervaters weiterführte. Die Orgel in Atzbach wurde im 19.Jahrhundert mehrfach repariert. 1886 schlug Johann Georg Förster gar einen gänzlichen Neubau vor, doch wurden diese Pläne damals zum Glück nicht in die Tat umgesetzt. In den Jahren 1997 bis 1998 erfolgte sodann eine umfassende Restaurierung durch die Firma Förster und Nicolaus aus Lich. Man entschloß sich zu einer Wiederherstellung der Disposition auf den Stand, der nach der Neuaufstellung in Atzbach durch Johann Peter Rühl vorhanden war. Von den heute zwölf Registern gehen vier noch auf die ursprüngliche Orgel von 1637 zurück, drei weitere Stimmen stammen aus der Werkstatt Rühl und fünf Register wurden von Förster und Nicolaus neu angefertigt.  
Die heute in Atzbach stehende Orgel stammt, wie wir gehört haben, aus verschiedenen Zeiten. Vier Register, nämlich Gedackt 8', Octave 4', Quinte 3' und Octave 2' stammen noch von der ursprünglichen, 1637 errichteten Orgel. Sie gehören damit zu den ältesten Orgelregistern, die uns in Hessen erhalten sind. Über die genannten Stimmen hinaus besitzt das bis zum c3 ausgebaute Manual die Register Principal, Hohlflöte, Gamba und Trompet 8', Gedacktflöte 4' sowie eine 3fache Mixtur. Im Pedal, das einem Umfang bis zum h° besitzt, erklingen Subbaß 16' und Oktavenbaß 8', dazu kommt noch eine Pedalkoppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=WTZANdhbAxQ

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Hohlflöte 8'    
Gamba 8'    
Octav 4'    
Gedacktflöte 4'    
Quint 3'    
Superoctav 2'    
Mixtur 3f.    
Trompet 8'    

In Atzbach gespielte Stücke:
Girolamo Frescobaldi: Toccata seconda >>> https://www.youtube.com/watch?v=AK85ay4Tlds
Abraham van den Kerckhoven: Fuga in a >>>
Abraham van den Kerckhoven: Fuga in C >>>
Johann Mattheson: Fuga c-moll >>>
Johann Mattheson: Fuga über "Werde munter, mein Gemüte" >>>
Tarquinio Merula: Intonatio cromatica noni toni >>>
Gottlieb Nittauf: Praeludium in e >>>
Gottlieb Nittauf: Praeludium in F >>>
Johann Pachelbel: Das alte Jahr vergangen ist >>>
Johann Pachelbel: Herr Christ, der einig Gottes Sohn >>>
Johann Pachelbel: Kaiser August leget an >>>
Samuel Scheidt: Kyrie dominicale >>>



BAD HERSFELD (Landkreis Hersfeld-Rotenburg)
Kath. Kirche St. Wigbert (abgerissen 2020)




Erbauer: Werner Bosch Orgelbau GmbH (Niestetal) 1991, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Festspiel- und Kurstadt Bad Hersfeld ist die Kreisstadt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg im Nordosten von Hessen. Überregional ist Bad Hersfeld vor allem durch die seit 1951 alljährlich stattfindenden Bad Hersfelder Festspiele in der Stiftsruine bekannt. Die Stiftsruine gilt als die größte romanische Kirchenruine Europas. Die Geschichte der Stadt Bad Hersfeld reicht zurück bis ins 8. Jahrhundert. Laut schriftlicher Überlieferung begann die Geschichte Bad Hersfelds mit dem Mönch Sturmius, der 736 in „Haerulfisfelt“ eine mönchische Einsiedelei errichtete, und mit Lullus, der 769 am selben Ort das Benediktinerkloster Hersfeld gründete. Beide waren Schüler des Missionsbischofs Bonifatius. Hersfeld wurde 1142 erstmals als Marktort und 1170 als Stadt erwähnt. In diese Zeit fiel auch der Höhepunkt der reichspolitischen Bedeutung der Abtei Hersfeld. Durch den Deutschen Bauernkrieg 1525 fielen große Teile der Stadt und der Abtei an Hessen. Im Jahre 1821 wurde Hersfeld Kreisstadt des Landkreises Hersfeld in Kurhessen. Die Stadt ist mehrheitlich evangelisch, aber es existieren auch einige katholische Kirchen, die meist in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Zu diesen gehört auch die kleine Filialkirche St. Wigbert, etwas versteckt liegt sie inmitten eines Wohngebietes auf dem südlich von Hersfeld gelegenen Johannesberg. Der heutige Stadtteil Johannesberg entstand ab dem Jahr 1967 als Neubaugebiet. Das evangelische Gemeindezentrum Johanneskirche mit Kindergarten wurde 1977 gebaut und St. Wigbert folgte im Jahr 1981. Beide Kirchen sind durch den „Platz der Begegnung“ verbunden, auf dem alle zwei Jahre in zeitlicher Nähe zum Johannestag das ökumenische Johannesfest gefeiert wird. Zehn Jahre danach, 1991, erhielt St. Wigbert eine Orgel aus der Orgelbauwerkstatt Werner Bosch in Niestetal bei Kassel. Bei der Konzeption der Orgel wurden zwei Dinge in den Vordergrund gestellt. Zum einen sollte das Instrument klanglich auf den durch viel Holz sehr warmen Kirchenraum abgestimmt sein und zum anderen war es das Ziel, ein Instrument zu entwickeln, das speziell für die Darstellung alter Musik aus den Epochen der Gotik und der Renaissance geeignet ist.
Die Orgelbaufirma Werner Bosch wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Werner Bosch legte 1947 die Meisterprüfung im Orgelbau ab. In der Folgezeit expandierte der Betrieb rasch, kaum zehn Jahre später wurde bereits die 100. Orgel fertiggestellt und es blieb in der Folge nicht nur bei Aufträgen in Deutschland, sondern Bosch-Orgeln fanden ihren Weg in die ganze Welt – in die USA, nach Japan und nach Skandinavien. In den 1970er Jahren übernahmen die Söhne Wolfgang und Michael Bosch das Unternehmen. Zwischenzeitlich wird die Firma von Wolfgang Bosch´s Sohn Martin in der dritten Generation erfolgreich fortgeführt. Die 1991 eingeweihte Orgel in St. Wigbert zu Bad Hersfeld besitzt einige Besonderheiten. Zunächst einmal war es das Ziel, in dem verhältnismäßig kleinen und klanglich durch viel Holz sehr intimen Kirchenraum ein Instrument zu schaffen, das liturgisches Orgelspiel in großer Vielfalt ermöglicht. Die Orgel besitzt neben dem Pedal-Subbaß sechs weitere Register. Alle sechs können vom ersten Manual angespielt werden. Drei Register hiervon sind mittels einer Wechselschleife aber auch vom zweiten Manual aus spielbar, jedoch ist jedes Register entweder nur im ersten oder im zweiten Manual spielbar. Bei geschickter Ausnutzung ergeben sich hieraus nun zahlreiche Möglichkeiten für solistisches oder sogar Triospiel und zwar ohne die Gefahr von Klanglöchern, wie es bei herkömmlichen Transmissionsregistern fast unumgänglich wäre. Darum besitzt die Orgel auch keine Manualkoppel. Die zweite Besonderheit ist die Schlick-Stimmung, die man der Orgel gegeben hat.
Wie bereits erwähnt, besitzt die Orgel neben dem Subbaß 16' im Pedal sechs weitere Register. Drei davon, nämlich Gedackt und Quintadena 8' sowie die Flöte 4' sind auf beiden Manualen spielbar. Hierzu wird das Register-Manubrium entweder nach links für das Spiel auf dem ersten Manual oder nach rechts für die Verwendung auf dem zweiten Manual geschoben – und nicht wie üblich gezogen. Nur im ersten Manual spielbar sind die Register Principal 4', Octave 2' und Terz 1 3/5', dazu kommt ein Tremulant. Es existiert keine Manualkoppel, um die Gefahr von Klanglöchern beim Spiel auf zwei Manualen zu entgehen, dafür aber jeweils eine Pedalkoppel zum ersten und zweiten Manual. Eine sensible, farbige und dabei durch die Vermeidung gemischter Stimmen niemals schrille Disposition der ebenerdig rechts neben Altar platzierten Orgel, optimal auf den durch viel Holz sehr warmen und verhältnismäßig kleinen Kirchenraum abgestimmt. Die andere Besonderheit ist die Stimmung nach Arnolt Schlick, die der blinde Heidelberger Meister 1511 in seinem „Spiegel der Orgelmacher und Organisten“ beschreibt. Es handelt sich bei der Schlick-Stimmung nicht um eine Modifikation der damals üblichen und bis ins späte 17.Jahrhundert allgemein gebräuchlichen mitteltönigen Stimmung. Vielmehr geht Schlick vom mitteltönigen Prinzip der reinen Terzen auf C, F und G ab und verlangt vielmehr, dass alle Terzen etwas zu groß sein sollen, freilich manche besser als andere. Es handelt sich bei der Schlick-Stimmung also um das früheste dokumentierte Beispiel einer wohltemperierten, ungleichschwebenden Stimmung; mehr an der Musizierpraxis und weniger an mathematischen Grundsätzen orientiert. Wie weit er damit seiner Zeit voraus war zeigt die Tatsache, dass die nächste schriftliche Fixierung einer ungleichschwebenden Stimmung in Deutschland erst 170 später – durch Andreas Werckmeister – geschah! Diese Besonderheit macht die kleine Orgel in St. Wigbert zu einem ganz besonderen Kleinod, welcher aber selbst in der Region kaum bekannt ist. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=hXRqGw2bt4Y

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 II.Manual, C-f3 Pedal, C-f1  
Gedackt 8' Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel zu I
Quintadena 8' Quintadena 8'   Pedalkoppel zu II
Principal 4' Flöte 4'   Tremulant
Flöte 4'      
Octave 2'      
Terz 1 3/5'      
       
In Bad Hersfeld gespielte Stücke:
Johann Christoph Bach: Aus meines Herzens Grunde >>> https://www.youtube.com/watch?v=2t3LcqD-on4
Johann Christoph Bach: Christ, der du bist der helle Tag >>> https://www.youtube.com/watch?v=iwW6J7SluZo
Johann Christoph Bach: Wenn mein Stündlein vorhanden ist >>> https://www.youtube.com/watch?v=wFwJ61C69QA
Johann Christoph Bach: Wo Gott zum Haus nicht giebt sein Gunst >>> https://www.youtube.com/watch?v=nXPMgcGRU8Q
Luis de Narváez: La Canción del Emperador >>> https://www.youtube.com/watch?v=8F4c42al77Q
Arnolt Schlick: Christe >>> https://www.youtube.com/watch?v=fovvHhObmv0
Arnolt Schlick: Primi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=Db1n1AQaPj8
Thomas Tallis: A point >>> https://www.youtube.com/watch?v=s1jGhKECgkM
Thomas Tallis: Ecce tempus idoneum (I) >>> https://www.youtube.com/watch?v=qQN2_yIaSNY
Thomas Tallis: Ecce tempus idoneum (II) >>> https://www.youtube.com/watch?v=BtaZzWFk118
Thomas Tallis: Ex more docti mistico >>> https://www.youtube.com/watch?v=BCTb_v8YTHU
Thomas Tallis: Gloria tibi Trinitas >>> https://www.youtube.com/watch?v=EB8zbDXgol0
Thomas Tallis: Iste confessor >>> https://www.youtube.com/watch?v=eOBV8kn3aBc
Thomas Tallis: Natus est nobis >>> https://www.youtube.com/watch?v=KFs-dWJ-UmI


BERGKIRCHEN (Stadt Bad Salzuflen, Landkreis Lippe)
Ev. Waldkirche




Erbauer: Johann Markus Oestreich (Oberbimbach) 1805, technischer Neubau Fa. Stockmann (Vlotho) 1972, Umbau Karl Schuke (Berlin) 2007, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die evangelisch-lutherische Kirche Bergkirchen liegt im Ortsteil Retzen-Bergkirchen der Stadt Bad Salzuflen im nordrhein-westfälischen Kreis Lippe. Sie liegt malerisch mitten im Wald auf einer Hügelkette zwischen dem Staatsbad Salzuflen und der Alten Hansestadt Lemgo. Die Kirchengemeinde Bergkirchen hat ihren Ursprung in der Erweckungsbewegung Minden-Ravensberg. Nach der Gemeindegründung im Jahre 1850 wurde noch im gleichen Jahr die Kirche in einer Waldlichtung „auf dem Berge“ (dem Eikberg) errichtet. Die Kirche wurde so zum Namensgeber der Gemeinde und Ortschaft „Bergkirchen“, die 1874 offiziell vom damaligen Landesherrn unter diesem Namen anerkannt wurde. Im Jahre 1901 wurde ein Kirchturm angebaut. Die im Fachwerkstil erbaute Kirche ist mit ihrem Satteldach und dem rechteckigen Grundriss ähnlich gestaltet wie ein größeres Bauernhaus. Der später angebaute, steinerne Kirchturm mit Rhombendach ist im neuromanischen Stil gestaltet. Wegen ihrer idyllischen Lage wird die Kirche heute auch vielfach als Hochzeits- und Ausflugskirche benutzt; ebenso werden hier regelmäßig Konzerte veranstaltet. Die heute in Bergkirchen stehende Orgel wurde 1897 gebraucht erworben. Sie stammt aus der Alten Lutherischen Kirche in Detmold, für die sie 1805 von Johann Markus Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda erbaut wurde. Zum Zeitpunkt ihrer Erbauung hatte das Instrument 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Der Orgelbauer Johann Markus Oestreich hatte im Fürstentum Lippe seit seinem 1795 fertiggestellten Neubau in der Evangelisch-Reformierten Erlöserkirche am Markt einen guten Ruf und so war es nicht verwunderlich, dass der Auftrag zum Neubau in der etwas kleineren lutherischen Kirche Detmolds einige Jahre später ebenfalls an diesen Orgelbauer aus dem Fuldischen vergeben wurde, dessen Firmensitz ja mithin rund 240 Kilometer vom Ort des geplanten Orgelneubaus entfernt lag. Später wurde die Orgel mehrfach verändert. Bereits 1873 – noch in Detmold – erfolgte ein durchgreifender Umbau durch den Orgelbauer August Randebrock aus Paderborn. Hierbei wurde nicht nur die Disposition „romantisiert“, sondern auch der Prospekt auseinandergenommen und mit neu hinzugefügten Elementen – inklusive einem großen, lippischen Fürstenhut – neu zusammengesetzt. In diesem umgebauten Zustand kam die Orgel dann 1897 nach Bergkirchen; denn in Detmold wurde zu diesem Zeitpunkt eine neue und größere Kirche für die Lutherische Gemeinde gebaut, die natürlich auch eine entsprechende Orgel bekommen sollte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entsprach die von Randebrock romantisierte Oestreich-Orgel nicht mehr dem orgelbewegten Zeitgeist. Es kam zu einem erneuten Klangumbau in Richtung Neobarock durch Paul Ott aus Göttingen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war von der einstigen Oestreich-Orgel nicht mehr viel übrig. Und doch wurde bereits 1973 ein erneuter durchgreifender Umbau ausgeführt, diesmal durch die Orgelbaufirma Steinmann aus Vlotho. Hierbei wurde der Orgelprospekt von den optisch nicht sehr passenden Zutaten Randebrocks befreit und wieder auf die Originalmaße von 1805 zurückgeführt. Ansonsten errichtete die Firma Steinmann einen technischen Neubau unter Verwendung einiger älterer Register von Ott und Oestreich. Der letzte Umbau erfolgte 2007 durch die Berliner Orgelbaufirma Karl Schuke. Heute besitzt die nun so genannte Oestreich-/Schuke-Orgel 24 selbstständige Register auf zwei Manualen und Pedal. Windladen und Spielanlage stammen größtenteils vom Umbau durch Steinmann 1973. Drei Register sind mittels Wechselschleifen sowohl in Hauptwerk als auch im Pedal spielbar; somit könnte man auch von 27 Registern sprechen. Johann Markus Oestreich – der Erbauer der ursprünglichen Orgel im Jahre 1805 – wurde 1737 geboren und erlernte das Orgelbauerhandwerk bei seinem Vater und vermutlich bei Johann Ernst Wegmann in Frankfurt. Ab den 1780er Jahren erschloss sich Oestreich im Fürstentum Lippe und auch im Sauerland einen neuen Absatzmarkt. Gefördert und protegiert wurde er hierbei offensichtlich von dem berühmten Johann Gottfried Vierling, der im thüringischen Schmalkalden als gesuchter Lehrer für Orgel und Kontrapunkt wirkte und „im Lippischen“ einige Schüler hatte, unter anderem den Organisten der Detmolder Erlöserkirche.
Der überwiegend aus Holz bestehende und akustisch sehr schöne Raum in Bergkirchen lädt heute die Besucherinnen und Besucher nicht nur zum Gottesdienst, sondern auch mit schöner und erfreulicher Regelmäßigkeit zu Konzerten ein. Die nach dem letzten Umbau 2007 so genannte Oestreich-/Schuke-Orgel mit ihren 24 klingenden Stimmen nimmt in den Konzertreihen einen bedeutenden Platz ein. Im Hauptwerk, das vom zweiten Manual aus angespielt wird, befinden sich 13 Register, neben dem Principal 8 Fuß noch Hohlflöte, Rohrflöte, Gambe und eine Schwebung 8', eine Octave 4', Quinte 2 2/3' und eine Waldflöte 2'. Das Bleigedackt 4' im Hauptwerk stammt noch von Johann Markus Oestreich. Grundiert wird die Disposition von einem Bordun 16' und bekrönt von einer 4fachen Mixtur und einem 4fachen Cornett. Dazu gesellt sich eine Trompete 8'. Das vom ersten Manual aus „traktierte“ Unterwerk besitzt 7 Register, neben dem Oestreich´schen Holzgedackt 8' noch eine Holzflöte 8', Spitzflöte 4', Principal 2' und Oktave 1' nebst Sesquialtera und einem Krummhorn 8'. Im Pedal finden wir einen Subbaß 16', Gemshorn 8', eine Octave 4' mit Pfeifen von Oestreich sowie ein Fagott 16'. Dazu kommen über die erwähnte Wechselschleife aus dem Hauptwerk noch Bordun 16' sowie Principal und Trompete 8'. Zwei Tremulanten – für jedes Manual einen und eine Nachtigall komplettieren die Disposition.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=GsZXn_vqowg

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Unterwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Holzgedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Holzflöte 8' Bordun 16' (Tr.) Pedalkoppel zu I
Hohlflöte 8' Spitzflöte 4' Principal 8' (Tr.) Pedalkoppel zu II
Rohrflöte 8' Principal 2' Gemshorn 8' 2 Tremulanten
Gambe 8' Octave 1' Octave 4' Nachtigall
Schwebung 8' Sesquialtera 2f. Fagott 16'  
Octave 4' Krummhorn 8' Trompete 8' (Tr.)  
Bleigedackt 4'      
Quinte 2 2/3'      
Waldflöte 2'      
Cornett 4f.      
Mixtur 4f.      
Trompete 8'      


In Bergkirchen gespielte Stücke:
Jehan Alain: Choral cistercien >>> https://www.youtube.com/watch?v=zZ79afo7Tcs
Johann Gottfried Vierling: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>> https://www.youtube.com/watch?v=4QHN2ubHCS0&t=6s
Johann Gottfried Vierling: Fughetta g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=yO5rNYHCZt0&t=8s
 


 
BIGGE (Stadt Olsberg, Hochsauerlandkreis)
Kath. Pfarrkirche St. Martin




Erbauer: Johann Markus Oestreich (Oberbimbach) 1783-1784, Rekonstruktion Fischer & Kraemer (Endingen) 1989, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Bigge ist ein Ortsteil der Stadt Olsberg im Hochsauerland. Er beherbergt heute rund 4.100 Einwohnerinnen und Einwohner. Eine Verbindung des Ortsnamens Bigge mit dem älteren Niederdeutschen kann nicht hergestellt werden, der Ortsname ist vermutlich sehr alt. Frühere Deutungen als „Bieke“ (niederdeutsch für: Bach) passen nämlich nicht zur Lautstruktur, die aufgrund der Ortsnamensbelege angenommen wird. 1969 kam es zur Zusammenlegung der Gemeinden Bigge und Olsberg zur Stadt „Bigge-Olsberg“. 1975 wurden weitere Dörfer in die heutige Stadt Olsberg eingegliedert. Im Zentrum von Bigge steht die Pfarrkirche St. Martin. Der Kirchturm stammt aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Im Jahr 1222 wird die Kirche als St. Martinus–Kirche erstmals urkundlich erwähnt und vermutlich war sie im Mittelalter eine Königshofkapelle. Von 1769 bis 1773 wurde die Kirche im Barockstil neu gebaut. Einige Jahre später erhielt sie auch eine Orgel. Erbaut wurde diese von Johann Markus Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda – wir kommen gleich darauf zurück. Die Kirche St. Martin wurde 1888 bis 1889 nochmals um ein Querschiff, nun im neoromanischen Stil, erweitert. Am Ende des Zweiten Weltkrieges, am 2.April 1945 wurde Bigge schwer beschossen. In der Nacht zum 5. April besonders der Bereich von St. Martin. Der Küster wurde durch einen Granatsplitter getötet und sieben weitere Menschen kamen im Schutzraum im Glockenturm um, der einen Volltreffer erhielt. Bis auf den Hochaltar war die Kirche verwüstet. Nach einer provisorischen Wiederherstellung nach dem Krieg wurde die Kirche Von 1975 bis 1976 wurde innen und außen umfangreich renoviert und teilweise umgestaltet. Eine besondere Kostbarkeit in der Bigger Martinskirche stellt die Orgel dar, deren breit angelegter Rokoko-Orgelprospekt so typisch ist für das Schaffen des Orgelbaumeisters Johann Markus Oestreich aus dem Fuldischen.
Der Orgelbauer Johann Markus Oestreich wurde 1737 geboren. Sein Vater Jost Oestreich war Schreiner und erlernte das Orgelbauhandwerk vermutlich bei dem Schreiner und Orgelbauer Johannes Bien in Blankenau. Aber erst, als sein Sohn Johann Markus ab etwa 1760 den Vater in der Werkstatt unterstützte, sind Neubauten der Oestreichs belegt. Es wird vermutet, dass Johann Markus seine Ausbildung bei dem Frankfurter Orgelbauer Philipp Ernst Wegmann erhielt, aber belegt ist das nicht. Wir vermuten es aber anhand einer Besonderheit im Prospektaufbau bei größeren, zweimanualigen Orgeln, der sich auch in Bigge findet. Philipp Ernst Wegmann hat 1768 den Orgelneubau in der Stadtkirche des hessischen Städtchens Lauterbach mit einem Orgelprospekt versehen, bei dem 15 Pfeifenfelder – auch die kleinen - nebeneinander angeordnet sind. Dies ist in Wegmanns Schaffen eine einmalige Ausnahme; Aber exakt diese ungewöhnliche Prospektform hat nun Johann Markus Oestreich insgesamt fünf Mal gebaut, so auch ab 1783 in Bigge. Das fünfteilige Mittelfeld präsentiert das Positiv, dem sich zu beiden Seiten das geteilte Hauptwerk mit Harfenfeldern anschließt. Das Pedalwerk ist hinterständig aufgestellt. Am 18.September 1784 war die Orgel spielbereit und wurde von Pater Odilo aus dem Kloster Grafschaft „probiert“. Johann Markus Oestreich war nach 1784 noch einige Male in Bigge, um die Orgel zu verbessern und nachzustimmen, bis sie 1789 endgültig fertig und abgerechnet war. Die Orgeln Johann Markus Oestreichs zeichnen sich durch eine sehr solide Bauweise aus. So war auch die Orgel in Bigge bis zu ihrer weitgehenden Zerstörung im Zweiten Weltkrieg gut erhalten und kaum verändert. Nach den schweren Kriegsschäden wurde das Instrument 1952 mit den Mitteln der damaligen Zeit – unter anderem mit elektrischen Kegelladen - durch die Firma Stockmann in Werl wiederhergestellt, allerdings konnte nur wenig originales Pfeifenmaterial aus den Trümmern geborgen werden. Nach einer abermaligen Umgestaltung 1970 war die Orgel Ende der 1980er Jahre in einem schlechten Zustand und so entschloß man sich glücklicherweise zu einer Rekonstruktion der Oestreich-Orgel, die 1989 von der Orgelbaufirma Fischer&Krämer aus Endingen am Kaiserstuhl ausgeführt wurde.
Die Oestreich-/Fischer&Krämer-Orgel in Bigge besitzt heute 29 Register auf zwei Manualen und Pedal. Bei der Rekonstruktion 1989 wurde die ursprüngliche, 22 Register umfassende Oestreich-Disposition sehr geschickt leicht erweitert. Das Hauptwerk wurde von Oestreich mit 11 Stimmen bedacht: der klassische Prinzipalchor 8', 4' und 2' wird differenziert von Gedackt, Gamba, Quintatön und Trompete 8', einer Flöte 4' und eine Quinta 3'. Bekrönt wird das Plenum von einer doppelten Klangspitze mit einer 5fachen Mixtur und einer 2fachen Zimbel. Beim Orgelbau 1989 wurde diese Dispositon noch durch durch einen Bordun 16' und ein 4faches Cornett ergänzt. Das Positiv besaß ursprünglich 8 Register mit differenzierter Farbigkeit, nämlich Gelindgedackt, Flauto traverso und Salicional 8', Principal und Duiflöte 4', Octave 2', eine 3fache Mixtur und eine Vox humana 8' nebst Tremulant. Bei der Rekonstruktion wurde hier noch eine Quinte 1 1/2' ergänzt und die bereits im Hauptwerk einmal vorhandene Oktave 2' durch ein Flageolett 2' ersetzt; ein Register, das von Johann Markus Oestreich vielfach im Positiv disponiert wurde, somit typisch ist für seinen Baustil. Das Pedal enthielt ursprünglich, auch das ist typisch für Oestreich, nur die 4 Fundamentregister Subbaß und Posaune 16' sowie Octavbaß und Violonbaß 8'. Die 1989 vorgenommene Erweiterung um Trompete 8', Octave 4' und eine 4fache Pedalmixtur erweitert die Möglichkeiten des Pedals beträchtlich und stören doch nicht den Oestreich-Puristen – man muß sie ja im Zweifelsfall nicht verwenden. Der Farbenreichtum der wiedererstandenen Oestreich-Orgel in Bigge ist beeindruckend und man ist geneigt zu vergessen, dass es sich „lediglich“ um eine Rekonstruktion handelt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=qNmarRBSuZ4&t=7s

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Positiv, C-g3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Gelind Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel zu I
Gedackt 8' Salicional 8' Violonbaß 8' Pedalkoppel zu II
Gamba 8' Principal 4' Octave 4' Tremulant
Quintatön 8' Duiflöte 4' Pedalmixtur 4f.  
Octave 4' Flageolet 2' Posaune 16'  
Flöte 4' Quinte 1 1/2' Trompete 8'  
Quinta 3' Mixtur 3f.    
Octave 2' Vox humana 8'    
Cornett 4f.      
Mixtur 5f.      
Cimbel 2f.      
Trompete 8'      


In Bigge gespielte Stücke:
Carl Philipp Emanuel Bach: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=LXDmwX-zhkY
Johann Sebastian Bach: Erbarm dich mein, o Herre Gott BWV 721 >>> https://www.youtube.com/watch?v=rSkFBqp2Bnw&t=127s
Johann Heinrich Buttstedt: Gelobet seist du, Jesu Christ >>> https://www.youtube.com/watch?v=7676NhFblk0
Johann Ludwig Krebs: Präludium C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=JzHG7VZmCbA
Christian Heinrich Rinck: Offertorium F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=Uyq98-U8qw4
Johann Gottfried Vierling: Adagio f-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=eihD41upOiI
Johann Gottfried Vierling: Alle Menschen müssen sterben >>> https://www.youtube.com/watch?v=0W1_Xo489eo&t=22s
Johann Gottfried Vierling: Da Jesus an des Kreutzes Stamm >>> https://www.youtube.com/watch?v=KNe7J8g9J3k
Johann Gottfried Vierling: Herr Gott, dich loben wir >>> https://www.youtube.com/watch?v=KNe7J8g9J3k
Johann Gottfried Vierling: Jesu Leiden, Pein und Tod >>> https://www.youtube.com/watch?v=KNe7J8g9J3k
Johann Gottfried Vierling: Jesu, meine Freude >>> https://www.youtube.com/watch?v=0W1_Xo489eo&t=22s
Johann Gottfried Vierling: Jesus, meine Zuversicht >>> https://www.youtube.com/watch?v=0W1_Xo489eo
Johann Gottfried Vierling: Schmücke dich, o liebe Seele >>> https://www.youtube.com/watch?v=0W1_Xo489eo&t=22s
Johann Gottfried Vierling: Wenn meine Sünd mich kränken >>> https://www.youtube.com/watch?v=KNe7J8g9J3k
 



BRAKEL (Landkreis Höxter)
Kath. Kapuzinerkirche St. Franziskus




Erbauer: Johann Adam Oestreich (Oberbimbach) um 1800, technischer Neubau und Erweiterung Siegfried Sauer (Ottbergen) 1985, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur
 

Brakel ist eine Stadt im Kreis Höxter im Osten von Nordrhein-Westfalen. Sie zählt rund 16.500 Einwohner. Brakel liegt im Mittelpunkt des Kreises Höxter zwischen Eggegebirge und Weser im Oberwälder Land, 30 km östlich von Paderborn und 15 km südwestlich von Höxter. Die Stadt liegt im Naturpark Teutoburger Wald. Brakel wurde erstmals um 836 von Benediktinern als „Villa brechal“ erwähnt. Es liegt im Nethegau. Brakel entwickelte sich zu einer nicht unbedeutenden Handelsstadt. Als „Prinzipalstadt“ der Hansestadt Paderborn wurde Brakel Mitglied der Hanse und war frühzeitig am hansischen Handel beteiligt.  Im 14. Jahrhundert stand die Hansestadt Brakel im Mittelpunkt ihrer Blüte und war im Fürstbistum Paderborn als sogenannte „Hauptstadt“ gleichrangig mit Paderborn, Borgentreich und Warburg, erkennbar am eigenen Gerichts- und Marktrecht. 1803 übernahm Preußen die Stadt und ernannte Brakel zur Kreisstadt. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum ehemaligen Hochstift Paderborn ist die Bevölkerung Brakels traditionell mehrheitlich katholisch. Im Stadtgebiet existieren 13 katholische Kirchengemeinden. Die Pfarrkirche St. Peter und Paul ist die ehemalige Stiftskirche des Benediktinerinnenklosters Gehrden, welches 1142 gegründet wurde. Die Kirche wurde zwischen 1150 und 1190 als romanische Pfeilerbasilika errichtet und Glockengeläut gilt als das größte Westfalens. 1645 kamen die Kapuziner nach Brakel und nutzten zunächst die Hospitalkirche für die Gottesdienste. Die heutige barocke Kapuzinerkirche wurde 1715 bis 1718 errichtet. Kunstgeschichtlich ist sie deswegen so interessant, weil sie das Erstlingswerk von Johann Conrad Schlaun ist, jenes bedeutenden Barockarchitekten, der später unter anderem durch den Bau von Schloß Augustusburg in Brühl oder Schloß Clemenswerth Berühmtheit erlangen sollte. Der Hochaltar der Brakeler Kapuzinerkirche wurde ebenfalls nach Plänen von Schlaun gefertigt. Die heutige Orgel wurde, wie es in den Akten heißt, „von einem Oestreich, um 1800“ erbaut.
Die Orgelbauerfamilie Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda hatte seit etwa 1780 ihren Wirkungskreis nach Norden ausgedehnt und einige Aufträge im Fürstentum Lippe erhalten. Bedeutendste Schöpfung der Oestreichs im Lippischen ist die große Orgel in der Detmolder Erlöserkirche, 1795 fertiggestellt. Diesem Instrument folgten eine ganze Reihe von Orgeln in der näheren und ferneren Umgebung Detmolds, und so auch in Brakel. Mit der recht rudimentären Angabe „erbaut durch einen Oestreich“, geben uns die Akten über den Erbauer allerdings nur recht vage Informationen. Der bedeutendste Vertreter der Orgelbauersippe Oestreich, der 1737 geborene Johann Markus Oestreich, hatte um 1800 in seiner Werkstatt tatkräftige Unterstützung durch seine beiden Söhne. Da ist zunächst Johann Georg Oestreich zu nennen, 1770 geboren und sein jüngerer Bruder Johann Adam Oestreich, der 1776 das Licht der Welt erblickte. Eine genaue Trennung von in jener Zeit entstandenen Orgeln ist schwierig und sicher wurden viele Instrumente auch gemeinsam vom Vater mit den Söhnen geplant und erbaut. Die weiten Reisen ins Lippische überließ der Seniorchef allerdings zunehmend seinen Söhnen und nun müssen wir uns den Prospekt etwas genauer anschauen. Johann Georg Oestreich baute seine Orgelgehäuse immer in einem traditionellen, nachbarocken Stil; währenddessen man in der Prospektgestaltung seines jüngeren Bruders Johann Adam deutliche klassizistische Anklänge erkennen kann. Aufgrund dieser Tatsache können wir nun also mit einiger Sicherheit die Orgel in Brakel diesem jüngeren der beiden Söhne, also Johann Adam Oestreich, zuschreiben. Er verlegte später seinen Wohnsitz übrigens zeitweise gänzlich an die Weser und wirkte von 1825 bis 1827 als Orgelbauer und Organist im Kloster Corvey und galt als anerkannter Orgelbauer im Bezirk Minden. Auch drei seiner Söhne wurden Orgelbauer, zwei davon, Michael und Constantin, wirkten ausschließlich in Westfalen, sind aber beide recht früh verstorben. Nach seiner Rückkehr aus Westfalen gründete er eine eigene Werkstatt in Bachrain bei Fulda und begründete damit die sogenannten Bachrainer Linie der Orgelbauerfamilie Oestreich, während sein Bruder Johann Georg die väterliche Werkstatt in Oberbimbach weiterführte. Johann Adam Oestreich starb 1865 mit 89 Jahren.
Die in die Emporenbrüstung eingebaute Oestreich-Orgel in Brakel hatte ursprünglich ein Manual mit acht Registern sowie ein angehängtes Pedal. Bereits im 19.Jahrhundert fanden Veränderungen statt. 1985 schließlich wurde unter Einbezug des relativ gut erhaltenen Oestreich-Pfeifenmaterials ein technischer Neubau durch die Orgelbaufirma Siegfried Sauer aus Ottbergen errichtet.  Das Instrument hat nun 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk besitzt 8 Register auf Principal-4'-Basis. Wir finden neben dem Principal die typischen Oestreich-Register Gedackt und Traversflöte 8' sowie Kleingedackt und Gemshorn 4'. Quinte 2 2/3' und Oktave 2' ergänzen die Klangpyramide, die von einer 3fachen Mixtur bekrönt wird. Oberwerk und Pedal sind neu. Das Oberwerk besitzt Rohrflöte 8', Blockflöte 4', Waldflöte 2', eine Terz 1 3/5', eine Sifflet 1' und ein Krummhorn 8' nebst einem Tremulanten. Das Pedal besitzt Subbaß 16', Pommer 8', einen sogenannten Holzchoral 4' und – man höre und staune – ein Euphone 16'. Euphone ist ein tuba-artiges Zungenregister, das im rheinischen Orgelbau hin und wieder vorkommt – etwa bei Franz Wilhelm Sonreck - und ansonsten nur an wenigen großen französischen Kathedralorgeln vorkommt – St. Sulpice in Paris läßt grüßen. Ob diese Stimme zur fuldisch-lippischen Oestreich-Orgel in Brakel stilistisch passt? Der barocke Kirchenraum mit seiner hervorragenden Akustik und die warmen, weichen Farben der Orgel ergänzen sich zu einer wunderbaren Einheit.

Link zum klingenden Orgelportrait: https://www.youtube.com/watch?v=LCG9vqgFXNs

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Gedackt 8' Rohrflöte 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Traversflöte 8' Blockflöte 4' Pommer 8' Pedalkoppel zu I
Principal 4' Waldflöte 2' Holzchoral 4' Pedalkoppel zu II
Kleingedackt 4' Terz 1 3/5' Euphone 16' Tremulant
Gemshorn 4' Sifflet 1'    
Quinte 2 2/3' Krummhorn 8'    
Octave 2'      
Mixtur 3f.      


In Brakel gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Praeludium c-moll BWV 921 >>> https://www.youtube.com/watch?v=CfP5_vM9mc4
Johann Friedrich Doles: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=3ukEtAy7I3U
Gottfried Ernst Pestel: Praeludium ex B fis >>> https://www.youtube.com/watch?v=LIL2PH7tRx4&t=4s
Johann Gottfried Vierling: Affetuoso c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=yO5rNYHCZt0&t=16s
Johann Gottfried Vierling: Fughetta c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=1tIUjCmpoGc
 


BRAUNAU (Stadt Bad Wildungen, Landkreis Waldeck-Frankenberg)
Ev. Kirche



Erbauer: Johann Philipp Schellhase (Homberg/Efze) 1756, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Braunau ist ein Stadtteil von Bad Wildungen im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg. Das Walddorf liegt rund 5 Kilometer südlich der Kurstadt Bad Wildungen im Kellerwald und wird vom Wälzebach umflossen, einem Nebenfluss der Schwalm. Erstmals genannt wird „Brunowe“ in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Haina aus dem Jahre 1261. Der Ort gehörte zum Amt Wildungen innerhalb der Grafschaft und später des Fürstentums Waldeck sowie ab 1814 zum Fürstentum Waldeck-Pyrmont. 1971 wurde der Ort nach Bad Wildungen eingemeindet. Die Barockkirche in Braunau wurde 1728 nach Plänen des Arolser Hofbaumeisters Julius Ludwig Rothweil errichtet. Wertvollstes Ausstattungsstück ist der prachtvolle, spätgotische Flügelaltar aus dem Jahre 1523. Geschaffen wurde der Altar im Kloster Meitersdorf bei Frankenberg an der Eder. Dieses Kloster, in dem Franziskaner-Mönche und Laien Kunsthandwerk auf hohem Niveau kultivierten, befand sich im Gebiet des heutigen Frankenberger Stadtteils Ederdorf. Über dem Altar erhebt sich die Orgel, die 1756 von Johann Philipp Schellhase aus Homberg an der Efze errichtet wurde. 
Der Orgelbauer Johann Philipp Schellhase wurde 1715 im Homberg/Efze geboren. Er erlernte sein Handwerk mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Johann Friedrich Schäffer in Witzenhausen, der unter anderem von 1732 bis 1735 eine große Orgel in Schellhases Heimatstadt Homberg erbaute, deren prachtvoller Prospekt bis heute erhalten ist. Johann Friedrich Schäffer ist der Sohn des bedeutenden Jost Friedrich Schäffer, der aus Kirchheilingen bei Bad Langensalza stammte und seit 1679 in Eschwege ansässig war. Johann Philipp Schellhase dürfte in der Folge dann auch bei Schäffers Orgelbauten in der Stadtkirche zu Melsungen 1736, in der Stiftskirche zu Oberkaufungen 1737 und in der Nicolaikirche in Korbach 1743 mitgearbeitet haben. 1747 heiratete Schellhase die Tochter eines Homberger Schreiners, das Paar bekam fünf Kinder. Seine erste eigene Orgel errichtete Schellhase 1748 bis 1750 in Breitenbach am Herzberg im heutigen Landkreis Hersfeld-Rotenburg mit 11 Registern. Diese Orgel wurde im 19.Jahrhundert den Nachbarort Hatterode verkauft, wo sie nicht erhalten ist. 1752 errichtete er eine Orgel in Wabern bei Homberg und sodann 1756 in Braunau bei Wildungen. In den Folgejahren ist Schellhase meist mit Reparaturen nachweisbar. 1768 beginnt er einen Orgelneubau in Werkel bei Fritzlar, doch starb Schellhase noch im gleichen Jahr, so daß sein Schwager Johann Wilhelm Schlechter das Instrument eigenständig vollendete. Schlechter hatte 1751 als Geselle in Schellhases Werkstatt dessen Schwester geheiratet und übernahm die Werkstatt, ist jedoch in der Folge nicht mehr mit Neubauten in Erscheinung getreten. 1862 wurde die Orgel in Braunau durch den Orgelbauer Jakob Vogt klanglich verändert. Der 1811 geborene Jakob Vogt war der Sohn von Johannes Vogt, der als Kreisorgelbauer in den damaligen Kreisen Melsungen und Rotenburg an der Fulda wirkte. Er arbeitete nach dem Tod seines Vaters ab 1833 für zwölf Jahre bei Ernst Siegfried Hesse in Dachwig und begründete 1845 seine eigene Werkstatt in Korbach. In der Vorstellung seiner Orgel in Wellen werden wir ausführlicher auf die bedeutende nordhessische Orgelmacher-Familie Vogt eingehen. Jakob Vogt erweiterte die Orgel in Braunau um einen Principal 8' und ersetzte die ursprüngliche Mixtur durch ein Cornett. In dieser Form ist das Instrument bis heute erhalten. 2009 wurde die Orgel durch die Firma Noeske aus Rotenburg an der Fulda stilgerecht restauriert.  
Die Orgel in Braunau besitzt neun Register. Das Manual mit einem Tonumfang bis zum c3 besitzt die historisch gewachsene Disposition Principal, Gedackt und Gambe 8', Principal und Fugare 4', Octave 2' sowie ein 3faches Cornett. Im bis zum c1 geführten Pedal finden wir Subbaß 16' und Octavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Johann Philipp Schellhase wirkte auf einem vergleichsweise engen räumlichen Gebiet im Gebiet zwischen Knüll und Kellerwald. Seine überregional wenig bekannte Orgel in Braunau ist mit ihrer interessanten Geschichte und zudem als einziger von Schellhase und einer der ganz wenigen aus der Schäffer-Schule erhaltenen Instrumente ein wichtiger Baustein zum Verständnis für die Entwicklung der Orgellandschaft Nordhessen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=6NS9mKgtwlQ

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Gambe 8'    
Principal 4'    
Fugare 4'    
Octave 2'    
Cornet 3f.    
     
In Braunau gespielte Stücke:
Anonymus: Marcia in D >>> https://www.youtube.com/watch?v=PJanz8_KOZ0&t=8s
František Xaver Brixi: Fuga in a >>> https://www.youtube.com/watch?v=hyR4oCeOaSE
Johann Ernst Eberlin: Praeludium, Versetten und Finale secundi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=fg5cSlYV52Q&t=33s
Anton Estendorffer: Capriccio "Christ ist erstanden" >>> https://www.youtube.com/watch?v=BDSb3XDlrOo&t=6s
Matthias van den Gheyn: Fuga in g >>> folgt
Johann Balthasar Kehl: Erschienen ist der herrlich Tag >>> folgt
Johann Balthasar Kehl: Fughetta A-Dur >>> folgt
Johann Balthasar Kehl: Herr Gott, dich loben alle wir >>> folgt
Johann Balthasar Kehl: Praeludium B-Dur >>> folgt
Giovanni Battista Pergolesi: Sonata in F >>> folgt
Christian Umblaufft: Praeludium in e >>> folgt



BÜRGELN (Gemeinde Cölbe, Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Alte Kirche




Erbauer: Emil Butz (Seligenthal) 1899, Prospekt Gabriel Irle (Schönstadt) 1752-1755, Kegelladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Der Ort Bürgeln, östlich der Lahnberge gelegen in unmittelbarer Nähe der alten Universitätsstadt Marburg, wurde 1273 erstmals urkundlich erwähnt, doch ist das Dorf sicher wesentlich älter. Seit der Gebietsreform 1974 ist Bürgeln ein Ortsteil der Stadt Cölbe. Verwaltet wurde der Ort in alten Zeiten von einem Vogt und 1358 wurden die Herren von Fleckenbühl mit der Vogtei Bürgeln belehnt. Schon im 12. Jahrhundert, als das Dorf noch zum Besitz des Wetzlarer Marienstifts gehörte, gab es hier eine kleine Kirche, die in spätgotischer Zeit von den Herren von Fleckenbühl gen. von Bürgeln umgebaut und erweitert wurde. Die heutige Kanzel und die Empore kamen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Fachwerk-Obergeschoss 1688 in die Kirche. 1752 erhielt die Kirche eine erste Orgel durch Gabriel Irle aus Schönstadt. 1899 wurde das klingende Innenleben der Orgel durch Emil Butz aus dem thüringischen Seligenthal weitgehend erneuert. 1971 schien das Schicksal des altehrwürdigen Gotteshauses und seiner Orgel besiegelt. Eine neue Kirche wurde gebaut, das zu klein gewordene Kirchlein in der eng bebauten Ortsmitte sollte abgerissen werden. Doch engagierte Bürger und Vereine verhinderten dies zum Glück. Heute ist der Kulturverein Alte Kirche Bürgeln e.V. Eigentümer des Gebäudes und kümmert sich in vorbildlicher Weise um dessen Erhaltung und Nutzung, wofür er bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
Der barocke Orgelprospekt in Bürgeln stammt von Gabriel Irle, der 1705 in Hatzfeld an der Eder geboren wurde. Er war Orgelbauer und Schulmeister wie sein Schwiegervater Johann Christian Rindt, dessen erhaltener Orgel in der Emmauskapelle zu Hatzfeld überregionale Bedeutung zukommt. 1744 trat er nach Rindts Tod dessen Nachfolge in der Schönstadter Orgelbauwerkstatt und auch in der Schule an. 1870 wurde die Orgel in Bürgeln, deren originale Klanggestalt nicht überliefert ist, von Peter Dickel aus Treisbach von der Nord- auf die Westempore versetzt. Im Dezember 1898 erfolgt dann der Vertragsabschluß über den Bau einer neuen Orgel im alten Gehäuse und unter Verwendung dreier alter Register mit dem Orgelbauer Emil Butz aus Seligenthal in der damals hessen-nassauischen Exklave Herrschaft Schmalkalden. Sein Geburts- und Todesjahr konnten bislang nicht ermittelt werden. Vermutlich hat er den Orgelbau in der ebenfalls in Seligenthal ansässigen Firma der Gebrüder Peternell erlernt. 1893 eröffnete er im selben Ort eine eigene Orgelbauanstalt, in der er vor allem Orgelteile wie Windladen, Holzpfeifen, Gebläse und Spieltische anfertigte und über Inserate feilbot. Die 1899 erbaute Orgel in Bürgeln trägt die Opus-Zahl 9, doch hat Butz bei seiner Werkzählung vermutlich – altem Orgelbauerbrauch entsprechend – Reparaturen und Umbauten mitgezählt. Auf dem Firmenschild seiner 1901 in Betziesdorf bei Kirchhain erbauten Orgel, seinem op. 12, wird er als in Kirchhain ansässig bezeichnet. Um 1900 hat er also seine Werkstatt nach Kirchhain verlegt, genauer gesagt nach Stausebach, einem Ortsteil von Kirchhain am Rand des Amöneburger Beckens. Eine dritte Orgel von Emil Butz, noch mit dem Seligenthaler Firmenschild, steht wohlerhalten in Lengers bei Heringen in Osthessen. Seine Orgeln besitzen allesamt mechanische Kegelladen und eine ausgesprochen edle Intonation, die sich von so mancher, doch etwas derb klingenden Dorforgel um die Jahrhundertwende wohltuend abheben. Hier in Bürgeln hat Butz neben dem in Bordun umbenannten alten Manualgedackt noch die beiden Pedalregister aus Irles Orgel übernommen. 1910 wurde der letzte Sohn von Emil Butz in Stausebach getauft. Danach verliert sich seine Spur, weder in den Archiven von Stausebach, Kirchhain oder Seligenthal ließen sich bis heute Hinweise auf sein weiteres Schicksal entdecken.
Die Orgel in der Alten Kirche zu Bürgeln wurde 1993 durch die Firma & Nicolaus aus Lich behutsam restauriert und seither betreut. Im Manual stehen fünf Register, Principal, Bordun und Salicional 8' sowie Octave und Flöte dolce 4'. Die Pedalregister Subbaß 16' und Violonbaß 8' hat Emil Butz aus der alten Orgel übernommen. Dazu kommen die Pedalkoppel und ein Collectiv-Tutti-Zug. Die Orgel in Bürgeln ist ein typisches Kind ihrer Zeit, gut und solide gebaut, klangschön und nicht zuletzt heimatkundlich von Interesse, da Emil Butz einer jener Kleinmeister war, der auf lokal sehr begrenztem Gebiet nur ganz wenige Instrumente errichten konnte, weil die fabrikmäßig arbeitende Konkurrenz um die Jahrhundertwende solch kleinen Dorforgelbauern oft kaum die Luft zum Atmen ließ. Und auch den Orgelsachverständigen jener Zeit waren die kleinen, regional verwurzelten Meister nicht selten ein Dorn im Auge, die man mit entsprechend negativen Beurteilungen nur zu gerne vom Markt zu verdrängen suchte. 


Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Bordun 8' Violonbaß 8'  
Salicional 8'    
Octave 4'    
Flöte dolce 4'    

In Bürgeln gespielte Stücke:
Willem de Haan: Herr, ich habe mißgehandelt >>>
Willem de Haan: O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen >>>
Willem de Haan: Sollt es gleich bisweilen scheinen >>>
Willem de Haan: Wo Gott der Herr nicht bei uns hält >>>
Wilhelm Köhler-Wümbach: Hat der Himmel gleich viel Wege >>>
Rudolf Löw: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Oskar Stapf: Andante e-moll >>>
Oskar Stapf: Moderato F-Dur >>>
Johannes Alfred Streicher: Herr und Ältster deiner Kreuzgemeinde >>>
Johannes Alfred Streicher: Ich dank dir, lieber Herre >>>
Johannes Alfred Streicher: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Wilhelm Stumpf: O höchster Gott, o unser lieber Herre >>>
Wilhelm Volckmar: Allegro moderato Es-Dur >>>
Wilhelm Volckmar: Christ, unser Herr, zum Jordan kam >>>
Wilhelm Volckmar: Christus, der ist mein Leben >>>
Wilhelm Volckmar: Vater aller Gnaden >>>
Paul Wolff: Gott des Himmels und der Erden >>>
Gustav Zanger: Sieh, hier bin ich, Ehrenkönig >>>



DETMOLD (Landkreis Lippe)
Ev. Erlöserkirche (Marktkirche)




Erbauer: Johann Markus Oestreich (Oberbimbach) 1795, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Detmold ist eine Stadt in der Region Ostwestfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen. Mit ungefähr 75.000 Einwohnern ist Detmold die größte Stadt im Kreis Lippe. Von 1468 bis 1918 war Detmold die Residenzstadt der Herren, Grafen und Fürsten zur Lippe, danach bis 1947 Hauptstadt des Freistaats Lippe beziehungsweise des Landes Lippe, welches anschließend in das neue Bundesland Nordrhein-Westfalen eingegliedert wurde. Seit 1973 ist Detmold Sitz des aus den zusammengelegten Kreisen Detmold und Lemgo bestehenden Kreises Lippe. Die historische Altstadt bildet einen Kreis von rund 500 Metern Durchmesser, dessen Mittelpunkt der Marktplatz ist. Die evangelisch-reformierte Erlöserkirche, die Marktkirche, ist ein spätgotischer Kirchenbau. Sie hieß ehemals Vituskirche und wurde wahrscheinlich schon um 800 als Urkirche des Theotmalli-Gaues gegründet. Mauerreste eines Kirchturms aus dem 10. Jahrhundert wurden innerhalb der Westwand des Mittelschiffs der heutigen Kirche entdeckt. Anfang des 13. Jahrhunderts gehörte die Kirche zum Archidiakonat Paderborn, war dann ab 1264 selbständig und schloss sich im 14. Jahrhundert dem Archidiakonat Lemgo an. Im Jahr 1511 verlegten die Herren zur Lippe ihre Hauptresidenz nach Detmold und waren die prominentesten Gottesdienstbesucher in der Pfarrkirche. 1536 war Simon von Exter der letzte katholische und erste lutherische Pfarrer von Detmold. 1605 führte der dem Calvinismus zugewandte Graf Simon VI. das reformierte Bekenntnis ein und besetzte ab dem Zeitpunkt freiwerdende Pfarrstellen ausschließlich mit reformierten Pfarrern. Seit dieser Zeit ist die zwischen Schloss und Marktplatz gelegene Erlöserkirche das Gotteshaus der reformierten Gemeinde. Ihre letzte Form erhielt die Kirche nach dem verheerenden Stadtbrand vom 26. Januar 1547 unter Beibehaltung des gotischen Baustils. Sie ist die Hauptkirche der Lippischen Landeskirche mit ihren rund 200.000 Mitgliedern. Auf der Westempore steht die mit einem reichgegliederten spätbarocken Prospekt geschmückte Orgel, die 1793 bis 1795 von Johann Markus Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda erbaut wurde. Die Pläne zum Bau der Orgel stammten von Johann Gottfried Vierling, einem Bach-Enkelschüler, der im thüringischen Schmalkalden wirkte und dessen Schüler Anton Heinrich Pustkuchen als Organist an der Erlöserkirche und als lippischer Orgelsachverständiger tätig war.
Die heutige spätgotische Hallenkirche entstand also nach der Reformation und bekam 1555 als eine der ersten in Lippe eine Orgel. Diese wurde 1651 durch ein größeres Instrument von Orgelbauer Cordt Lohoff aus Bielefeld ersetzt. Aus dieser Lohoff-Orgel übernahm Johann Markus Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda vier Register, als er 1793 unter der Ägide von Kantor Anton Heinrich Pustkuchen den Auftrag für eine neue Orgel mit 32 Registern auf zwei Manualen und Pedal erhielt. Es war damit die größte Orgel, die jemals in den fünf Generationen ihres Bestehens die orgelbauwerkstatt der Oestreichs verlassen sollte. Pustkuchens Planung beruhte auf den Vorschlägen seines ehemaligen Lehrers Vierling, der mit den Oestreichs spätestens um 1789 bei deren Orgelneubau im Schmalkalden unmittelbar benachbarten Orte Floh zusammenkam, welches von Vierling mit großem Lob abgenommen wurde. Der Zuschlag an Oestreich erfolgte in Detmold auf Vierlings Rat, nachdem der Orgelbauer Stephan Heeren aus Gottsbüren dem Bau der Vierling‘schen Disposition abgelehnt hatte. 1795 war das Instrument fertiggestellt. In den folgenden rund 150 Jahren wurde das Instrument von verschiedenen Orgelbauern instandgehalten, aber in seiner Substanz größtenteils bewahrt.
Johann Markus Oestreich baute im späten 18. Jahrhundert zweimanualige Orgeln meist mit einem breit angelegten, 15-teiligen Prospekt, bei dem alle Pfeifenfelder nebeneinander angeordnet sind, so auch in Detmold. Im Gegensatz zu allen anderen erhaltenen Oestreich-Prospekten dieser Bauform weist die Detmolder Orgel als einzige jedoch deutlich klassizistische Formen und Verzierungen auf. 1940 erweiterte die Firma Emil Hammer aus Hannover unter Beratung des Organologen Christhard Mahrenholz die Orgel um ein Rückpositiv auf nunmehr drei Manuale. 1961 erfolgte durch die Fa. Walcker aus Ludwigsburg eine, wie es heißt, „Wiederherstellung und technische Erneuerung“ der Oestreich-Orgel, die allerdings klanglich kein befriedigendes Resultat erbrachte. 1975 bis 1976 wurde durch die Firma Steinmann aus Vlotho eine erneute Restaurierung durchgeführt und in diesem Zustand präsentiert sich das Instrument heute mit 41 Registern auf drei Manualen und Pedal. Die Disposition in Hauptwerk und Oberwerk entspricht bis auf kleine Änderungen der Klanggestalt, die Johann Markus Oestreich dem Instrument gegeben hat. Das Hauptwerk besitzt den klassischen Prinzipalchor 8', 4' und 2' nebst Quinte 2 2/3', breit differenziert durch Gemshorn, Rohrflöte und Schwebung 8' sowie Gedackt und Spitzflöte 4'. Ein Bordun 16' grundiert die Disposition, ein 4faches Kornett, eine 4fache Mixtur und eine 3fache Zimbel bilden die Klangspitze. Daneben finden wir noch eine Trompete 8' im Hauptwerk. Das Oberwerk besitzt, aufbauend auf den Principal 4' und seine Oktave 2', eine farbenreiche Klanggestalt mit Gedackt, Quintatön, Salicional und Krummhorn 8', Duiflöte 4', Flageolet 2' und Quintflöte 1 1/3', bekrönt von einer 3fachen Mixtur. Das orgelbewegte Rückpositiv ist mit Rohrpommer 8', Koppelflöte 4', Rohrnasat 2 2/3', Principal 2', Terz 1 3/5', einer Jauchzend Pfeif 2fach und einem Kopfregal 8' besetzt. Die Pedaldisposition wurde gegenüber der Oesteich-Disposition erweitert. Es verfügt über Principal, Subbaß und Posaune 16', Octave, Gedacktbaß und Trompete 8', Octave und Trompete 4', eine wiederum recht orgelbewegte Schwiegelpfeife 2' und eine 5fache Pedalmixtur. Vier Register wurden, die bereits erwähnt, aus der Lohoff-Orgel von 1651 übernommen; der Gedacktbaß 8' im Pedal verfügt sogar über noch ältere Pfeifen, allem Anschein nach aus der spätgotischen Orgel von 1555. Die Oestreich-Orgel der Detmolder Erlöserkirche gilt als das bedeutendste historische Orgelwerk in Lippe.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=4VPYoulgkss&t=903s

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Rückpositiv, C-g3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Gedackt 8' Rohrpommer 8' Principal 16' Manualkoppel II-I
Principal 8' Quintatön 8' Koppelflöte 4' Subbaß 16' Manualkoppel III-I
Gemshorn 8' Salicional 8' Rohrnasat 2 2/3' Octave 8' Manualkoppel III-II
Rohrflöte 8' Principal 4' Principal 2' Gedacktbaß 8' Pedalkoppel zu I
Schwebung 8' Duiflöte 4' Terz 1 3/5' Octave 4' Pedalkoppel zu II
Octave 4' Octave 2' Jauchzend Pfeif 2f. Schwiegelpfeife 2' Pedalkoppel zu III
Gedackt 4' Flageolet 2' Kopfregal 8' Pedalmixtur 5f. Tremulant
Spitzflöte 4' Quintflöte 1 1/3'   Posaune 16'  
Quinte 2 2/3' Mixtur 3f.   Trompete 8'  
Octave 2' Krummhorn 8'   Trompete 4'  
Cornett 4f.        
Mixtur 4f.        
Zimbel 3f.        
Trompete 8'        

In Detmold gespielte Stücke:
Johann Friedrich Doles: Ich hab in Gottes Herz >>> https://www.youtube.com/watch?v=ZCswzG2ISZU
Johann Friedrich Doles: Was Gott tut, das ist wohlgetan >>> https://www.youtube.com/watch?v=HHY6fwdm8Ig
Johann Gottfried Vierling: Allegro C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=elHkbjI8-qg&t=464s
Johann Gottfried Vierling: Cantabile B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=kQaw9JQbkhc
Johann Gottfried Vierling: Poco Adagio F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=yO5rNYHCZt0
Johann Gottfried Vierling: Un poco Allegro d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=VqPSUULaTDY
Johann Gottfried Vierling: Versette c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=VqPSUULaTDY



DRAMFELD (Gemeinde Rosdorf, Landkreis Göttingen)
Ev. Kirche St. Nikolai




Erbauer: Carl Heyder (Heiligenstadt) 1852, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Dramfeld ist ein Ortsteil der Gemeinde Rosdorf im südniedersächsischen Landkreis Göttingen. Der Ort liegt im Leinetal, etwa auf halbem Wege zwischen Göttingen und Hann.-Münden. In unmittelbarer Nähe des Dorfes liegt das Autobahndreieck Drammetal, das die Autobahnen A7 und A38 miteinander verbindet und jährlich von rund 30 Millionen Fahrzeugen frequentiert wird, das entspricht rund 83.000 Fahrzeugen pro Tag. Durch den Ort fließt die Dramme, nach der der Ort und das Autobahndreieck benannt sind. Zum Ortsgebiet gehört auch das südwestlich von Dramfeld gelegene, im 13.Jahrhundert entstandene ehemalige Zisterzienserkloster Mariengarten. 1229 wurde der Ort in einer Urkunde des Erzbischofs von Mainz erstmals genannt. Etwa zur gleichen Zeit besaß das adlige Geschlecht derer von Dramfeld, die als Vorläufer des Patrizier-Geschlechts derer von Dransfeld gelten, im Ort einen freien, adligen Erbsitz und Burghof. 1973 wurde Dramfeld in die Gemeinde Rosdorf eingegliedert. Die evangelische Kirche St. Nikolai wurde vermutlich im späten 13.Jahrhundert errichtet. Teile des Mauerwerks mit Schießscharten stammen wohl noch aus dieser Zeit. Nach dem Einsturz des alten Turms erhielt die Kirche einen achtseitigen Dachreiter und wurde 1776 durch den Einbau neuer Rundfenster, eines Westportal und eines klassizistischen Kanzelaltars im Inneren zu einem barocken Saalraum umgestaltet. Die Orgel der Kirche wurde 1852 von Carl Heyder aus Heiligenstadt errichtet.
Der Orgelbauer Carl Heyder wurde 1821 in Singen, heute ein Ortsteil der Stadt Stadtilm, geboren. Er erlernte sein Handwerk beim großen Johann Friedrich Schulze in Paulinzella, dem Nachbarort Singens und arbeitete nach seiner Lehre eine Zeitlang bei Schulze als Geselle. Carl Heyder hat in seinen eigenen Orgeln die Errungenschaften und Neuerungen Schulzes konsequent übernommen. Nach seinen Wanderjahren, in denen er bei Friedrich Knauf in Großtabarz, bei Friedrich Wilhelm Wäldner in Halle und zuletzt bei Gottlieb Knauf in Bleicherode in Lohn und Brot stand, machte er sich 1847 in Glasehausen im Eichsfeld selbstständig. Schon ein Jahr später verlegte er seine Werkstatt nach Heiligenstadt und übersiedelte 1868 nach Mühlhausen. Heyder wirkte vor allem im südlichen Niedersachsen und im Eichsfeld, wo er bis zu seinem Tod 1902 über 100 Instrumente errichtete. Seine Werke wurden später oft als unzureichend und von schlechter Qualität kritisiert. Seine erhaltenen Orgeln zeigen jedoch, daß er sehr solide baute, wenngleich seine Instrumente in manchen Details etwas derb und wenig elegant wirken. Seine ersten Orgeln erbaute Heyder im Eichsfeld, 1848 in Reinholterode, es folgten unter anderem Instrumente in Wintzingerode 1850 und etwa zeitgleich in Pfaffschwende. 1852 folgte sodann der Orgelbau in Dramfeld. Die meisten seiner in den folgenden Jahrzehnten errichteten Instrumente sind kleine Werke mit meist nur einem Manual und bis zu zehn Stimmen. Größere, zweimanuale Orgeln sind eher die Ausnahme. Eine gut erhaltene Orgel mit 20 Stimmen steht in Wehnde im Eichsfeld, 1854 errichtet. Seine mit 23 Registern größte Orgel erbaute Carl Heyder 1863 in Elbingerode im Harz, von der jedoch nach einem Umbau in den 1950er-Jahren heute nur noch etwa acht Register auf ihn zurückgehen. Gut erhalten und restauriert sind etwa noch das 1860 erbaute Instrument in Kerstlingerode im Landkreis Göttingen und in Helstorf, einem Ortsteil der Stadt Neustadt am Rübenberge in der Region Hannover von 1864. Eine seiner letzten Orgeln erbaute Carl Heyder 1893 in Atzenhausen, etwa sieben Kilometer südwestlich von Dramfeld gelegen mit 6 Registern, die ebenfalls bis heute die Zeiten überdauert hat.
Die 1852 fertiggestellte Orgel in Dramfeld besitzt neun Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual, das bis zum d3 ausgebaut ist, verfügt über Principal und Bordun 8', Octave und Gedackt 4', ein Nasat 3', eine Octave 2' sowie eine 3fache Mixtur. Im bis zum d1 geführten Pedal stehen zwei Bordun-Register im 16'- und 8'-Lage, dazu kommt eine Pedalkoppel. 2011 wurde die Orgel durch die Firma Elmar Krawinkel aus Trendelburg restauriert. Im Abnahmegutachten des zuständigen Orgelsachverständigen lesen wir, dass die „Firma Krawinkel ein technisch sicher funktionables und klanglich zauberhaftes Dorförgelchen wiedererstehen“ ließ. Aber auch solche „Dorförgelchen“ des 19.Jahrhunderts – um das Wort des Gutachtens nochmals zu zitieren - gehören zum Unesco-Welterbe und prägen in ihrer Farbigkeit und Individualität die beeindruckende Orgellandschaft im Großraum Mitteldeutschland. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=oo3UNK8T76Y

Disposition:

Manual, C-d3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Bordun 16' Pedalkoppel
Bordun 8' Bordun 8'  
Octave 4'    
Gedackt 4'    
Nasat 3'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Dramfeld gespielte Stücke:
Hermann Bönicke: Sollt ich meinem Gott nicht singen >>> https://www.youtube.com/watch?v=7HkhbJ8aqfg
Friedrich Buchmann: Präludium zu einem Bußliede >>> https://www.youtube.com/watch?v=CjJhOTvLu4c
Niels Wilhelm Gade: Sorgemarsch >>> https://www.youtube.com/watch?v=NA1sVEpDACo
Niels Wilhelm Gade: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=mPJjEBPuVIo
Carl Ferdinand Gluthmann: Vorspiel Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=ttnAN3iG17Q
Carl Ferdinand Gluthmann: Vorspiel G-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=q9a7S1KZisA
Friedrich Gradehand: Vorspiel zu einem Choral erhebenden Inhalts >>> https://www.youtube.com/watch?v=GcfLyemEtho
Friedrich Gradehand: Vorspiel zu einem Choral tröstlichen Inhalts >>> https://www.youtube.com/watch?v=jUjs2XHIKhw
Friedrich Kühmstedt: Adagio G-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=KOBVtjHxqYc
Friedrich Kühmstedt: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=TVrBCQeLI9E&t=6s
Ernst Pohlmann: Fughette a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=s5mP-6yk8S0
Adam Gottlieb Theile: Präludium Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=mxcz1A15e08&t=15s
Adam Gottlieb Theile: Präludium F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=6PC2TnY2jSw&t=4s
Wilhelm Wedemann: Nachspiel B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=gU0vNQCYWBU&t=23s
Wilhelm Wedemann: Präludium G-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=fze0MRTBCBg&t=4s



ERDMANNRODE (Gemeinde Schenklengsfeld, Landkreis Hersfeld-Rotenburg)
Ev. Kirche




Erbauer: Joseph Oestreich (Bachrain) 1845, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Erdmannrode ist ein Ortsteil der Gemeinde Schenklengsfeld im osthessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Der Ort liegt westlich des Hauptortes Schenklengsfeld. Westlich von Erdmannrode liegt Fischbach, im Süden Mengers, im Norden Wippershain und im Osten Wüstfeld. Erstmals erwähnt wurde Erdmannrode unter dem damaligen Ortsnamen „Erckmerode“ im Jahre 1478. Bis 1804 war es im Besitz der Herren von Buchenau, 1972 wurde das bis dahin dem Landkreis Hünfeld angehörende Erdmannrode in die Gemeinde Schenklengsfeld eingegliedert und gehört seither zum Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Der Ort beheimatet heute rund 200 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Kirche ist ein kleiner Bau mit schmalem, hohem Rechteckchor. Sie wurde 1573 erbaut, 1794 in Fachwerk erhöht und 1958 nach Westen erweitert, wobei das alte Westportal wiederverwendet wurde; der Dachreiter über dem Chor trägt eine auf 1799 datierte Wetterfahne. Vor der Kirche ist die alte, über 500jährige Gerichtslinde in achteckigem Mauerring erhalten. In der Kirche findet sich auf der rückwärtigen Empore eine Orgel, die in ihrer ursprünglichen Gestalt 1845 von Joseph Oestreich aus Bachrain errichtet wurde.
Joseph Oestreich, der Erbauer der Orgel in Erdmannrode, wurde 1817 als Sohn von Johann Adam Oestreich geboren. Er repräsentiert die vierte Generation jener traditionsreichen Orgelbauerfamilie, die Mitte des 18.Jahrhunderts mit Jost Oestreich in Oberbimbach begonnen hat und im Schaffen von Johann Markus Oestreich einen Höhepunkt erreichte. Die beiden Söhne von Johann Markus Oestreich, Johann Georg und Johann Adam, gehen nach anfänglich gemeinsamer Arbeit mit dem Vater später getrennte Wege. Während Johann Georg die Familienwerkstatt in Oberbimbach weiterführt, gründet Johann Adam nach einer mehrjährigen Tätigkeit in Westfalen eine eigene Werkstatt in Bachrain – vor den Toren Fuldas gelegen. Dessen Sohn Joseph übernahm 1847 bei seiner Heirat Anwesen und Werkstatt seines Vaters Johann Adam. Joseph Oestreich hatte einen sehr guten Ruf als Orgelbauer und galt lange Zeit als „der Oestreich“ im Fuldaer Land, wie vor ihm sein Großvater Johann Markus. Er betreute alle wichtigen Orgeln in Fulda und Umgebung, so die beiden Domorgeln, die Orgel der Stadtpfarrkirche und der Michaelskirche in Fulda und andere. Ab 1840 ist er mit eigenen Orgelarbeiten nachweisbar. 1842 half er seinem älteren Bruder Constantin beim Orgelneubau im westfälischen Altastenberg. Diese Orgel ist leider nicht erhalten, ebenso die Zeiten nicht überstanden hat sein Instrument von 1844 in Großenbach bei Hünfeld. 1845 erfolgte dann der Bau der kleinen Orgel in Erdmannrode mit 6 Registern auf einem Manual und Pedal. Danach hatte Joseph Oestreich durch seine zahlreichen Stimm- und Pflegearbeiten kaum noch Gelegenheiten, in Neubauten sein Können zu zeigen. Erhalten blieb in Teilen lediglich ein 1864 für Büchenberg erbautes Instrument. Bis 1958 war die Orgel in Erdmannrode im Originalzustand erhalten. Beim damaligen Umbau der Kirche wurde auch die Orgel durch die Gebrüder Euler aus Hofgeismar erneuert und die ehedem weiche und sanfte Klanggestalt - dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend – in Richtung Neobarock verändert. Die letzte Dispositionsänderung erfolgte in den 1970er Jahren durch die Orgelbaufirma Dieter Noeske aus Rotenburg an der Fulda, die das Instrument auch heute noch betreut. Trotz der nur noch relativ geringen Anzahl originaler Pfeifen läßt ein Musizieren mit diesen den ursprünglichen, romantischen Klangausdruck noch erkennen.
Die kleine Joseph-Oestreich-Orgel in Erdmannrode besitzt heute 7 Register auf einem Manual und Pedal. Originales Pfeifenmaterial von Oestreich besitzen die Stimmen Gedackt und Salicional 8' sowie eine Flöte 4'. Bei letzterer Stimme sind allerdings nur die Holzpfeifen bis zum c° original; die Metallpfeifen ab dem cis° dieses Registers sind durch Noeske als Rohrflöte 4' ergänzt worden. Dazu kommt der Principal 4' sowie eine Octave 2' sowie eine Quinte 1 1/3'. Das Pedal besaß ursprünglich nur einen 8'-Oktavbaß, heute finden wir hier einen Subbaß 16' vor. Der Prospekt der Orgel in Erdmannrode ist klassisch nachbarock mit fünf Pfeifenfeldern. Trotz ihrer derzeit nicht optimalen Klanggestalt ist das Instrument in Erdmannrode von einer gewissen Bedeutung für die regionale Orgellandschaft, weil sich in ihr und in ihrem Schwesterinstrument in Büchenberg die einzigen Pfeifen von Joseph Oestreich erhalten haben. Die hohe Wertschätzung, die man ihm und seiner Arbeit zu Lebzeiten entgegenbrachte, steht in einem merkwürdigen Mißverhältnis zu dem, was aus der vierten Generation der Bachrainer Oestreich-Linie bis heute die Zeiten überdauert hat. Vielleicht ist es irgendwann einmal möglich, den originalen Zustand und damit auch das originale Klangbild wiederherzustellen. Derzeit ist die Orgel zwar vollumfänglich spielbar, allerdings ist der Klang – wie auch ein Gutachten aus dem Jahr 2015 feststellt – relativ matt und es gibt auch technische Mängel; so weist originale Windlade starke Trocknungsrisse auf. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=6egSinsQnzg

Disposition:

Manual, C-d3 Pedal, C-d1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Salicional 8'    
Principal 4'    
Flöte 4'    
Octave 2'    
Quinte 1 1/3'    

In Erdmannrode gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Freu dich sehr, o meine Seele BWV Anh. 53 >>> https://www.youtube.com/watch?v=S5PBde2M9m8
August Eduard Grell: Präludium Nr. 1 B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=GNxbVscUSQ0
August Eduard Grell: Präludium Nr. 2 g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=vAB-l_Fx7cM
Michael Henkel: Vorspiel, Allegretto und Versetten C-Dur aus op. 5 >>> https://www.youtube.com/watch?v=3cPRORpamaY
Wilhelm Volckmar: Christus, der ist mein Leben >>> https://www.youtube.com/watch?v=F5ic9nguarU
Wilhelm Volckmar: Meine Hoffnung stehet feste >>> https://www.youtube.com/watch?v=SXj_EipL60Q
Wilhelm Volckmar: Nun danket all und bringet ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=iDlYaIYiv74



ERKSDORF (Stadt Stadtallendorf, Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Ev. Kirche




Erbauer: Eobanus Friedrich Krebaum (Eschwege) 1833, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Erksdorf ist ein Stadtteil von Stadtallendorf im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf. Der Ort mit derzeit ziemlich genau 1000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt nördlich von Stadtallendorf in der westhessischen Senkenzone. Die Gegend ist ein uraltes Siedlungsgebiet, man vermutet eine erste Besiedlung schon zwischen dem 4. und dem 8. Jahrhundert. Erstmals urkundlich erwähnt wird Erksdorf in der Mitte des 13. Jahrhunderts und Mitte des 14.Jahrhunderts gehörte der Ort zum Amt Rauschenberg. Der Ortsname leitet sich wohl vom Namen des ersten bekannten Siedlers ab, in der verfügbaren Literatur liest man einmal von einem Eric von Erkersdorp, ein anderes Mal von einem Siedler namens Ercanger. Später gehörte der Ort zur Provinz Oberhessen im Kurfürstentum Hessen und dort zum Kreis Kirchhain. Anfang 1972 wurde Erksdorf in die damalige Stadt Allendorf eingemeindet, die seit 1977 zusammengeschrieben wird, also Stadtallendorf. Die evangelische Kirche ist der Mittelpunkt des alten Ortskerns und gemeinsam mit der alten dreistufigen Gerichtslinde neben der Kirche das Wahrzeichen des Dorfes. Die Kirche selbst ist ein schlichter klassizistischer Saalbau mit fast quadratischem GRundriß und Dachturm aus den Jahre 1831 bis 1832. Das spätgotische Altarkreuz stammt aus der Zeit um 1500. Die Orgel entstand ein Jahr nach der Vollendung der Kirche im Jahre 1833. Erbaut hat sie der Orgelbauer Friedrich Krebaum aus Eschwege. Sein Name ist heute selbst in Fachkreisen kaum bekannt; sehr zu Unrecht, wie ich finde, denn seine wenigen erhaltenen Orgeln zeichnen sich durch einen ausgesprochen schönen, recht individuellen Klang aus.
Der Orgelbauer Eobanus Friedrich Krebaum entstammte einer Gastwirtsfamilie in Eschwege und wurde 1786 geboren. Sein älterer Bruder Johann Bernhard übernahm später die Gaststätte der Familie „Zur Goldenen Krone“ in Eschwege. 1815 erwarb Friedrich Krebaum das Haus Nr. 751 in Eschwege, heute Schloßplatz 6 und erweiterte das Anwesen um ein Hinterhaus, in dem er auch seine Orgelbauwerkstatt einrichtete. 1825 wurde Friedrich Krebaum zum Kreisorgelbauer für den Kreis Eschwege ernannt. Nur ganz wenige seiner in der Folgezeit errichteten Orgeln sind noch erhalten, etwa das 1828 für die Kirche des Dorfes Niederhohne bei Eschwege erbaute Instrument, das seit 1896 in Sterkelshausen beim Alheim im Landkreis Hersfeld-Rotenburg steht. 1829 bis 1830 erbaute er in der Kirche St. Johannes in Marburg, der Kugelkirche eine neue Orgel, die zwar im Laufe der Zeit erweitert wurde, aber erst 1976 endgültig einem Neubau weichen mußte. Die Orgeln von Eobanus Friedrich Krebaum brauchen den Vergleich mit anderen Orgelbauern nicht zu scheuen. Immer wieder wird Krebaum als „denkender Künstler“ gelobt. Und 1843 schreibt Wilhelm Volckmar, als Seminarmusiklehrer in Homberg an der Efze einer der einflußreichsten Musiker jener Zeit über Krebaum: „…er werde von allen, die ihn kennen, namentlich von seinen Collegen, was viel sagen will, als ein ebenso tüchtiger wie redlicher Mann bezeichnet.“ Als Kaufmann hatte Krebaum jedoch kein besonders gutes Händchen. So schreibt beispielsweise der Eschweger Pfarrer Lange: „Nicht begreifen kann ich, wie er sich mit so geringen Accordsummen begnügen kann, so achten wir es für billig, das sein reelles Wesen im Arbeiten und sein Eifer und Fleiß in Bedienung der hiesigen Stadt gebührend anerkannt werde.“ Darüber hinaus stand es mit der Zahlungsmoral seiner Kundschaft wohl nicht zum Besten, und so geriet Krebaum spätestens Anfang der 1840er Jahre in massive finanzielle Schwierigkeiten. Die andauernden Geldsorgen waren es dann auch, die Krebaum letztlich in den Freitod trieben. Im April 1845 wurde er bei Albungen in der Werra entseelt aufgefunden und auf dem dortigen Friedhof beigesetzt. Ein Eintrag im Kirchenbuch vermerkt, dass sich Krebaum „infolge von Melancholie selbst entleibt habe, jedoch ein ehrliches Begräbnis“ erhielt.
Die 1833 von Friedrich Krebaum in Erksdorf geschaffene Orgel zeigt uns ihren Meister auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Zudem ist sie als einzige Orgel ihres Erbauers in außergewöhnlich vollständigem Maße original erhalten und, da die meisten anderen Krebaum-Orgeln entweder gar nicht erhalten oder bis zur Unkenntlichkeit verändert sind, von überregionaler Bedeutung innerhalb der hessischen Orgellandschaft. Im Jahre 2006 wurde die Orgel durch Orgelbaumeister Martin ter Haseborg und seine Firma "Orgelbau in Ostfriesland GmbH" aus Uplengen behutsam und stilgerecht restauriert. Das stattliche Instrument besitzt 14 Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual hat einen Umfang bis zum f3 und besitzt die Stimmen Quintatön 16', Principal, Gedackt, Hohlflöte und Viola di Gamba 8', Oktav und Gedackt 4', eine Quinta 3', die Oktav 2' sowie eine 4fache, terzhaltige Mixtur. Das Pedal, das bis zum c1 geht, verfügt über Subbaß 16', Oktavbaß und Violoncell 8' sowie eine ebenfalls originale Posaune 16'. Der edle Klang des Instruments ist mit seiner einerseits gravitätischen, andererseits vornehm-glänzenden Farbigkeit sehr eindrucksvoll. Krebaum hat bestes Material verarbeitet und auch die Verarbeitung aller Teile zeugt, wie es auch im Restaurierungsbericht von 2006 zu lesen ist, „von hoher Qualität der Erbauerwerkstatt“. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=MMa2EwSNHJs&t=50s

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Quintatön 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Octavbaß 8'  
Gedackt 8' Violoncell 8'  
Hohlflöte 8' Posaune 16'  
Viola di Gamba 8'    
Octav 4'    
Gedackt 4'    
Quinta 3'    
Octav 2'    
Mixtur 4f.    

In Erksdorf gespielte Stücke:
Johann Georg Albrechtsberger: Fuga über B-A-C-H >>> https://www.youtube.com/watch?v=kntPU8fpt6A&t=27s
August Bergt: Allegro moderato d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=l3CiOyAdQSo&t=14s
Johann Christian Kittel: O Traurigkeit, o Herzeleid >>> https://www.youtube.com/watch?v=WYRhZ8Kk1Aw&t=2s
Johann Wilhelm Cornelius von Königslöw: Introduction und Fuge e-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=6wtcuUwjcaU&t=1s
Christian Friedrich Schale: Adagio e mesto di molto c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=doLdYqVn1CE&t=5s
Christian Friedrich Schale: Andantino F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=1r_cRRZB8RM
Christian Friedrich Schale: Largo fis-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=E-nq0jzHGXw&t=16s
Christian Friedrich Schale: Moderato A-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=nnrOF09zICY
Christian Friedrich Schale: Un poco largo C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=q0fqj6IFixA
Franz Schubert: Fuge C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=uuowyYZd0o8&t=293s
Anton Ludwig Ernst Trutschel: Moderato a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=YSRR-1V8bqg



ESCHEBERG (Stadt Zierenberg, Landkreis Kassel)
Ev. Gutskapelle




Erbauer: Georg Peter Wilhelm (Kassel) 1793, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Escheberg ist ein Stadtteil von Zierenberg im nordhessischen Landkreis Kassel mit nur etwa 30 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das kleine Dorf liegt im Norden des Habichtswälder Berglands knapp 5 km nordwestlich der Zierenberger Kernstadt und etwa 850 m südöstlich der Kuppe des Eschebergs, der mit 449 Metern höchsten Erhebung des Malsburger Waldes. Escheberg besteht im Wesentlichen aus einem Gutshof im Fachwerkstil und einem kleineren Wirtschaftshof. Dieser ist durch eine ehemalige Orangerie mit einem im englischen Stil angelegten Schlosspark verbunden. In unmittelbarer Nähe gibt es darüber hinaus einen 18-Loch-Golfplatz. Der Ort war Stammsitz des vom 13. bis ins 15. Jahrhundert bestehenden niederadligen Geschlechts derer von Escheberg. Das im Jahr 1530 im gotischen Stil erbaute Schloss Escheberg ging aus einem im Fachwerkstil errichteten Gutshaus hervor. Das Schloss befindet sich bis heute im Privatbesitz der Familie von der Malsburg. Zur Zeit der Romantik, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war das Schloss eine bedeutende Begegnungsstätte von Künstlern und Literaten. Die Gastfreundschaft des Kammerherrn Karl Otto von der Malsburg genossen unter anderem August Wilhelm Schlegel, Ludwig Tieck, Heinrich Marschner, Louis Spohr, Moritz von Schwind und Ludwig Emil Grimm. Und Emanuel Geibel, der 1841 bis 1842 Gast auf Schloß Escheberg war, dichtete auf der Wanderung dorthin seine bekannten Verse „Der Mai ist gekommen“. Der Ostflügel des dreigeschossigen Herrenhauses wurde 1752 mit einer Kapelle ergänzt. Die Orgel über der klassizistischen Kanzelwand errichtete im Jahre 1793 der Kasseler Hoforgelbauer Georg Peter Wilhelm.
Georg Peter Wilhelm, der Erbauer der Orgel auf Gut Escheberg, wurde 1733 in Weißenbach, einem Ortsteil der Stadt Großalmerode im Werra-Meißner-Kreis geboren. Er war der Sohn eines Müllers und erlernte sein Handwerk in der Werkstatt des Kasseler Hoforgelbauers Hermann Peter Dibelius. Er machte sich zunächst in Weißenbach selbstständig, verlegte seine Werkstatt 1766 aber nach Kassel und wurde 1771 zum Hoforgelbauer und zusätzlich zum Stadtorganisten berufen. 1778 erbaute er eine Wasserorgel, die in der obersten Grotte auf der Wilhelmshöhe dem Riesen Polyphem in den Rücken gesetzt wird. Eine Walze mit Musikstücken für dieses Instrument richtete Hoforganist Johannes Becker ein. Die 1767 erbaute Wilhelm-Orgel in Ehringen bei Volkmarsen ist nur leicht verändert worden, und auch die 1795 geschaffene Orgel in Lohre bei Felsberg im Schwalm-Eder-Kreis ist relativ gut erhalten. Eines der wertvollsten Instrumente der nordhessischen Orgellandschaft ist die 1802 von Georg Peter Wilhelm erbaute Orgel in der Stiftskirche zu Kaufungen. Seit 1974 unfreiwillig verstummt, wird dieses höchst bedeutsame Instrument mit 21 Registern nach mehrjähriger Restaurierung im Herbst 2019 wieder eingeweiht. Georg Peter Wilhelm hatte einen 15 Jahre jüngeren Halbbruder Georg Wilhelm Wilhelm. Wegen der Gleichheit seines Vor- und seines Nachnamens fügte er letzterem zunächt ein „i“, später ein „y“ an und nannte sich fortan Wilhelmy. Er lernte ebenfalls bei Dibelius, übernahm dann die die Werkstatt seines nach Kassel verzogenen Bruders in Weißenbach und siedelte sich 1781 in Stade an der Unterelbe an. Er hatte dort viele bedeutsame Instrumente in Pflege, so reparierte er nicht nur die berühmten Schnitger-Orgeln in Stade selbst, sondern auch beispielsweise die Instrumente in Steinkirchen und Lüdingworth. Zwei Orgeln von Arp Schnitger aus Hamburg stellte Wilhelmy in den Dörfern Grasberg im Landkreis Osterholz und in Cappel bei Cuxhaven wieder auf – und rettete sie damit aus heutiger Sicht vermutlich vor dem Untergang. Doch zurück zu Hoforgelbauer Georg Peter Wilhelm. Als er 1806 starb, übernahm zunächst sein 1774 geborener ältester Sohn Adam Wilhelm das Amt des Hoforgelbauers. Doch starb er bereits zwei Jahre später und die Werkstatt ging an seinen 1781 geborenen Bruder Georg Wilhelm über. Ab 1825 betreute dieser Georg Wilhelm die Kreise Kassel, Fritzlar und Homberg in der Funktion des Kreisorgelbauers. Trotz einer ganzen Reihe von Orgelbauten, die er bis zu seinem Tode 1838 erstellen konnte, lebte er mit seiner Familie in bitterer Armut. Der Sohn des Stader Wilhelmy, der 1811 geborene Carl Wilhelm, übernahm die Kasseler Werkstatt 1838 und wurde ebenfalls Hof- und Stadtorgelbauer. Ihm wiederum folgte sein Bruder Gustav Wilhelm nach.
Die 1793 erbaute Orgel in der Gutskapelle auf Gut Escheberg wurde in den Jahren 2010 bis 2011 durch Orgelbaumeister Kilian Gottwald aus Amöneburg sehr behutsam und feinfühlig restauriert. Nahezu alle Teile, selbst die ursprünglichen Tastenpolster aus Leder und Stoff waren noch original erhalten und aufgrund der engen Bauweise, aber auch des guten Zustandes des Instruments wurden alle Arbeiten vor Ort ausgeführt, so dass weder Windladen noch die Traktur zerlegt werden mußten. Das Manual hat einen Tonumfang bis zum f3. Wir finden hier die acht Register Gedackt, Quintade und eine bemerkenswert sensibel „lispelnde“ Gambe 8', Principal und Gedacktflöte 4', Oktave und Flageolet 2' sowie einen 2fachen Sesquialter. Das Pedal ist angehängt mit zwei vollen Oktaven bis zum c1. Die Orgel auf Gut Escheberg ist nach der Restaurierung ein beredtes Zeugnis für die Kunstfertigkeit und die hohen Standards ihres Erbauers Georg Peter Wilhelm. Im Schaffen dieses Stammvaters der verzweigten Orgelbauerfamilie Wilhelm/Wilhelmy ist die Orgel aufgrund ihres im Prinzip komplett originalen Erhaltungszustands von besonderer Bedeutung.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=ZC6X3b45AkU


Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1
Gedackt 8' angehängt
Quintade 8'  
Gambe 8'  
Principal 4'  
Gedacktflöte 4'  
Octave 2'  
Flageolet 2'  
Sesquialter 2f.  

In Escheberg gespielte Stücke:
Fortunato Chelleri: Fuge in B >>> https://www.youtube.com/watch?v=2635NV2l6Q8&t=1s
Fortunato Chelleri: Fuge in G >>> https://www.youtube.com/watch?v=VxBbajqixvw&t=161s
Georg Friedrich Händel: Aus tiefer Not schrei ich zu dir >>> https://www.youtube.com/watch?v=eBDLzlIEaa8
Georg Friedrich Händel: Christus, der ist mein Leben >>> https://www.youtube.com/watch?v=xLmGJyi6eh0&t=8s
Georg Friedrich Händel: Voluntary XII in F >>> https://www.youtube.com/watch?v=xS2T-ajxnAQ
Franz Anton Hugl: Praeludium und Versetten septimi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=LWmZiM83NaY
Alessandro Poglietti: Ricercar IX tertii toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=leTWVYy8q74
Christian Friedrich Schale: Largo a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=GDIeQ1Jj2VU
Christian Friedrich Schale: Moderato d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=3mZwJRldHnc
Christian Friedrich Schale: Nachspiel G-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=bU8aAs_MdCM
Christian Friedrich Schale: Un poco Adagio Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=DJ-4ulczQtA
Christian Friedrich Schale: Un poco Adagio h-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=8Xm065WmPZE



ESEBECK (Stadt Göttingen, Landkreis Göttingen)
Ev. Kirche St. Pankratius




Erbauer: August von Werder (Northeim) 1850, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Esebeck ist der nordwestlichste Stadtbezirk der alten Universitätsstadt Göttingen, an der Grenze zu den Gemeinden Adelebsen und Bovenden und bildet mit dem Nachbardorf Elliehausen heute eine gemeinsame, sogenannte „Ortschaft“ innerhalb der Stadt. 630 Einwohnerinnen und Einwohner leben heute in dem Dorf, das entweder 1036, spätestens aber im 12. Jahrhundert als "Esebeke" im Mainzer Urkundenbuch erstmals genannt wurde. Landschaftlich gehört der Ort zu der aus Muschelkalk gebildeten Dransfelder Hochfläche, rund 100 Höhenmeter über dem Leinetal gelegen. 1418 waren hier neben Göttinger Kaufmannsfamilien die Herren von Grone, von Adelebsen, von Hardenberg sowie das Kloster Lippoldsberg begütert. Zunächst zum Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gehörend, erlebte die Gegend durch Erbteilungen und Zusammenführungen eine wechselvolle Geschichte. Seit 1692 gehörte Esebeck zum Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, das 1814 zum neuen Königreich Hannover kam. 1356 wurde erstmals eine Kirche in im Ort erwähnt. Das heutige Gotteshaus wurde 1755 durch den kurhannoverschen Universitätsbaumeister Johann Michael Müller unter Einbezug des alten Turmes errichtet und später geringfügig umgestaltet. Im Jahre 1850 erhielt die Kirche eine Orgel aus der Werkstatt von August von Werder, der seine Werkstatt damals in Northeim hatte. 
Der Orgelbauer August von Werder gehörte zu einem von mehreren gleichnamigen Adelsgeschlechtern, das seit dem Mittelalter vor allem im Gebiet des südlichen Niedersachsen großen Einfluß hatten und die oft nur unzureichend unterschieden werden. Die Linie, aus der August stammte, ging zurück auf Heinrich von dem Werder, der 1522 von Herzog Erich von Braunschweig einige Hufen Land in der Gegend von Holzminden verliehen bekam. Sein Vater Friedrich Werder, 1783 in Bördel bei Dransfeld geboren, war Lehrer Küster, Organist und „Orgelreparateur“, wie er sich selbst nannte. Von 1809 bis 1824 war er Lehrer in Hetjershausen, dann in Elliehausen. Sein 1819 geborener Sohn, der im Gegensatz zu seinem Vater auf das „von“ in seinem Namen großen Wert legte und dem skeptischen Pfarramt später sogar Urkunden beibrachte, die sein Recht zur Führung des Namenszusatzes belegten, begann 1831 zunächst eine Tischlerlehre bei dem Orgelbauer Johann Christoph Ahlbrecht in Elliehausen. Doch zeigte er bereits in jugendlichem Alter Interesse und Begabung zur Musik und arbeitete nach seiner Lehre für einige Zeit in der Klavierfabrik Helmholtz sowie bei dem Orgelbauer Ernst Wilhelm Meyer in Hannover. Bereits 1838, also mit 19 Jahren, erbaute er seine erste eigene Orgel für die Göttinger Armen-Arbeitsanstalt in der Angerstraße mit 7 Registern. Erhalten blieb ein schönes Instrument, das August von Werder 1840 in Holzerode östlich von Göttingen erbaute. Es folgten weitere Orgelneubauten in der Umgebung, bei deren Akquise mehr als einmal der Vater durch entsprechende Gutachten, verbunden mit dem mehr oder weniger dezenten Hinweis auf seinen orgelbauenden Sohn. Behilflich war. Erhalten sind August von Werders Werke in Wöllmarshausen in der heutigen Gemeinde Gleichen von 1843, in Obernjesa, Gemeinde Rosdorf von 1844, in Settmarshausen, ebenfalls Gemeinde Rosdorf 1849 und das 1850 vollendete Instrument in Esebeck, wo wir heute zu Gast sind. Den Orgelbauvertrag für Esebeck hat übrigens der Vater Friedrich Werder unterschrieben „im Namen seines Sohnes“. Weitere erhaltene Instrumente aus dem folgenden Jahrzehnt stehen in den Nachbarorten Berka und Katlenburg südlich von Northeim. In Northeim besaß von Werder seit 1845 Wohnhaus und Werkstatt, doch verzog er 1850 in den heutigen Northeimer Ortsteil Höckelheim, aus dem seine erste und auch seine zweite Frau stammten. 1859 wütete ein großes Feuer in Höckelheim und suchte auch von Werders Werkstatt heim. Er erbaute etwas außerhalb von 1862 einen neuen Hof und widmete sich fortan bis zu seinem Tod 1882 vornehmlich der Landwirtschaft. 
Die Orgeln August von Werders sind stets solide gebaut, dabei klanglich konservativ ausgerichtet. Seine Kenntnisse hatte er sich ja vor allem bei der Reparatur älterer Instrumente angeeignet, weshalb seine Neubauten an diesen Vorbildern orientiert waren, die er jedoch stets mit technischem Verständnis, handwerklicher Sorgfalt, musikalischem Feingefühl und einer gewissen Portion Eigenwilligkeit zu kleinen, heute meist gut gepflegten Perlen zu gestalten wußte. Die 1850 vollendete, klangschöne Orgel in Esebeck besitzt 11 Register. Im bis zum f3 ausgebauten Manual stehen Principal, Gedackt und Salicional 8', Octave und Gedackt 4', Quinta 3', Octave 2' sowie eine 3fache Mixtur. Im Pedal finden wir Subbaß 16' sowie Octavbaß und eine Posaune 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. 2007 wurde das Instrument durch Orgelbaumeister Elmar Krawinkel aus Trendelburg denkmalgerecht restauriert. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=rfwsSK7Btro

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Salicional 8' Posaune 8'  
Octave 4'    
Gedackt 4'    
Quinta 3'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Esebeck gespielte Stücke:
August Wilhelm Bach: Präludium e-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=XvJsJiK_ElA&t=4s
August Wilhelm Bach: Präludium g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=-gZnMxsVYjU
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 10 G-Dur >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 11 A-Dur >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 12 c-moll >>>
Ludvig Mathias Lindeman: Fuge über B-A-C-H >>>
Ludvig Mathias Lindeman: Fugirtes Präludium C-Dur >>>
Ludvig Mathias Lindeman: Fugirtes Präludium f-moll >>>
Giacomo Meyerbeer: Priere >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Mache dich, mein Geist, bereit >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: O Durchbrecher aller Bande >>>



GEMÜNDEN/WOHRA (Landkreis Waldeck-Frankenberg)
Ev. Stadtkirche



Erbauer: Johann Georg Oestreich (Oberbimbach) 1805-1806, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Gemünden/Wohra ist eine Stadt im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg. 30 km nördlich von Marburg am westlich angrenzenden Burgwald und am nordöstlich sich erhebenden Kellerwald, leben hier etwa 4.100 Einwohnerinnen und Einwohner. Gemünden grenzt im Norden an die Gemeinde Haina – berühmt durch das ehemalige Zisterzienserkloster, im Osten an die Gemeinde Gilserberg, im Süden an die Gemeinde Wohratal und im Westen an die Stadt Rosenthal. Die ersten urkundlichen Nennungen noch unter der Bezeichnung „Zegemunde“ stammen aus den Jahren 750 bis 779. Die zweite urkundliche Erwähnung ist 1223 zu verzeichnen und schon im Jahre 1253 wird Gemünden erstmals als Stadt erwähnt. In dieser Zeit gehörte Gemünden den Grafen von Ziegenhain. Im 16. Jahrhundert erlebte die Stadt eine Blütezeit, ein großer Brunnen, eine Schule, ein neues Rathaus auf dem Marktplatz und 1587 die erste Wasserleitung aus Holzrohren werden gebaut. Die noch heute bestehende evangelische Stadtpfarrkirche mit ihrem imposanten, 55m hohen Kirchturm wurde 1485 vollendet. 1714 wurde auf Veranlassung von Landgraf Karl eine reformierte Mutterkirche in Gemünden eingerichtet und an der Stadtpfarrkirche angesiedelt. 1806 bis 1806 wurde die Kirche dann in einen klassizistischen Saalbau umgewandelt. In dem Zusammenhang erhielt das Gotteshaus auch eine neue Orgel, erbaut von Johann Markus Oestreich und vor allem seinem Sohn Johann Georg Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda.
Den Auftrag für den Orgelneubau in Gemünden an der Wohra erhielten die Oestreichs auf Umwegen. Erste Neubaupläne hegten Pfarrer, Stadtrat und das zuständige Consistorium seit 1792. Nach einigen verworfenen Plänen bringt der Rosenthaler Amtmann Mülhausen im Jahr 1797 dann die Orgelbauer Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda in Gespräch. Zusammen mit zwei anderen Orgelbauern, Georg Friedrich Küster aus Marburg und Georg Peter Wilhelm aus Kassel reichen die Oestreichs ihre Vorschläge ein. Doch zu einem Orgelneubau kommt es im 18.Jahrhundert noch nicht, da eine allfällige Dachreparatur in Gemünden sich zu einem durchgreifenden Umbau auswächst, der erst 1805 vollendet wird. 1803 schloß die Stadt Gemünden einen „Accord“ mit Johann Georg Oestreich über eine Orgel mit zwei Manualen und 20 Registern für 850 Thaler nebst der alten Orgel. Johann Georg Oestreich wurde 1770 in Oberbimbach als Sohn des berühmten Johann Markus Oestreich geboren. Er erlernte sein Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt und um 1800 sind er und sein jüngerer Bruder Johann Adam häufig gemeinsam mit dem Vater bei Neu- und Umbauten zu finden. Der reiche, spätbarocke Orgelprospekt ist einer jener typischen, sogenannten Oestreich-Prospekte, bei dem alle 15 Pfeifenfelder nebeneinander angeordnet sind – in der Mitte das Oberwerk und das Hauptwerk geteilt auf beiden Seiten links und rechts. Mit allergrößter Wahrscheinlich hat Johann Georg den Prospekt in Gemünden damals nicht neu angefertigt, sondern ein von seinem Vater geschaffenes Gehäuse verwendet, das bereits seit etwa zwei Jahrzehnten auf Vorrat vorhanden war. Der Aufbau in Gemünden erfolgte dann ohne Rückwände und ohne Abdeckung oben, auch die Statik der Empore wurde nicht beachtet, so dass sich das Gehäuse im Laufe der Zeit auf beiden Seiten um rund 5 cm absenkte, was schon kurz nach dem Orgelbau und bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder zu teilweise gravierenden technischen Problemen führte. Und so berichten die Akten im 19. Jahrhundert mit unschöner Regelmäßigkeit über kleinere und größere Reparaturen am Instrument. Erst 1974 bis 1975 wurde eine denkmalgerechte Restaurierung durch Orgelbaumeister Gerald Woehl aus Marburg durchgeführt. Hierbei wurden – soweit möglich – die technischen Mängel der Orgel beseitigt und zugleich der ausgesprochen warme, vokal inspirierte und charaktervolle Klang der Oestreich-Orgel wiederhergestellt.
Die bis heute erhaltenen selbstständigen Orgelarbeiten Johann Georg Oestreichs, der die väterliche Werkstatt in Oberbimbach weiterführte und 1858 starb, sind nicht sehr zahlreich. Dadurch erhält das Instrument in Gemünden an der Wohra eine besondere Bedeutung im Schaffen der Orgelbauerdynastie Oestreich. Trotz aller technischen Mängel hat die Orgel ganz bemerkenswerte und ich würde sogar sagen, außergewöhnliche klangliche Qualitäten. Man soll sich mit subjektiven Anmerkungen ja immer sehr zurückhalten, aber für mich persönlich ist die Gemündener Orgel mit ihrer sehr edlen, zwischen spätbarock und Frühromantik angesiedelten Ausrichtung die Klangschönste aller Oestreich-Orgeln. Aber wie gesagt, das ist subjektiv. 20 Register sind verteilt auf Hauptwerk, Positiv und Pedal. Elf Register finden sich im Hauptwerk, das vom Ton C bis zum f3 ausgebaut ist. Principal, Gedackt, Quintatön, Viol di Gambe und Trompete 8', Oktave, Kleingedackt und Flöte 4', Quinte 3', Octave 2' und eine 4fache Mixtur. Das in der Mitte des Werkes stehende Positiv enthält die fast überirdisch anmutenden Stimmen Stillgedackt und Flötnasat 8', dazu Principal 4', Octave 2' und ein Fagott 8'. Dazu kommt ein „Schwebung“ genannter Kanaltremulant. Das Pedal ist mit vier Registern ausgestattet, Subbaß und Posaune 16', sowie Oktav- und Violonbaß 8'. Bei der Restaurierung durch Gerald Woehl, die 1975 abgeschlossen werden konnte, musste etwa die Hälfte des Pfeifenwerks rekonstruiert werden. Dies waren vor allem jene Stimmen, die schon im Laufe des 19. Jahrhunderts als nicht mehr zeitgemäß ausgetauscht wurden. Dennoch hat die Gemündener Orgel einen wesentlichen Kern ihres originalen Klangkörpers bis heute bewahren können. Die letzte Restaurierung erfolgte 2008 bis 2009 durch die Firma Förster und Nicolaus aus Lich. Eines der wenigen erhaltenen Orgeldenkmäler aus der Zeit des Klassizismus in Nordhessen ist seither wieder in ihrer vollen optischen und klanglichen Schönheit zu erleben.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=V_VZqEp4Drw

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Mittelpositiv, C-f3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Stillgedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gedackt 8' Flötnasat 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Quintatön 8' Principal 4' Violonbaß 8' Tremulant
Viol di Gambe 8' Octave 2' Posaune 16'  
Octave 4' Fagott 8'    
Kleingedackt 4'      
Flöte 4'      
Quinte 3'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      
Trompete 8'      

In Gemünden/Wohra gespielte Stücke:
Carl Philipp Emanuel Bach: Sonate d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=9cB2EwlUSJU
Johann Ludwig Krebs: Jesu, meine Freude >>> https://www.youtube.com/watch?v=CQbjZbrQ_4k
Johann Gottfried Vierling: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: Es ist gewißlich an der Zeit >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: Nun danket alle Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: O Gott, du frommer Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: Seht, welch ein Mensch, ach seht >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak
Johann Gottfried Vierling: Was frag ich nach der Welt >>> https://www.youtube.com/watch?v=Zb6U2SjI5Ak



GIEBOLDEHAUSEN (Landkreis Göttingen)
Ev. Gustav-Adolf-Kirche




Erbauer: Louis Krell (Duderstadt) 1879, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Gieboldehausen ist ein Flecken, gleichzeitig Sitz der Samtgemeinde Gieboldehausen im südniedersächsischen Landkreis Göttingen. Der Ort liegt 11 Kilometer nördlich von Duderstadt und 22 Kilometer östlich von Göttingen am nördlichen Rand des Untereichsfelds. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort im Jahre 1003 als „Gebehildeshuson“ – damit gehört der Ort zu den wenigen Siedlungen, deren Name sich auf einen weiblichen Personennamen, nämlich jene Gebehild bezieht. Seit 1450 wurde der Ort als Flecken bezeichnet und besaß das Markt- und Braurecht. Das ganze Eichsfeld und mit ihm Gieboldehausen gehörte für Jahrhunderte zu Kurmainz – man bezeichnete das Territorium als „Kurfürstlich mainzischen Eichsfelder Staat“ – und ab 1814 dann zum Königreich Hannover. 1971 wurde der Ort zum Mittelpunkt der neuen Samtgemeinde Gieboldehausen mit insgesamt zehn Ortsteilen. Der Ort hat zwei Kirchen und beide besitzen Orgeln aus der Duderstädter Werkstatt der Familie Krell. In der katholischen Laurentiuskirche steht eine Orgel von Rudolf Krell aus dem Jahre 1971 und in der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche ein Instrument des Firmengründers Louis Krell, das 1879 erbaut wurde. Die Kirche selbst wurde 1877 im neugotischen Stil nach Plänen des Hannoveraner Konsistorialbaumeisters Conrad Wilhelm Hase errichtet.
Der Orgelbauer Louis Krell wurde 1832 in Auleben, heute ein Ortsteil der Stadt Heringen/Helme im Landkreis Nordhausen geboren. Er erlernte sein Handwerk ab 1849 bei dem Hesse-Schüler Jakob Vogt im nordhessischen Korbach. Später arbeitete er bei Carl Giesecke in Göttingen, wo er es bis zum Werkführer brachte. Im Jahre 1866 eröffnete Louis Krell seine eigene Werkstatt in Gieboldehausen, doch verlegte er sie schon drei Jahre später nach Duderstadt. Sein Wirkungsbereich konzentriert sich anfangs auf das Eichsfeld und weitete sich dann allmählich, aber stetig aus. Schöne und zumeist gut restaurierte Instrumente von Louis Krell stehen unter anderem in Bernshausen, einem Ortsteil der Gemeinde Seeburg im Landkreis Göttingen mit 23 Registern aus dem Jahre 1879 und im Flecken Lindau im Landkreis Northeim mit 24 Stimmen, erbaut 1882. In jener Zeit vollzog sich der Übergang von der Schleif- zur Kegellade in der Werkstatt Krell. Während die Orgel in Bernshausen schon über mechanische Kegelladen verfügt, besitzt die im gleichen Jahr 1879 erbaute Orgel in Gieboldehausen noch Schleifladen mit Strahlentraktur, wie sie Krell vermutlich bei dem Schulze-Schüler Giesecke kennengelernt hat und wie sie auch Gottlieb Knauf aus Bleicherode zu bauen pflegte. Die Arbeitsgebiete von Krell und Knauf überschnitten sich teilweise, vor allem im heute thüringischen Teil des Eichsfelds. Der 1869 geborene Sohn Friedrich Krell übernahm um 1900 den väterlichen Betrieb, doch blieb Louis Krell bis etwa 1912 geschäftsführend tätig. Er starb 1919 in Duderstadt. Nach Friedrich Krells Tod 1937 übernahmen seine drei Söhne Franz, Rudolf und Josef das Unternehmen, das fortan unter dem Namen Gebrüder Krell firmierte. Nach dem Unfalltod von Rudolf Krell 1971 übernahm dessen 1933 geborener Sohn Werner Krell die Firma und führt sie in vierter Generation. Einen Nachfolger hat er nicht, und so geht Werner Krell noch heute, inzwischen 87jährig, nach eigenem Bekunden täglich in seine Werkstatt in der Duderstädter Haberstraße. Insgesamt sind von 1866 bis 1988 rund 250 neue Orgeln in der Werkstatt der Familie Krell entstanden; nicht nur im Eichsfeld, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Göttingen, Braunschweig und Königslutter.
Die 1879 errichtete Orgel in Gieboldehausen wurde 1956 durch Paul Ott aus Göttingen im Sinne des damals modernen Neobarock umgestaltet. 1993 wurden diese Änderungen durch den Orgelbauer Franz Rietzsch aus Hiddestorf wieder rückgängig gemacht. 2019 erfolgte eine Überarbeitung der Intonation, so dass sich das Instrument heute wieder in einem Klangbild präsentiert, wie es sich der Erbauer Louis Krell 1879 vorgestellt haben dürfte. 13 Register sind verteilt auf zwei Manualen und Pedal. Im Hauptwerk finden wir Bordun 16', sodann Principal, Hohlflöte und Gamba 8', die Oktaven 4' und 2' sowie ein 2-3faches Cornett und eine 3-4fache Mixtur. Im Hinterwerk, ebenso wie das Hauptwerk mit einem Tonumfang bis zum f3, stehen Flauto traverso und Salicional 8' sowie eine Rohrflöte 4'. Im Pedal mit einem Ambitus bis zum d1 sind Subbaß 16' und Violon 8' besetzt, dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie ein Tremulant zum ganzen Werk. Ein Tremulant wäre ein Anachronismus in einer Orgel jener Zeit, doch wurde dieser erst 1993 auf einem seit der Erbauung vakanten Zug hinzugefügt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=KOZjIVRSqCY

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Hinterwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Flauto traverso 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Salicional 8' Violon 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Rohrflöte 4'   Tremulant
Gamba 8'      
Octave 4'      
Octave 2'      
Cornett 2-3f.      
Mixtur 3-4f.      

In Gieboldehausen gespielte Stücke:
Gustav Jenner: Es ist das Heil uns kommen her >>> https://www.youtube.com/watch?v=vOwscXjEtpk
Gustav Jenner: Jesu, meine Freude >>> https://www.youtube.com/watch?v=YEW9txY8JZo
Sigfrid Karg-Elert: Nach einer Prüfung >>> https://www.youtube.com/watch?v=johohULCUk0&t=33s
Sigfrid Karg-Elert: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=WsjNMagBPT0
Hugo Kaun: Gottlob, es geht nunmehr zu Ende >>> https://www.youtube.com/watch?v=c3anGNFOb2w&t=16s
Franz Liszt: Consolation IV Des-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=iiuysRZD66w
Joseph Gabriel Rheinberger: Präludium d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=2l23oysOyIg
Joseph Gabriel Rheinberger: Präludium Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=C1H17e2Gr34
Richard Strauss: Präludium B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=AOzf27ePTtU



HATZFELD (EDER) (Landkreis Waldeck-Frankenberg)
Ev. Emmauskapelle



Erbauer: Johann Christian Rindt (Schönstadt) 1706, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Hatzfeld (Eder) ist eine Stadt im Landkreis Waldeck-Frankenberg in Hessen mit etwas über 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt im westlichen Hessen nordwestlich von Marburg und nördlich der Sackpfeife im Tal der Eder. Hatzfeld grenzt im Norden und Osten an die Stadt Battenberg, im Süden an die Stadt Biedenkopf, sowie im Westen an die Stadt Bad Berleburg. Das Geschlecht der von Hatzfeld wird um 1138 als „de Hepisvelt“ erstmals urkundlich erwähnt. Wie die benachbarten Grafen von Battenberg waren diese während des hohen und späten Mittelalters überwiegend als mainzische Parteigänger in die hessisch-mainzischen Auseinandersetzungen involviert. 1282 wird eine (heute weitgehend verfallene) Burg Hatzfeld erwähnt, zu deren Füßen ab 1340 eine Stadt errichtet wurde. Nach dem Aussterben der hessischen Linie derer von Hatzfeld fielen Stadt und Herrschaft 1570 zuerst zur Hälfte, später dann ganz an das Haus Hessen, dem die von Hatzfeld bereits 1311 ihre Burg zu Lehen aufgetragen hatten. 1866 kam Hatzfeld als Teil des hessen-darmstädtischen Hinterlandes zu Preußen und verlor gemäß preußischem Recht 1885 die Stadtrechte. Nach der Auflösung Preußens erlangte Hatzfeld die Bezeichnung Stadt 1950 wieder zurück. Die evangelische Stadtkirche St. Johannes ist ein verschieferter Fachwerkbau aus dem 14. Jahrhundert. Die älteste der drei Hatzfelder Kirchen ist jedoch ist die kleine Emmauskapelle am Rande der Stadt. Als dreischiffige spätromanische Pfeilerbasilika mit wehrhaftem Westturm im 12. Jahrhundert erbaut, war sie dem Heiligen Cyriacus geweiht. Sie gehörte zum befestigten „Großen Hof zu Nieder-Hatzfeld“. Bis zur Anlage der Burg im späten 12. Jahrhundert war dies der Stammsitz der Herren von Hatzfeld. Mit dem Bau der ummauerten Stadt Mitte des 14. Jahrhunderts erlosch die Siedlung Nieder-Hatzfeld an dieser Stelle. Seit dieser Zeit – bis heute - wird die Kapelle als Begräbniskirche der Bürger von Hatzfeld genutzt. Die Orgel der Emmauskapelle wurde 1706 von Johann Christian Rindt unter Verwendung älterer Gehäuse- und Pfeifenteile gebaut.
Der Orgelbauer Johann Christian Rindt wurde 1672 in Hatzfeld als Sohn des Johannes Rindt und seiner Ehefrau Johanna Katharina getauft. Bei wem Rindt den Orgelbau erlernt hat, ist nicht gesichert. Vermutet wird, dass Georg Wagner aus Lich sein Lehrmeister war. Rindt übersiedelte 1699 nach Schönstadt bei Cölbe, wo er eine neue Orgel baute, und wurde dort spätestens 1701 auch Schulmeister und Organist. Sein Schwiegersohn Gabriel Irle ging ihm zur Hand und übernahm nach Rindts Tod die Schönstadter Werkstatt und auch dessen Amt als Schulmeister. Rindt starb 1744 im Alter von 72 Jahren und wurde in Schönstadt begraben. Von Johann Christian Rindt sind verschiedene Neubauten kleiner Orgelwerke und Reparaturen nachgewiesen. Es sind in der Regel einmanualige Werke ohne selbstständiges Pedal. Die erhaltenen Prospekte sind reichlich mit Schnitzwerk versehen, insbesondere das seitliche Schleierwerk, die „Orgelohren“. Die älteste nachgewiesene Orgelarbeit lieferte er 1696 nach Amönau bei Marburg mit 5 Registern, die allerdings nicht erhalten ist. Von der 1702 vollendeten Orgel in Caldern nördlich von Marburg ist der Prospekt im Wesentlichen erhalten, hinter dem im Jahr 1900 freilich eine neue Orgel gebaut wurde. Die heute in der Emmauskapelle stehende Orgel wurde 1706 für die Stadtkirche Hatzfeld gebaut. Rindt übernahm dabei wesentliche Teile der Vorgängerorgel, die gut und gerne um 1600 erbaut worden sein könnte. Die Orgel erhielt sieben Register auf einem Manual, ein Pedal war nicht vorhanden. 1868 genügte die Orgel den Ansprüchen in der Stadtkirche nicht mehr und man beschaffte dort ein neues, größeres und moderneres Instrument. Die Rindt-Orgel wurde in die Friedhofskapelle versetzt, wo sie in den kommenden Jahrzehnten in einen wahren Dornröschenschlaf versank. Im Laufe der Zeit drohten vor allem die spätgotischen Bleipfeifen aus der von Rindt wiederverwendeten Vorgängerorgel in der feuchten Emmauskapelle zu zerfallen. Dieter Schneider, Orgelexperte aus Biedenkopf, hatte bereits 1950 auf diesen erschreckenden Umstand hingewiesen. Nach langen Bemühungen erfolgte schließlich in den Jahren 1982 bis 1984 eine fachgerechte Restaurierung und Rekonstruktion der Orgel durch Orgelbaumeister Gerald Woehl aus Marburg.
Die Rindt-Orgel in der Emmauskapelle zu Hatzfeld an der Eder besitzt sieben Register auf einem Manual, das im Baß über eine sogenannte kurze Oktave verfügt und im Diskant bis zum c3 ausgebaut ist. Ein Pedal ist nicht vorhanden. Die Register Groß Gedact 8' und Principal 4' im Prospekt bestehen aus dickwandigen, schweren Bleipfeifen aus der Zeit um 1600 – ein ganz besonderer Schatz, denn in dieser Bauart und aus dieser Zeit sind deutschlandweit nur ganz wenige Register bis heute erhalten. Ihr sonorer, dabei sehr transparenter und tragfähiger Klang ist von ganz besonderem Reiz. Von Rindt sind die Register Gedackt 4' und Oktave 2' erhalten, ebenfalls aus Blei gefertigt, aber deutlich dünnwandiger als die älteren, spätgotischen Pfeifen. Von Gerald Woehl rekonstruiert wurden die Register Quint 3', Tertia 1 3/5' und Superoctav 1'. Die Stimmtonhöhe liegt bei 475 Hertz und als Temperatur wurde der Orgel eine mitteltönige Stimmung gegeben. Die kleine Orgel der Emmauskapelle ist eine der bedeutendsten Denkmalorgeln Hessens. Die Stadt Hatzfeld als Eigentümer der Emmauskapelle veranstaltet hier eine alljährliche Konzertreihe und auch einige CD-Einspielungen mit namhaften Organisten haben hier bereits stattgefunden. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=zNTv86Em02M&t=850s

Disposition:

Manual, CDEFGA-c3  
Groß Gedact 8' kein Pedal
Principal 4'  
Gedact 4'  
Quint 3'  
Octav 2'  
Tertia 1 3/5'  
Superoctav 1'  

In Hatzfeld (Eder) gespielte Stücke:
Adam von Fulda: A solis ortus cardine >>> https://www.youtube.com/watch?v=-tE3fXfJKFM
Adam von Fulda: Missa - Agnus Dei >>> https://www.youtube.com/watch?v=PzYqKkLBaCc&t=38s
Adam von Fulda: Magnificat quinti toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=xQsSMGYMBxE
Adam von Fulda: Mi fa mi re ut >>> https://www.youtube.com/watch?v=U1MfZVv3gHM
Philipp Jakob Baudrexel: Praeambulum mit Versetten quarti toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=SLR3nfyaJeQ
Philipp Jakob Baudrexel: Praeambulum mit Versetten tertii toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=FGNE5H33Gbk
Philipp Jakob Baudrexel: Toccatina in B >>> https://www.youtube.com/watch?v=IpXyAcTauZg&t=2s



HEMELN (Stadt Hann. Münden, Landkreis Göttingen)
Ev. Marienkirche



Erbauer: Johann Dietrich Kuhlmann und Balthasar Conrad Euler (Gottsbüren) um 1820, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Hemeln ist ein Ortsteil der Stadt Hannoversch-Münden im Landkreis Göttingen, 12 km weserabwärts der Stadt. Zusammen mit den Ortsteilen Glashütte und Bursfelde liegt Hemeln am Fuße des Bramwaldes im Süden des Weserberglands. Erstmals hören wir von Hemeln, als 834 Kaiser Ludwig der Fromme das Dorf in den Besitz des Kloster Corvey übertrug. 1538 kam der Ort zum Fürstentum Calenberg-Göttingen, das zu den Kernlanden des späteren welfischen Kurfürstentums Hannover zählte, aus dem letztlich das heutige Bundesland Niedersachsen hervorging. Die Weser trennt Hemeln vom hessischen Nachbarort Veckerhagen – die Wesermitte ist auch heute noch die Landesgrenze. Eine Rollfähre verbindet hier Hessen und Niedersachsen miteinander. Zu Hemeln gehört der kleine Ortsteil Bursfelde, der durch sein Benediktinerkloster und die Bursfelder Kongregation ab dem 15. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung innerhalb der deutschen Klosterlandschaft zukam. 1973 wurde Hemeln in die Stadt Hannoversch-Münden, die heute meist Hann-Münden genannt wird, eingegliedert. Direkt an der Weser liegt malerisch die Hemelner Marienkirche, deren massiver Wehrturm aus der Zeit um 1200 stammt und die 1681 ihre heutige Form erhielt. Der bemerkenswerte Altar stammt aus dem Jahr 1686 und zeigt noch die strengen Formen der späten Renaissance. Auf der rückwärtigen Empore erblicken wir die prachtvolle, um 1820 gefertigte Orgel.
Erbaut wurde die farbige und klangschöne Orgel in Hemeln von Johann Dietrich Kuhlmann und seinem Stiefsohn Balthasar Conrad Euler aus Gottsbüren bei Hofgeismar im nordhessischen Landkreis Kassel. Er ist Teil einer Orgelbautradition in Gottsbüren, die bis auf den 1598 geborenen Joachim Kohlen zurückgeht. Dessen Enkeltochter heiratete um 1695 einen gewissen Christoph Heeren, dessen Sohn David und vor allem der Enkel Johann Stephan Heeren – geboren 1729 – das Unternehmen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur bislang größten Blüte führten. Er schuf beispielsweise 1788 die Orgel für Veckerhagen auf der anderen Seite der Weser, deren Prospekt ohne das klingende Innenleben bis heute erhalten ist. Ab 1784 arbeitete bei Heeren der 1759 in Frischborn im Vogelsberg geborene Johann Friedrich Euler und heiratete die Tochter des Meisters. Beide bekamen einen Sohn, den 1791 geborenen Conrad Euler. Doch starb Johann Friedrich Euler bereits vier Jahre später. Die junge Witwe heiratete daraufhin den 1775 in Hannover geborenen Gesellen Dietrich Kuhlmann, der damit zum Partner seines Schwiegervaters wurde und die Firma bis zum Tod Johann Stephan Heerens 1804 unter dem Namen Heeren et Kuhlmann weiterführte. In den folgenden Jahren hatte Kuhlmann nur wenige Aufträge, während der Napoleonischen Kriege hatte man für Orgelneubauten wenig Geld. In dieser Zeit erhielt der junge und strebsame Conrad Euler eine solide Ausbildung in der Werkstatt des Stiefvaters und trat etwa 1815 als Partner in das Unternehmen ein, das nunmehr unter dem Namen Euler & Kuhlmann firmierte.  In den folgenden rund 25 Jahren entstanden eine ganze Anzahl Orgeln, meist im Großraum Göttingen, doch gelegentlich auch darüber hinaus. Unter ihnen ragen die 1823 vollendete Orgel in Pattensen mit 23 Registern, die im selben Jahr erbaute Orgel in Uchte mit ebenfalls 23 Stimmen sowie das ein Register größere Werk in Göttingen, St. Nicolai heraus, die leider allesamt nicht erhalten sind. Das Instrument in Hemeln entstand um 1820, das genaue Baujahr wissen wir nicht. Etwa 1825 übernahm Conrad Euler als sein mütterliches Erbteil die Firma und Dietrich Kuhlmann eröffnete in Gottsbüren eine eigene Werkstatt, die nach seinem Tod 1846 von seinem Sohn George Karl Kuhlmann weitergeführt wurde, die aber durch die spätestens ab 1850 einsetzende Blüte der Firma Euler bald in der Bedeutungslosigkeit versank. Die Familie Euler führte die Werkstatt noch mehrere Generationen bis 1995 weiter. Dann erwarb der Orgelbauer Elmar Krawinkel die Werkstatt, verlegte sie ins benachbarte Trendelburg und setzt dort die seit dem 17.Jahrhundert bestehende Tradition bruchlos fort. 
Die Orgel in Hemeln ist im Laufe der Zeit nur wenig verändert worden. 1917 mußten, wie überall, die Prospektpfeifen abgeliefert werden und Anfang der 1960er Jahre erfolgte eine kleine Änderung der Klanggestalt, die aber nicht weiter ins Gewicht fällt. 1993 wurde das wertvolle und herausragend klangschöne Instrument durch Martin Haspelmath aus Walsrode denkmalgerecht und in der für ihn charakteristischen Weise sehr einfühlsam restauriert. Das Manual, ausgebaut bis zum f3, besitzt eine klassische und zugleich farbige Disposition. Bordun 16', Principal, Hohlflöte, Gedackt und ein Diskant-Salicional 8', Octave und Hohlflöte 4', Quinte 3', Octave 2' sowie als Klangkrone eine glänzende, 4fache Mixtur, die durch eine Sesquialtera im Diskant zusätzliches Profil erhält. Das Pedal besitzt die Stimmen Subbaß 16', Principalbaß 8', Octavbaß 4', eine später hinzugefügte Bauernflöte 2' sowie eine Posaune 16', dazu kommt eine Pedalkoppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Principalbaß 8'  
Hohlflöte 8' Octavbaß 4'  
Gedact 8' Bauernflöte 2'  
Salicional 8' (D) Posaune 16'  
Octave 4'    
Hohlflöte 4'    
Quinte 3'    
Octave 2'    
Sesquialtera 2f. (D)    
Mixtur 4f.    

In Hemeln gespielte Stücke:
August Wilhelm Bach: Mein erst Gefühl sei Preis und Dank >>> https://www.youtube.com/watch?v=XghGCyOvoEY
Ludwig van Beethoven: Präludium f-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=ccvAv9kqQb0
Adolf Friedrich Hesse: Christus, der uns selig macht >>>
Adolf Friedrich Hesse: Gott ist mein Lied >>>
Adolf Friedrich Hesse: Was Gott tut, das ist wohlgetan >>>
Johann Christoph Kellner: Nachspiel C-Dur >>>
Johann Christoph Kellner: Vorspiel d-moll >>>
Jan Krtitel Kuchar: Fantasie g-moll >>>
Friedrich Kühmstedt: O du Liebe meiner Liebe >>>
Christian Michael Wolff: Christus, der uns selig macht >>>
Christian Michael Wolff: Es ist das Heil uns kommen her >>>
Christian Michael Wolff: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
Carl Heinrich Zöllner: Präludium B-Dur >>>
Carl Heinrich Zöllner: Präludium G-Dur >>>



IBA (Stadt Bebra, Landkreis Hersfeld-Rotenburg)

Ev. Kirche



Erbauer: Johann Eberhard Dauphin (Iba) 1715, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Iba ist ein Ortsteil der Stadt Bebra im Landkreis Hersfeld-Rotenburg im Nordosten von Hessen.Der Ort liegt östlich von Bebra im Tal der Iba, einem Nebenfluss der Ulfe im südlichen Teil des Richelsdorfer Gebirges. Vom Kernort wird Iba durch den Rücken des Mühlberges getrennt. Iba wurde in einer Urkunde aus dem Jahre 1070 erstmals als „Ybach“ erwähnt. 1460 beginnt der großangelegte Abbau von Kupferschiefer im Richelsdorfer Gebirge. Zur Verarbeitung des Erzes gab es im 17. Jahrhundert bereits zwei Hütten und drei Pochwerke. Die bei Iba entstandene Hütte wurde später die „Neue“ oder die „Friedrichshütte“ genannt, nach Landgraf Friedrich I. von Hessen-Kassel. Iba, das damals größte Bauerndorf im Amte Rotenburg, war im frühen 18.Jahrhundert durch die zusätzlichen Einnahmen aus dem Bergbau recht wohlhabend geworden. Mitte des 19.Jahrhunderts kommt der Bergbau im Richelsdorfer Revier langsam zum Erliegen. Im Rahmen der hessischen Gebiets- und Verwaltungsreform wurde Iba 1971 in die Stadt Bebra eingegliedert. Die ehemalige Wallfahrtskirche St. Jakob, heutige evangelische Pfarrkirche ist romanischen Ursprungs. Anfang des 17.Jahrhunderts wird der Chor im spätgotischen Stil angebaut und zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgte eine Erhöhung des Turmes mit einem Fachwerkaufbau. 1715 erhielt die Kirche eine neue Orgel durch Johann Eberhard Dauphin, der anläßlich des Orgelbaues seinen Wohnsitz von Mühlhausen nach Iba verlegte.
Johann Eberhard Dauphin, der Erbauer der Orgel in Iba, wurde um 1670 in „thüringischen Landen“ geboren. Wo genau, wissen wir nicht, aber vermutlich im Norden, wahrscheinlich im Umkreis von Nordhausen und Mühlhausen. Er hatte einen zehn Jahre jüngeren Bruder Johann Christian Dauphin, der ebenfalls Orgelbauer war. Von diesem Johann Christian wissen wir, daß er sein Handwerk bei Johann Friedrich Wender in Mühlhausen erlernte. Wahrscheinlich ging Johann Eberhard ebenfalls bei Wender in die Lehre. Somit sind die Dauphins zweifellos auch des Öfteren mit Johann Sebastian Bach zusammengekommen sein, da Bach an Wenders Orgeln in Arnstadt und Mühlhausen Organist war und bekanntlich beim Umbau der Mühlhäuser Orgel sehr eng mit der Werkstatt Wender zusammengearbeitet hat. Johann Eberhard Dauphin erlangte vor 1713 das Bürgerrecht in Mühlhausen und ließ sich dort als Orgelbauer nieder. Kurz vor Weihnachten 1713 wurde sein Sohn Johann Christoph in Mühlhausen getauft. Im Jahr 1715 siedelte die Familie dann nach Iba über, wo er seine erste nachgewiesene selbstständige Arbeit errichtete. Sie ist heute das am besten erhaltene Werk Dauphins. Es folgten Orgelbauen in Ronshausen 1716, Hessisch Lichtenau 1721 und weitere Arbeiten, hauptsächlich im ehemaligen Amt Rotenburg, aber auch Richtung Kassel und Hersfeld. 1731 starb Johann Eberhard Dauphin über dem Bau eines Instruments für Hoheneiche, heute ein Ortsteil der Gemeinde Wehretal. Dauphin schuf in der Regel kleinere Dorforgeln mit bis zu neun Registern, die auf einem 4'-Prinzipal basierten, aber immer über ein selbstständiges Pedal verfügten. Nur zwei Instrumente, unter anderem die Orgel in Iba besassen einen Principal 8'. Typisch für Dauphin ist das Register Quintatön immer eine Oktave tiefer als der Principal. Folglich finden wir in Iba erstaunlicherweise bei nur sechs Manualregistern konsequenterweise auch einen Quintatön 16'. Der Prospektaufbau ist nach dem mitteldeutschen Normaltyp mit drei Pfeifentürmen und dazwischenliegenden eingeschossigen Flachfeldern gestaltet.
Die Orgel von Johann Eberhard Dauphin in Iba besitzt acht Register auf einem Manual und Pedal. Das Gehäuse und immerhin sechs Register sind original erhalten. Nur wenige Dorforgeln der Barockzeit in Hessen haben noch so viel originale Substanz. Das Manual, das vom Ton C bis zum c3 reicht, ohne Cis, steht auf Basis eines Principal 8'. Dazu kommt eine Coppel 8' – Coppel ist die süddeutsche Bezeichnung für ein Gedackt und hier in Iba aus Metall gefertigt. Dazu kommt das bereits erwähnte Register Quintatön 16', ebenfalls aus Metall. Darüber finden wir Spitzflöte 4', eine Quint 3', eine Oktav 2' und eine 3fache Mixtur. Das Pedal geht vom C bis zum c1 und besitzt einen Subbaß 16' und einen Oktavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Bei der sorgfältigen und denkmalgerechten Restaurierung 1981 durch Orgelbaumeister Gerald Woehl aus Marburg hat man die fehlenden Stimmen, den im Ersten Weltkrieg abgelieferten Prospektprincipal sowie die Mixtur rekonstruiert und auch die Windladen wieder auf ihren Erbauungszustand restauriert. Im Rahmen dieser vorbildlichen Restaurierung erhielt die Orgel auch wieder eine mitteltönige Stimmung, wie sie in Hessen bis weit ins 18.Jahrhundert hinein allgemein gebräuchlich war. Die Dauphin-Orgel in Iba darf man mit gutem Recht als eine der wertvollsten Barockorgeln Hessens bezeichnen. Und sie ist eine der ganz wenigen, die mittels ihrer alten, mitteltönigen Stimmung den Klang der Musik des Frühbarock in ganz besonders authentischer Weise erlebbar machen.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=IUB8omUTWI0&t=931s

Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-c3  
Quintatön 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Octavbaß 8'  
Coppel 8'    
Spitzflöte 4'    
Quint 3'    
Octav 2'    
Mixtur 3f.    

In Iba gespielte Stücke:
Adam von Fulda: Missa - Credo >>> https://www.youtube.com/watch?v=N96AYMqeUJE
Adam von Fulda: Missa - Sanctus >>> https://www.youtube.com/watch?v=siULquZ3vTQ
Adam von Fulda: Regali ex progenie >>> https://www.youtube.com/watch?v=DpQl8ndGXJ8
Adam von Fulda: Salve decus virginum >>> https://www.youtube.com/watch?v=y9-mzuixMRw&t=16s
Philipp Jakob Baudrexel: Praeambulum mit Versetten secundi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=xDsQfzJ2Tsw&t=3s
Johann Pachelbel: In dich hab ich gehoffet, Herr >>> https://www.youtube.com/watch?v=zbUqm2253_U&t=9s
Johann Pachelbel: Ricercar in c >>> https://www.youtube.com/watch?v=a5lRfpTWZI4
Johann Pachelbel: Toccata in d >>> https://www.youtube.com/watch?v=2mX3IJNncPA
Johann Pachelbel: Wo Gott zum Haus nicht gibt sein Gunst >>> https://www.youtube.com/watch?v=kGHCDGaV0eM&t=6s



KLEINENGLIS (Stadt Borken, Schwalm-Eder-Kreis)
Ev. Kirche

Erbauer: Adam Joseph Oestreich (Oberbimbach) 1832, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Kleinenglis ist ein Stadtteil von Borken im hessischen Schwalm-Eder-Kreis. Im Ort leben heute etwa 1500 Menschen. Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfs erfolgte im Jahre 775 als „Angelgise“ in einer Urkunde der Abtei Hersfeld. Erst im 13. Jahrhundert beginnt eine Unterscheidung bei den Ortsnamen zwischen Kleinenglis und dem benachbarten Großenenglis, so z.B. im Jahr 1239 als Graf Heinrich III. von Reichenbach den halben Zehnten von "Engelgis minor" dem Kloster Haina vermachte. Mit dem „Kaiserkreuz“ steht in Kleinenglis ein nationalgeschichtliches Denkmal. Hier wurde am 5. Juni 1400 Herzog Friedrich I. von Braunschweig-Wolfenbüttel, der zuvor in Frankfurt von einigen Kurfürsten als Kandidat zur Königswahl gegen Wenzel von Luxemburg vorgeschlagen worden war, ermordet. 1974 wurde Kleinenglis in die benachbarte Stadt Borken eingegliedert. Die einst dem Erzengel Michael geweihte evangelische Kirche ist eine mittelalterliche Wehrkirche. Der gotische Chorturm stammt aus dem 14. Jahrhundert, die verschieferte Glockenstube und der Helm aus dem Jahre 1752. Um 1500 wurde das spätgotische, dreijochige Kirchenschiff mit Kreuzgewölbe angebaut. Der gesamte Kircheninnenraum wurde bald darauf mit Szenen aus der Bibel und aus Heiligenlegenden ausgemalt. Die Wandmalereien wurden wohl nach der Reformation übermalt; die im Chor wurden 1925, die im Schiff 1963 freigelegt. Der Kirchenraum mit Altar, Sakramentshäuschen, Aufgang zum Wehrturm usw. ist weitgehend noch im spätmittelalterlichen Originalzustand erhalten. Die heute in Kleinenglis stehende Orgel wurde 1832 von Adam Joseph Oestreich erbaut. Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
Adam Joseph Oestreich, der Erbauer der Orgel in Großauheim, wurde 1799 in die berühmte Orgelbauerfamilie Oestreich in Oberbimbach hineingeboren. Sein Vater war Johann Georg Oestreich, dieser wiederum war der Sohn des berühmten und auch über die Grenzen des Fuldaer Landes hinaus wohlbekannten Johann Markus Oestreich. Adam Joseph und seine beiden Brüder Michael und Augustin repräsentieren also die vierte Generation dieser bedeutenden Familie, wenngleich man die bis heute erhaltenen Instrumente der drei Brüder an einer Hand abzählen kann. Adam Joseph Oestreich erlernte sein Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. 1826 ist er erstmals mit einem selbstständigen Orgelneubau für Hattenhof im Kreis Fulda nachgewiesen; diese Orgel ist leider nicht erhalten. 1832 erstellte er einen Neubau für die Ursulinen-Klosterkirche in Fritzlar. Das ist die Orgel, die seit 1997 in Kleinenglis steht. Als die Ursulinen 1877 im Kulturkampf 1877 ihr Kloster verlassen mussten, kam die Orgel in die Kirche von Großenenglis. Als man dort 1974 eine neue Kirche baute, übernahm Orgelbaumeister Bruno Döring aus Neukirchen am Knüll die alte Orgel in seine Werkstatt und lagerte sie, fachgerecht in Einzelteile zerlegt, dort ein. Erst 1997 wurde das Instrument dann restauriert und in der Kirche zu Kleinenglis aufgestellt. Bis auf die Prospektpfeifen und das später angebaute Pedal ist die Oestreich-Orgel komplett erhalten. Sie besitzt 11 Register auf einem Manual und Pedal. Charakteristisch für alle Orgeln des früh verstorbenen Adam Joseph Oestreich ist der ausgesprochen weiche, sangliche Klang der Flöten- und Streicherstimmen und dagegen die helle Klarheit der Prinzipale und Mixturen. Nach weiteren Orgelbauen 1836 in Großauheim bei Hanau, 1838 in Ulmbach bei Schlüchtern und 1839 für Oberrodenbach erhielt Adam Joseph Oestreich 1843 den Auftrag, die Orgel seines Heimatortes Oberbimbach von Grund auf zu erneuern. Diesen Auftrag konnte er jedoch nicht mehr vollenden, da er kurz nach Baubeginn mit nur 44 Jahren verstorben ist.
2011 wurde die Adam Joseph Oestreich-Orgel in Kleinenglis „entgiftet“, nachdem sich der Geruch eines Holzschutzmittels, mit dem die Orgel zuvor behandelt wurde, in der Kirche unangenehm bemerkbar gemacht hatte. Auch das gehört zur Geschichte dieses Instruments, das ja zudem auch schon viel herumgekommen ist. Die heute in Kleinenglis stehende Oestreich-Orgel besitzt 11 Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual geht vom C bis zum d3 und und besitzt Hohlflöte, Gedackt, Quintatön und Flauto traverso 8', Principal, Gedacktflöte und Salicional 4', eine Oktave 2' sowie eine 3fache Mixtur. Ursprünglich hatte die Orgel in Fritzlar aller Wahrscheinlich nach ein angehängtes Pedal. Bei der Aufstellung 1877 in Großenenglis durch die Gebrüder Euler aus Hofgeismar erhielt die Orgel das heute vorhandene selbstständiges Pedal mit Subbaß 16' und Oktavbaß 8'. Im erstaunlich farbigen und dabei immer warmen Klang der Oestreich-Orgel in Kleinenglis kann man hervorragend nachvollziehen, wie sich die entsprechenden klangästhetischen Vorstellungen des Spätbarocks und der Klassik ganz allmählich in Richtung der Frühromantik veränderten. Mit ihrem aus jener Zeit weitgehend im Ursprungszustand bewahrten Klangcharakter gehört sie zu den wichtigen Orgeldenkmalen der frühen Romantik in Nordhessen.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=_QYaBSAPC5Y

Disposition:

Manual, C-d3 Pedal, C-c1  
Hohlflöte 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Quintatön 8'    
Flauto traverso 8'    
Principal 4'    
Gedacktflöte 4'    
Salicional 4'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Kleinenglis gespielte Stücke:
Carl Philipp Emanuel Bach: Aus der Tiefe rufe ich >>> https://www.youtube.com/watch?v=7w5p8kakW7E
Johann Sebastian Bach: Auf meinen lieben Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=iVSbhSoqwVc&t=5s
Christian Heinrich Rinck: Herr, ich habe mißgehandelt >>> https://www.youtube.com/watch?v=hVIs9SwhgWs
Christian Heinrich Rinck: Vorspiel Maestoso d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=Pw8XL67Mh5k
Johann Gottfried Vierling: Adagio mesto c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=yO5rNYHCZt0&t=262s
Johann Gottfried Vierling: Allegretto g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=yO5rNYHCZt0&t=262s
Johann Gottfried Vierling: Andante con tenerezza B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=VqPSUULaTDY
Johann Gottfried Vierling: Ein feste Burg ist unser Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=F68sJLM1Kic&t=241s
Johann Gottfried Vierling: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>> https://www.youtube.com/watch?v=KNe7J8g9J3k&t=506s
Johann Gottfried Vierling: Nun ruhen alle Wälder >>> https://www.youtube.com/watch?v=nL87HFO5zdU&t=570s
Johann Gottfried Vierling: Trio Andantino g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=eihD41upOiI
Johann Gottfried Vierling: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=kA8y1s1jCWc
Johann Gottfried Vierling: Wir Christenleut >>> https://www.youtube.com/watch?v=t4ZhvkPGNFU



KRAUTHAUSEN (Stadt Sontra, Werra-Meißner-Kreis)
Ev. Kirche



Unbekannter Erbauer, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, Rekonstruktion Orgelbau Mebold (Siegen) 2006, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Krauthausen ist ein Stadtteil von Sontra im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis mit rund 130 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt zwischen dem Ringgau im Osten und dem Richelsdorfer Gebirge im Süden, rund 3,5 Kilometer nordöstlich der Stadt Sontra. Durch den Ort verläuft die Bundesstraße 400. Erstmals urkundlich erwähnt wird der Ort im Jahre 1141 als „Crutthusun“, doch vermutlich hat bereits in der Zeit der Karolinger eine Kirche im Ort bestanden. Der Ort gehörte im späten Mittelalter zum Amt Sontra innerhalb der Landgrafschaft Hessen beziehungsweise später der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Im 19. Jahrhundert gehörte Krauthausen, wie die ganze Umgebung dann zu Kurhessen und wurde 1972 im Rahmen der hessischen Gebietsreform in die Stadt Sontra eingemeindet. Die heutige Dorfkirche ist im Wesentlichen wohl im 12. Jahrhundert entstanden. Die Apsis jedoch dürfte deutlich älter sein und mit einiger Wahrscheinlichkeit noch vom karolingischen Gründungsbau aus dem 8. oder spätestens frühen 9.Jahrhundert stammen. Aus dem 14.Jahrhundert, als Krauthausen für einige Jahrzehnte sogar Pfarrsitz war, stammen heute noch die beiden Glocken im Turm der Kirche. Die kleine Orgel auf der Empore hat eine bewegte Geschichte.
Die Geschichte des Krauthäuser Orgelpositivs ist noch nicht lückenlos aufgehellt; vor allem ist noch ungeklärt, wann genau und von wem es erbaut wurde. Allgemein wird aufgrund der reichen Knorpelornamentik eine Entstehung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts angenommen. 1794 wurde von der Instrumentenkammer des Kasseler Schlosses Wilhelmshöhe eine kleine Orgel mit vier Registern „aus landgräflichen Beständen“ in das Kloster Haydau verkauft, bei der es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um das heute in Krauthausen stehende Instrument handelte. Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Haydau im Ort Altmorschen im Schwalm-Eder-Kreis, rund 40 Kilometer südlich von Kassel, diente seit der Aufhebung des Klosters 1527 als „Jagd- und Lustschloß“ der Hessischen Landgrafen. Bevor die Orgel nach Haydau verkauft wurde, hat sie wohl in den ausgedehnten Räumlichkeiten des Kasseler Landgrafenschlosses gestanden. Aus alten Inventaren wissen wir, dass dort im 17. und 18. Jahrhundert in nahezu allen größeren Räumen Orgeln und Orgelpositive standen, beispielsweise im sogenannten Rotensteinsaal, ferner in den Gemächern des Landgrafen und seiner Frau, im Küchensaal und im Übungsraum neben der Kapelle, wo die angestellten Kapellknaben Gesangs- und Instrumentalunterricht erhielten. Eines dieser Orgelpositive kam also 1794 in die ehemalige Klosterkirche Haydau, wurde dort aber bereits 1821 wieder ersetzt und zwar durch die Orgel der ehemaligen Dorfkirche Altmorschen, deren Schiff kurz zuvor abgerissen wurde. Das überflüssig gewordene alte Positiv aus Kassel wurde nun von dem Postmeister Wilhelm Fröhlich aus Sontra erworben, der aus Heinebach bei Morschen stammte und es in Sontra zu beachtlichem Wohlstand gebracht hatte. Direkt gegenüber des Klosters Haydau wohnte damals Georg Wilhelm Scheuch, ebenfalls seines Zeichens Postmeister und es ist naheliegend, dass er den Verkauf der Orgel an seinen Kollegen Fröhlich in die Wege geleitet hat. 1832 wurde dieses Instrument nach dem Tod eines Familienmitglieds von den Gebrüdern Fröhlich „wegen geschwisterlicher Verteilung“ zum Kauf angeboten. Die Gemeinde Krauthausen erwarb es für rund 60 Taler und vermutlich hat der zuständige Kreisorgelbauer, Johannes Vogt aus Rotenburg die Aufstellung in der dortigen Kirche besorgt. 1917 wurde leider ein Großteil des originalen Pfeifenwerks entfernt und 1952 durch den Orgelbauer Werner Bosch, damals noch in Kassel, erneuert. Nach der umfassenden Kirchenrenovierung entschloß man sich Anfang des 21. Jahrhunderts, das laut Gutachten „in seiner Art einmalige Örgelchen“ instandsetzen und das Pfeifenwerk stilgerecht nach Vorbildern des 17. Jahrhunderts rekonstruieren zu lassen. Diese Arbeiten wurden der Orgelbaufirma Mebold aus Siegen anvertraut und 2006 konnte das Instrument schließlich eingeweiht werden.
Bei der Restaurierung 2006 wurden die originalen Teile, also das Gehäuse, die Windlade sowie der überwiegende Teil der Spiel- und Registertraktur restauriert. Die vier Register werden direkt durch Zug an den seitlich aus dem Gehäuse ragenden Schleifenenden einschaltet beziehungsweise abgestoßen. Die Orgel verfügt über zwei Gedackte in 8'- und 4'-Lage, einen Principal 2' sowie eine Quinte 1 1/3' auf einer bis zum d3 geführten Klaviatur ohne die Töne Cis und Dis sowie eine gemildert mitteltönige Stimmung. Ein Pedal ist nicht vorhanden. Die kleine Orgel in der altehrwürdigen Dorfkirche in Krauthausen gehört zu den unbekannten Kleinodien der mitteldeutschen Orgellandschaft. Auch wenn sie in ihrem klingenden Bestand zum großen Teil rekonstruiert ist, vermittelt sie uns doch einen guten Eindruck vom Aussehen und vom Klang eines höfischen Instruments in der Zeit des Frühbarock, wie es in vielen Schlössern und Residenzen jener Zeit zur „Ergötzung und Recreation des Gemüthes“ zu finden war, wie es Johann Sebastian Bach einmal ausdrückte. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=IRXQvpGByLA

Disposition:

Manual, CDE-c3  
Gedackt 8' kein Pedal
Gedackt 4'  
Principal 2'  
Quinte 1 1/3'  


In Krauthausen gespielte Stücke:
Anonymus: Als een Hert gejaecht >>> https://www.youtube.com/watch?v=Qow2RSZDQLw
Anonymus: Heer ich will V Wt's Herten gront >>> https://www.youtube.com/watch?v=iBPHtQL1ZJ8
Anonymus: Hoe schoon licht ons d'morgen Steere >>> https://www.youtube.com/watch?v=sni_Sv-7OWo
Adriano Banchieri: Sonata prima Fuga plagale >>> https://www.youtube.com/watch?v=4BRjedw2vRI&t=8s
Adriano Banchieri: Sonata seconda Fuga triplicata >>> https://www.youtube.com/watch?v=icKakZhlrvE&t=5s
Adriano Banchieri: Sonata sesta Fuga triplicata >>> https://www.youtube.com/watch?v=GqTTOVH2GOs&t=7s
Adriano Banchieri: Sonata settima Concerto enarmonico >>> https://www.youtube.com/watch?v=bgkioZjcdIo&t=6s
Georg Friedrich Händel: Straf mich nicht in deinem Zorn >>> https://www.youtube.com/watch?v=FXE5ZRwXPWs
Alessandro Poglietti: Ricercar III primi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=JSJ-RqfN-OE
 


MARBURG (Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Verbandshaus der AMV Fridericiana


 

Erbauer: Werner Renkewitz (Nehren b. Tübingen) 1956, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition: 
 

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Rohrflöte 8' Gedackt 8' Subbaß 16' (Manualkoppel)
Prinzipal 4' Gedackt 4' Gedackt 8' Pedalkoppel zu I
Nassat 2 2/3' Prinzipal 2' Nachthorn 4' (Pedalkoppel zu II)
Waldflöte 2' Repet. Terz 4/5' Dulzian 16'  
Mixtur 3f. Zimbel 1f.    
Scharf 2f.      


In Marburg gespielte Stücke:
Jürg Baur: Wir danken dir, Herr Jesu Christ >>>
William Byrd: Captain Pipers Pavan >>>
William Byrd: Pavan in a >>>
Hugo Distler: Spielstück a-moll op. 18,5 >>>
Hugo Distler: Spielstück dorisch op. 18,11 >>>
Hugo Distler: Spielstück G-Dur op. 18,10 >>>
Jan Janca: Die ganze Welt, Herr Jesu Christ >>>
Jan Janca: Jerusalem, du hochgebaute Stadt >>>
Jan Janca: So nimm denn meine Hände >>>
Jan Janca: Warum sollt ich mich denn grämen >>>
Georg Kempff: Wenn wir in höchsten Nöten sein >>>
Oskar Lindberg: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Cajus Schmiedlein: Phantasia tertii toni >>>
Kurt Utz: Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich >>>
Kurt Utz: Meinen Jesum laß ich nicht >>>
Kurt Utz: O daß ich tausend Zungen hätte >>>
Kurt Utz: Wunderbarer König >>>
 



NIEDERGANDERN (Gemeinde Friedland, Landkreis Göttingen)
Ev. Gutskapelle




Erbauer: Johann Wilhelm Schmerbach II (Frieda) 1811, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Niedergandern ist ein Ortsteil der Gemeinde Friedland im niedersächsischen Landkreis Göttingen. Der Ort, in dem rund 160 Einwohnerinnen und Einwohner leben und der seit 1973 ein Ortsteil der Gemeinde Friedland ist, liegt etwa 2 km nordnordöstlich des Dreiländerecks Hessen–Niedersachsen–Thüringen. Die südliche Nachbargemeinde Hohengandern liegt bereits im thüringischen Landkreis Eichsfeld, die südwestlich gelegene Dorf Eichenberg schon im hessischen Werra-Meißner-Kreis. Rund 800 Meter nördlich des Ortes liegt die Anschlußstelle Neu-Eichenberg-Friedland der Autobahn A38. Niedergandern wurde im 12. Jahrhundert als "Gandera" erstmals urkundlich erwähnt. Da die ältesten Urkunden nicht zwischen Niedergandern und den nahegelegenen Dörfern Hohengandern und Kirchgandern unterscheiden, kann eine eindeutige Zuordnung nur aufgrund des inhaltlichen Kontextes der Urkunden erfolgen. Die ersten Nennungen des Ortes mit eindeutiger Zusatzbezeichnung stammen vom Ende des 13. Jahrhunderts und die niederdeutsche Bezeichnung Nederen Gandera tritt erstmals 1318 auf, als Bruno von Bodenhausen durch Herzog Otto den Milden mit der Vogtei in Niedergandern belehnt wurde. Die Herren von Bodenhausen übten zunächst die niedere Gerichtsbarkeit über Niedergandern und den Nachbarort Reckershausen aus, bevor sie 1559 die „hohe Gerichtsbarkeit“ von Amt Friedland zuerkannt bekamen. Das große Rittergut Niedergandern mit dem beeindruckenden, 1698 bis 1702 errichteten Herrenhaus und die erhöht stehende, 1798 bis 1802 im klassizistischen Stil erbaute Gutskapelle sind bis heute Eigentum der Familie von Bodenhausen. Das Innere der Kirche mit dem dreiviertelrunden und höhengestaffelten Gestühl erinnert an ein Amphitheater. Auf der Empore, die ebenfalls der Form des Gestühls folgt, steht die 1811 von Johann Wilhelm Schmerbach dem Mittleren erbaute Orgel.
Die Hauptvertreter der über drei Generationen hinweg hauptsächlich in Nordhessen und dem Eichsfeld tätigen Orgelbauerfamilie Schmerbach hießen alle Johann Wilhelm. Darum werden sie heute üblicherweise als Johann Wilhelm Schmerbach I, II oder III oder fast noch häufiger als Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere, der Mittlere und der Jüngere unterschieden. Stammvater war der 1726 geborene Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere. Seine früheste bekannte und erhaltene Orgel erbaute er 1763 in Altenburschla bei Wanfried. Von seinem 1765 in Frieda geborenen Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere wird bereits 1804 berichtet, er habe einen „guten Ruf“; und als im Kurfürstentum Hessen Kreisorgelbauer offiziell eingeteilt wurden, wurden ihm 1825 die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen zugeteilt, doch er baute auch viel im Kreis Eschwege. Seine erste eigene Orgel errichtete er 1789 bis 1790 in Sattenhausen im heutigen Landkreis Göttingen, die allerdings später mehrfach umgebaut wurde. Weitere Instrumente folgten für die Kirchen in Berneburg, Bischhausen und Mengershausen – alles Orte in Nordhessen beziehungsweise im angrenzenden Kreis Göttingen. Seine 1811 vollendete Orgel in Niedergandern entstammt seiner mittleren Schaffensperiode und zeigt Johann Wilhelm Schmerbach den Mittleren auf der Höhe seiner Kunst. 1823 wurde er mit dem Umbau der großen Orgel in der St.-Cyriakus-Kirche zu Duderstadt betraut, zwei Register von Schmerbach sind in dem bedeutenden Instrument bis heute erhalten. Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere starb im Jahre 1831 in Kirchgandern während einer Orgelreparatur. Sein 1795 geborener Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Jüngere übernahm nach dem Tod seines Vaters dessen Amt als Kreisorgelbauer für die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen und wirkte als Orgelbauer in der väterlichen Werkstatt bis etwa 1860. Von allen drei Generationen Schmerbach ist Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere der künstlerisch Bedeutendste. Seine Orgeln sind klanglich noch ganz dem späten Barock verpflichtet; ihre weichen Grundstimmen verraten allerdings auch schon die sich herausbildende Klassik. Seine Orgeln bestechen durch große Eleganz im Klang und eine ausgezeichnete technische Verarbeitung.
Die Orgel in der schönen klassizistischen Gutskapelle in Niedergandern wurde 1984 bis 1985 durch den Orgelbauer Martin Haspelmath aus Walsrode einfühlsam und stilgerecht restauriert. 2014 bis 2015 erfolgte eine erneute, sorgfältige Überholung durch die Firma Orgelbau Waltershausen GmbH. Das bemerkenswerte Klangbild der Schmerbach-Orgel hat dabei die ursprüngliche Frische und Farbigkeit wiedererhalten. Das Instrument besitzt 12 Register auf einem Manual und Pedal. Neun Register finden wir im Manual, das nach oben bis zum d3 ausgebaut ist. Ein Principal 4' bildet die klangliche Grundlage, darüber hinaus finden wir hier Gedact, Viola di Gamba und Quintadöhn 8', ein Gedact 4', Octave und Flageolet 2' sowie eine 3fache Mixtur; dazu kommt noch eine Sesquialtera im Diskant. Das Pedal mit einem Tonumfang bis zum c1 verfügt über Subbaß 16' und Violon 8' sowie ein Vagott 16'. Darüber hinaus besitzt die Orgel eine Pedalkoppel sowie einen Tremulanten, der in barocker Manier als Kanaltremulant gebaut ist. Heute finden in der Gutskapelle neben den regelmäßigen Gottesdiensten der kleinen örtlichen Kirchengemeinde auch gelegentliche Konzerte und, natürlich vor allem im Sommer, stilvolle Trauungen statt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=WzLQv253_xs&t=530s

Disposition:

Manual, C-d3 Pedal, C-c1  
Gedact 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8' Violon 8' Tremulant
Quintadöhn 8' Vagott 16'  
Principal 4'    
Gedact 4'    
Octave 2'    
Flageolet 2'    
Sesquialtera 2f. (D)    
Mixtur 3f.    


In Niedergandern gespielte Stücke:
Anna Amalie von Preußen: Zion klagt mit Angst und Schmerzen >>> https://www.youtube.com/watch?v=fWiZ51uCVws
Fortunato Chelleri: Fuga in F >>> https://www.youtube.com/watch?v=6SDlIkL7vjc
Moritz Landgraf von Hessen: Fuga IV in A >>> https://www.youtube.com/watch?v=DXwjykxev7o&t=3s
Christian Heinrich Rinck: Adagio A-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=mKFHvXi-1iA
Christian Heinrich Rinck: Adagio d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=_0EtNCaNCmc
Christian Heinrich Rinck: Die Einsetzungsworte >>> https://www.youtube.com/watch?v=sbA4pV5ZGTw
Christian Heinrich Rinck: Errett mich, o mein lieber Herre >>> https://www.youtube.com/watch?v=ubO3nL48nzM
Christian Heinrich Rinck: Schaffe in mir, Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=IMAjwkWiz20
Johann Caspar Simon: Praeludium und Fuge in G >>> https://www.youtube.com/watch?v=PqElSy5Idic
Abbé Vogler: Andante A-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=9V8i9GuPjBA
Abbé Vogler: Andante grazioso g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=rEYGM9sHSig
 



NIEDERNJESA (Gemeinde Friedland, Landkreis Göttingen)
Ev. Kirche St. Laurentius




Erbauer: Friedrich Hermann Lütkemüller (Wittstock a.d. Dosse) 1874, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-d3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Violon 8'  
Gedackt 8'    
Salicional 8'    
Gamba 8'    
Praestant 4'    
Flöte 4'    
Quinte 2 2/3'    
Octave 2'    
Cornett 3f.    


In Niedernjesa gespielte Stücke:
Paul Blumenthal: Wie schön leuchtet der Morgenstern >>>
Heinrich Börner: Jesus, meine Zuversicht >>>
Heinrich Börner: Moderato F-Dur >>>
Adolph Bernhard Marx: Danket dem Herren >>>
Karl Piutti: Ach, bleib mit deiner Gnade >>>
Camillo Schumann: Christe, du Lamm Gottes >>>
Camillo Schumann: Es ist das Heil uns kommen her >>>
Camillo Schumann: Nach einer Prüfung kurzer Tage >>>
Camillo Schumann: Nun sich der Tag geendet hat >>>
Friedrich Schuppert: Fuge über "Dies ist der Tag, den Gott gemacht" >>>
Hermann Stecher: Warum betrübst du dich, mein Herz >>>
Ernst Adolph Wendt: Gib dich zufrieden und sei stille >>>
Ernst Adolph Wendt: Nun sich der Tag geendet hat >>>
Ernst Adolph Wendt: O du Liebe meiner Liebe >>>
Ernst Adolph Wendt: Schmücke dich, o liebe Seele >>>
 



NÖRTEN-HARDENBERG (Landkreis Northeim)
Ev. Waisenhauskapelle




Erbauer: Balthasar Conrad Euler (Gottsbüren) 1844, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Nörten-Hardenberg ist ein rund 8.400 Einwohnerinnen und Einwohner zählender Flecken im südniedersächsischen Landkreis Northeim etwa 10 Kilometer nördlich von Göttingen. Der Ort liegt im Tal der Leine zwischen dem Solling im Westen und dem Harz. Schon in der Eisenzeit besiedelt, wurde das Gebiet um das Jahr 800 von Mainz aus christianisiert. Das im hohen Mittelalter errichtete Archidiakonat Nörten bildete zusammen mit der Burg Hardenberg und dem Petersstift in Nörten das geistige und politische Zentrum der Region. 1929 schlossen sich der Flecken Nörten mit der alten Klostergemeinde Marienstein und dem Gutsbezirk Hardenberg zum Flecken Nörten-Hardenberg zusammen.  Seit über 800 Jahren bestimmen die Herren von Hardenberg die Geschicke der Gegend, die um das Jahr 1000 zunächst als Dienstherren des Mainzer Erzbischofs eingesetzt wurden. Noch heute lebt in der Gemeinde eine Linie dieser Familie, aus der unter anderem so bedeutende Köpfe wie der Dichter Novalis, der preußische Staatsmann Carl-August von Hardenberg und der Widerstandskämpfer Carl-Hans von Hardenberg hervorgegangen sind. Zum Besitz der Herren von Hardenberg zählt das Vorderhaus genannte Schloß als deren privater Wohnsitz und das alte Waisenhaus „dicht an der Chaussee“, der heutigen Göttinger Straße, das nebst der damit verbundenen Gräflichen Hauskapelle 1725 von einem Mitglied der Familie gestiftet wurde. Ab 1922 diente das Waisenhaus dann als Altenheim für die ehemaligen Angestellten des Gutes Hardenberg. Altar und Kanzel der Kapelle, auch heute noch die Hauskapelle der gräflichen Familie, stammen aus der Burgkapelle. 1844 erhielt die Kapelle ihre heutige Orgel, die von Conrad Euler aus Gottsbüren errichtet wurde.
Balthasar Conrad Euler ist Teil einer Orgelbautradition in Gottsbüren, die bis auf den 1598 geborenen Joachim Kohlen zurückgeht. Dessen Enkeltochter heiratete um 1695 einen gewissen Christoph Heeren, dessen Sohn David und vor allem der Enkel Johann Stephan Heeren – geboren 1729 – das Unternehmen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur bislang größten Blüte führten. Ab 1784 arbeitete bei Heeren der 1759 in Frischborn im Vogelsberg geborene Johann Friedrich Euler und heiratete die Tochter des Meisters. Ihnen wurde 1791 der Sohn Conrad geboren, der nach dem frühen Tod des Vaters 1794 bei seinem aus Hannover zugezogenen Stiefvater Dietrich Kuhlmann in die Lehre ging. Etwa 1815 trat der strebsame Conrad Euler als Partner in die Familienwerkstatt ein,  die nunmehr unter dem Namen "Euler & Kuhlmann" firmierte. In den folgenden Jahren entstanden eine ganze Anzahl Orgeln, meist im Großraum Göttingen, doch gelegentlich auch darüber hinaus. Unter ihnen ragen die 1823 vollendete Orgel in Pattensen mit 23 Registern, die im selben Jahr erbaute Orgel in Uchte mit ebenfalls 23 Stimmen sowie das ein Register größere Werk in Göttingen, St. Nicolai heraus, die leider allesamt nicht erhalten sind. 1825 übernahm Conrad Euler die alleinige Verantwortung in der Firma „als sein mütterliches Erbteil“. In den folgenden Jahren nahm das Unternehmen eine bemerkenswerte Entwicklung. 1832 erwarb Euler ein Haus in Wahmbeck im heutigen Landkreis Northeim, um im Königreich Hannover als Inländer zu gelten und dort weiterhin Orgelbauaufträge zu erhalten. 1843-45 erbaute Euler in Dransfeld bei Göttingen eine Orgel mit 21 Registern, die ebenso erhalten ist wie das zeitgleich vollendete Instrument in Uslar mit 27 Stimmen. Parallel zu diesen beiden größeren Werken entstand die Orgel für die Waisenhauskapelle in Nörten, die 855 Mark kostete. In den 1850er Jahren amtierte Conrad Euler dann als Bürgermeister in Gottsbüren und war auch von 1852 bis 1854 Mitglied des 14. Kurhessischen Landtags. 1854 übertrug er seinen beiden Söhnen, dem 1827 geborenen Friedrich Wilhelm Euler und dessen 10 Jahre jüngeren Bruder Heinrich Ludwig offiziell die Geschäftsführung, zog sich aber erst um 1858 aus der Leitung zurück. Unter dem Namen „Gebr. Euler“ führten sie als gemeinsame Inhaber die Werkstatt zu einer neuen Blüte und wurden 1878 zu Königlichen Hoforgelbauern ernannt. Diese Auszeichnung hat Conrad Euler jedoch nicht mehr erlebt, er starb 1874 in Gottsbüren. Unter seinen Nachkommen existierte die Orgelbaufirma Euler bis in die 1990er Jahre. 
Die Orgel in der Gräflich-Hardenbergschen Hauskapelle im alten Nörtener Waisenhaus wurde 1949 durch Paul Ott aus Göttingen klanglich leicht verändert und 1974 von Martin Haspelmath aus Walsrode in der ihm eigenen Weise behutsam und einfühlsam restauriert. Das Manual mit einem Tonumfang bis zum e3 besitzt Gedackt und Fernflöte 8', Principal und Hohlflöte 4', ein Flageolet 2' sowie eine 2-3fache Mixtur. Dazu kommt eine von Martin Haspelmath hinzugefügte Sesquialtera im Diskant. Das Pedal ist bis zum c1 ausgebaut und mit Subbaß 16' und Oktavbaß 8' besetzt. Eine Pedalkoppel existiert nicht - eine Eigenheit, die man bei Conrad Euler, aber auch schon bei Johann Stephan Heeren öfter beobachten kann. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:
 

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' (keine Pedalkoppel!)
Fernflöte 8' Octavbaß 8'  
Principal 4'    
Hohlflöte 4'    
Flageolet 2'    
Sesquialtera 2f. (D)    
Mixtur 2-3f.    


In Nörten-Hardenberg gespielte Stücke:
August Ferdinand Anacker: Andante C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=6cfh1zQ6x6Q
August Ferdinand Anacker: Andante Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=9Dl7naxmLg0
August Ferdinand Anacker: Moderato a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=sVW60aRSWK0
Heinrich Friedrich Enckhausen: Christe, du Lamm Gottes >>> https://www.youtube.com/watch?v=YA-RG4sXP3M
Heinrich Friedrich Enckhausen: Christus, der uns selig macht >>> https://www.youtube.com/watch?v=D0leJXSmaxw&t=5s
Heinrich Friedrich Enckhausen: Ein feste Burg ist unser Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=u--UYqObpzw
Heinrich Friedrich Enckhausen: Einleitung zu Grauns "Tod Jesu" >>> https://www.youtube.com/watch?v=O5uoGAow11M&t=28s
Adolf Friedrich Hesse: Ach wie flüchtig, ach wie nichtig >>>
Adolf Friedrich Hesse: Auf meinen lieben Gott >>>
Adolf Friedrich Hesse: Christus, der ist mein Leben >>>
Friedrich Kalkbrenner: Fuga a 3 Soggetti C-Dur >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Christe, du Lamm Gottes >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Jesu, meine Freude >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
 


OBERGRENZEBACH (Gemeinde Frielendorf, Schwalm-Eder-Kreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Georg Wilhelm (Kassel) 1823, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Obergrenzebach ist ein Ortsteil der Gemeinde Frielendorf im oberhessischen Schwalm-Eder-Kreis. Das Dorf liegt an den Westausläufern des Knüllgebirges, 5 Kilometer östlich der ehemaligen Residenz- und Kreisstadt Ziegenhain. Wir sind in der Schwalm – jener reizvollen Gegend im Herzen des Hessenlandes, die in Brauchtum, Tracht und Dialekt bis heute ihre Eigenständigkeit weitgehend bewahrt hat. Erstmals urkundlich im Jahre 1015 genannt, war vor allem das nahe und mächtige Kloster Spieskappel für die Entwicklung von „Grinczenbach“ wegweisend. Nach der Aufhebung des Stiftes im Zuge der Reformation 1527 übernahmen die hessischen Landgrafen, denen zwischenzeitlich die Grafschaft Ziegenhain zugefallen war, auch das Kirchenpatronat in Obergrenzebach. Nach dem Übertritt des Landgrafen von Hessen-Kassel zum Calvinismus 1605 wurde auch in den Dörfern der Schwalm das evangelisch-reformierte Bekenntnis eingeführt. Seit 1821 lag der Ort in der kurfürstlichen Provinz Oberhessen und 1974 erfolgte die Eingemeindung in die Gemeinde Frielendorf. 1822 wurde das heutige Gotteshaus als rechteckiger, klassizistischer Saalbau anstelle der mittelalterlichen Laurentiuskapelle errichtet. Zum Abschluß erhielt die Kirche 1823 ihre Orgel, die aus der Werkstatt von Georg Wilhelm aus Kassel stammt. 
Stammvater der Orgelmacherfamilie Wilhelm war der 1733 in Weißenbach im Werra-Meißner-Kreis geborene Georg Peter Wilhelm. Man muß sich ein wenig Mühe geben, die verschiedenen Mitglieder dieser Sippe auszueinanderzuhalten, da sie allesamt sehr ähnliche Namen trugen. Georg Peter Wilhelm erlernte sein Handwerk in der Werkstatt des Kasseler Hoforgelbauers Hermann Peter Dibelius und wurde 1771 zum Hoforgelbauer sowie zusätzlich zum Stadtorganisten berufen. Eines der wertvollsten Instrumente der nordhessischen Orgellandschaft ist seine 1802 erbaute Orgel in der Stiftskirche zu Kaufungen, die Ende 2019 nach über 40jährigem Schweigen wieder eingeweiht wurde. Georg Peter Wilhelm hatte einen 15 Jahre jüngeren Halbbruder Georg Wilhelm Wilhelm. Wegen der Gleichheit seines Vor- und seines Nachnamens fügte er letzterem zunächt ein „i“, später ein „y“ an und nannte sich fortan Wilhelmy. Er lernte ebenfalls bei Dibelius, übernahm dann die Werkstatt seines nach Kassel verzogenenen Bruders in Weißenbach und siedelte sich 1781 in Stade an der Unterelbe an. Er hatte dort viele bedeutsame Instrumente in Pflege, so reparierte er nicht nur die berühmten Orgeln in Stade selbst, sondern auch beispielsweise in Steinkirchen und Lüdingworth. Zwei Orgeln von Arp Schnitger aus Hamburger Kirchen stellte Wilhelmy in den Dörfern Grasberg im Landkreis Osterholz und in Cappel bei Cuxhaven wieder auf – und rettete sie damit aus heutiger Sicht vermutlich vor der Zerstörung spätestens im zweiten Weltkrieg. Doch zurück zum Kasseler Hoforgelbauer Georg Peter Wilhelm. Als er 1806 starb, übernahm zunächst sein 1774 geborener Sohn Adam Wilhelm das Amt des Hoforgelbauers. Doch starb er bereits zwei Jahre später und die Werkstatt ging an seinen 1781 geborenen Bruder Georg Wilhelm über. Ab 1825 betreute dieser Georg Wilhelm die Kreise Kassel, Fritzlar und Homberg in der Funktion des Kreisorgelbauers. Er hat die Orgel in Obergrenzebach erbaut und einige weitere erhaltene Instrumente von ihm stehen ganz in der Nähe, so etwa in Verna bei Frielendorf von 1816, in Berge bei Homberg (Efze) von 1817 und – etwas weiter entfernt – in Ehlen im Habichtswald, zwischen Kassel und Wolfhagen vor 1830. Trotz einer ganzen Reihe von Neubauten, die er bis zu seinem Tode 1838 erstellen konnte, lebte er mit seiner Familie, wie es heißt, in bitterer Armut. Der Sohn des Stader Wilhelmy, der 1811 geborene Carl Wilhelm, übernahm die Kasseler Werkstatt 1838 und wurde ebenfalls Hof- und Stadtorgelbauer. Ihm wiederum folgte 1851 sein 1816 geborener Bruder Gustav Wilhelm nach. Auch aus dieser letzten Generation der Familie stehen in Nordhessen noch einige schöne Instrumente, etwa das zwar umgebaute, aber mit 24 Registern reich besetzte Werk in Bad Zwesten von 1847, ebenfalls in der Schwalm, in der Hospitalkirche zu Frankenberg an der Eder von 1864 und in Kerspenhausen bei Niederaula, wo eine der letzten Orgeln der Wilhelm-Dynastie von 1884 in hervorragendem Zustand bis heute erhalten ist.  
Die Orgel in Obergrenzebach wurde vor, aber hauptsächlich nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach verändert. Mal wurde ein angeblich verwurmter Achtfuß gegen ein Nasat, mal die vorgeblich "so alte Mixtur, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohne" durch neues Pfeifenwerk ersetzt. Diese von den Orgelsachverständigen jener Zeit nicht nur gebilligten, sondern meist sogar geforderten Maßnahmen haben dazu geführt, daß gerade in Nordhessen viele Instrumente teilweise bis zur Unkenntlichkeit verändert wurden. 1976 wurde die Orgel in Obergrenzebach dann durch Bruno Döring aus Neukirchen letztmals restauriert, aber da war schon vieles zu spät. Das bis zum dreigestrichenen f ausgebaute Manual besitzt Principal, Gedackt und Salicional 8', Octave und Gedackt 4', Nasat 2 2/3', Octave und Nachthorn 2', eine 2fache Sesquialtera und eine 3fache Mixtur. Im Pedal finden wir Subbaß 16' sowie zwei Octavbässe 8' und 4', dazu kommt eine Pedalkoppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> 

Disposition:


Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Salicional 8' Octavbaß 4'  
Octave 4'    
Gedackt 4'    
Nasat 2 2/3'    
Octave 2'    
Nachthorn 2'    
Sesquialtera 2f.    
Mixtur 3f.    

In Obergrenzebach gespielte Stücke:
Ludwig van Beethoven: Fuge a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=7ieo--VVJl8&t=47s
Georg Friedrich Händel: Praeludium und Fuge f-moll >>>
Friedrich Wilhelm Marpurg: Ach Gott und Herr >>>
Friedrich Wilhelm Marpurg: Was mein Gott will, das gescheh allzeit >>>
Peter Müller: Fughetta D-Dur >>>
Peter Müller: Fughetta e-moll >>>
Peter Müller: Larghetto e-moll >>>
Peter Müller: Moderato d-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Andante Es-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Andante g-moll >>>



OBERWEIMAR (Gemeinde Weimar (Lahn), Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Ev. Kirche




Erbauer: Johann Christian Köhler (Frankfurt am Main) 1747, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Oberweimar ist ein Ortsteil der Gemeinde Weimar an der Lahn im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf. Oberweimar wurde im Jahre 1159 erstmals in einer Urkunde genannt, doch ist der Ort und auch die Nachbargemeinde Niederweimar wesentlich älter. Die Bezeichnung Weimar setzt sich wohl aus den altgermanischen Worten "wih", das bedeutet heilig im Sinne von "geweiht" und dem althochdeutschen „mar“ für See, Sumpf oder Moor zusammensetzen. Der Überlieferung zufolge hat in Oberweimar bereits in vorbonifazianischer Zeit, also schon zur Zeit der Missionierung durch iroschottische Mönche um das Jahr 600 herum eine Kirche bestanden. Im Mittelalter war diese dem Heiligen Martin geweihte Kirche in Oberweimar die Mutterkirche der Umgebung, selbst Marburg war bis 1227 nach Oberweimar eingepfarrt. In der frühen Neuzeit gehörte Oberweimar zur Landgrafschaft Hessen, ab 1567 zur Landgrafschaft Hessen-Marburg und ab 1803 zum Kurfürstentum Hessen. Im Rahmen der Gebietsreform 1971 wurde die neue Gemeinde Weimar an der Lahn gegründet und Oberweimar gemeinsam mit Allna und Niederweimar in diese eingemeindet. Die heutige barocke Pfarrkirche im Zentrum des Ortes erhielt ihre Weihe im Jahre 1733. 1747 konnte dann eine neue Orgel beschafft werden, die in wesentlichen Teilen bis heute erhalten ist. Geschaffen hat sie Johann Christian Köhler aus Frankfurt, einer der bedeutendsten hessischen Orgelbauer des 18.Jahrhunderts. Sein hervorragender Ruf zeigt sich in seinem Wirkungsbereich, der von Worms bis Marburg und von Bamberg bis Mainz reichte.
Johann Christian Köhler wurde 1714 in Groß Rosenburg an der Saale, einem heutigen Ortsteil der Stadt Barby im sachsen-anhaltinischen Salzlandkreis geboren. Er war der Sohn eines Schreiners und erlernte den Orgelbau in einer noch unbekannten Werkstatt. Ab 1736 arbeitete er in Darmstadt als Geselle bei dem aus der Schweiz zugewanderten Johann Conrad Wegmann. Möglicherweise, aber das ist eine Vermutung, kannten sie sich aus der Werkstatt des Schnitger-Schülers Christian Vaters in Hannover, wo Wegmann seine Lehre zum Orgelbauer absolviert hatte – und warum nicht auch Köhler? Wegmann starb 1738 und Johann Christian Köhler übernahm daraufhin dessen Werkstatt mit allen Privilegien und heiratete auch die Witwe. Als Hessen-Darmstädtischer Hoforgelmacher mit ab 1740 erweiterter Zuständigkeit für Nassau-Usingen konnte er rasch Bekanntheit erlangen, vor allem nachdem er in ebenjenem Jahre 1740 seine Werkstatt in die schon damals prosperierende Reichsstadt Frankfurt verlegt hatte. Er vollendete die noch von Wegmann begonnene Orgel in der Frankfurter Barfüßerkirche mit 41 Registern, schuf sodann 1744 bis 1747 eine etwa 25 Register umfassende Orgel für die Kirche des Dominikanerklosters in Frankfurt und 1750 bis 1752 eine neue Orgel für den Limburger Dom, die 36 Register auf drei Manualen und Pedal erhielt. Von diesen großen Werken in Hessen ist leider nichts erhalten. Umso wertvoller sind die wenigen kleineren Orgeln, die aus Köhlers Schaffen noch erhalten sind. Neben der 1747 erbauten Orgel in Oberweimar sind zu nennen: das 1752 erbaute Instrument in Rückershausen im Rheingau-Taunus-Kreis, dann die ein Jahr jüngere Orgel in Allendorf bei Merenberg im Landkreis Limburg-Weilburg sowie die 1754 errichteten Werke in Haintchen bei Selters im Taunus und in Wallau in der Nähe des Wiesbadener Kreuzes. In dieser Zeit erhielt Köhler auch repräsentative Aufträge in Franken. 1753 errichtete er in der Kirche des Klosters Ebrach zunächst die Evangelienorgel mit 22 Registern und 1760 die Epistelorgel mit 13 Stimmen. Diese beiden Ebracher Chororgeln sind mit Recht berühmt und künden, vor einigen Jahren durch die Firma Klais stilgerecht restauriert, ebenfalls noch heute von der überragenden Kunst des Christian Köhler aus Frankfurt. Von den großen Instrumenten im Würzburger Käppele, 1755 vollendet und in der Oberen Pfarre Unsere Liebe Frau in Bamberg sind immerhin noch die verschwenderisch reich verzierten Prospekte erhalten. Auf der Höhe seines Schaffens und Ruhms jedoch starb Johann Christian Köhler, gerade einmal 47 Jahre alt, im Jahre 1761. Die Werkstatt übernahm daraufhin sein Stiefsohn Philipp Ernst Wegmann.
Die glücklicherweise zu einem guten Teil erhaltene Orgel Johann Christian Köhlers in Oberweimar wurde 1971 und nochmals 2010 bis 2011 durch die Firma Gerald Woehl aus Marburg denkmalgerecht restauriert. Klanglich steht Köhler dem mittelrheinischen Orgeltyp, wie er etwa zeitgleich durch die Familie Stumm geprägt wurde, näher als dem mainfränkischen Stil etwa eines Seuffert. Vor allem bei seinen größeren Werken finden wir auch bemerkenswerte Zungenregister wie Vox humana, Krummhorn, Fagott und sogar einmal, in Ebrach, ein Chalumeau. Das Instrument in Oberweimar besitzt heute wie zur Zeit seiner Erbauung 15 Register. Das bis zum f3 ausgebaute Manual verfügt über Quintatön 16', Principal, Grobgedackt und Viola di Gamba 8', Octava und Flaut travers 4', Quinta 3', Octava und Waldflöte 2' sowie einen 2fachen Sexquialter und eine 4fache Mixtur. Das Pedal, heute bis zum f1 erweitert, verfügt über Subbaß 16', Principalbaß 8', Octavenbaß 4' sowie einen Posaunenbaß 16'. Da das Pedal mit vier Registern für eine hessische Dorforgel reich besetzt ist, gibt es übrigens keine Pedalkoppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=GZWzV08o_GM

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-f1  
Quintatön 16' Subbaß 16' (keine Pedalkoppel!)
Principal 8' Principalbaß 8'  
Grobgedackt 8' Octavenbaß 4'  
Viola di Gamba 8' Posaunenbaß 16'  
Octava 4'    
Flaut travers 4'    
Quinta 3'    
Octava 2'    
Waldflöte 2'    
Sexquialter 2f.    
Mixtur 4f.    

In Oberweimar gespielte Stücke:
Friedrich Wilhelm Marpurg: Fuge Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=hm5sCaHnlPE&t=4s
Matthias Georg Monn: Praeludium und Versetten octavi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=yA6QvQAYmmo
Franz Xaver Anton Murschhauser: Variationen "Dein große Lieb, o Jesulein" >>> https://www.youtube.com/watch?v=oVMopVrOefs
Johann Christoph Oley: Meine Hoffnung stehet feste >>> https://www.youtube.com/watch?v=UWRSk41ocJk
Giovanni Pierluigi da Palestrina: Ricercar tertii toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=A2-KS3AXpSE
Johann Caspar Simon: Fughetta Nr. 13 ex h >>> https://www.youtube.com/watch?v=vtM1JJiYMuE
Johann Caspar Simon: Fughetta Nr. 14 ex b >>> https://www.youtube.com/watch?v=pPyYdVIxChk
Nicolaus Vetter: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=ABIXj3Pw6Tc
Nicolaus Vetter: Fuga in C >>> https://www.youtube.com/watch?v=3wU3NKuqeWA
Nicolaus Vetter: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=wm8U661xRIk&t=7s



RÜDIGHEIM (Stadt Amöneburg, Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Kath. Pfarrkirche St. Antonius




Erbauer: Emil Oestreich (Oberbimbach) 1855, technischer Neubau und Erweiterung durch Gebrüder Hey (Urspringen) 1982, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Rüdigheim ist ein Stadtteil von Amöneburg im Landkreis Marburg-Biedenkopf in Hessen. Der Ort liegt im Amöneburger Becken im Vorderen Vogelsberg an der Ohm. Im Westen verläuft die Landesstraße 3073. Rüdigheim liegt am Hessischen Radfernweg R6. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort in der Erzbischöflich-Mainzischen Heberolle des Jahres 1248 unter dem Namen „Rudencheim“. 1971 wurde der Ort in die Stadt Amöneburg eingegliedert. Heute leben 643 Einwohnerinnen und Einwohner in dem Ort. Die katholische Pfarrkirche St. Antonius der Einsiedler wurde um 1750 im Stil des Barock als Saalkirche erbaut. Sie ist im Besitz eines Kreuzpartikels und begeht am 14. September oder dem folgenden Sonntag das Kreuzfest. Wer die Rüdigheimer Kirche betritt, die tagsüber dankenswerterweise immer geöffnet ist, ist überrascht von der Helligkeit und Farbenfülle des Raumes, der ihm dort begegnet. Der barocke Hochaltar zeigt eine Darstellung der Kreuzigung Christi. Nach dem Kirchbau Mitte des 18.Jahrhunderts erwarb man eine gebrauchte Orgel aus der Pfarrkirche in Neustadt bei Marburg, die nach den Akten 1656 erbaut wurde und die 1828 bereits als „sehr schadhaft“ bezeichnet wurde. Doch erst im Jahre 1855 konnte ein Orgelneubau in Angriff genommen werden. Den Auftrag dazu erteilte die Gemeinde Rüdigheim dem Orgelbauer Emil Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda.
Emil Oestreich, der 1855 den Orgelneubau in Rüdigheim ausführte, wurde 1832 in die berühmte Orgelbauerfamilie Oestreich in Oberbimbach hineingeboren. Sein Vater war Adam Joseph Oestreich, dieser war ein Sohn von Johann Georg Oestreich und somit ein Enkel des berühmten und auch über die Grenzen des Fuldaer Landes hinaus wohlbekannten Johann Markus Oestreich. Emil Oestreich und seine Brüder Maximilian, Maurus und Damian repräsentieren somit die fünfte Generation dieser bedeutenden Familie, wenngleich klingende Zeugnisse von ihrer Hand heute äußerst selten sind. Alle vier Brüder erlernten das Orgelbauhandwerk in der väterlichen Werkstatt. Der frühe Tod des begabten Adam Joseph Oestreich im Jahre 1843 mit gerade einmal 44 Jahren leitete den Niedergang der Orgelbauerfamilie Oestreich ein. Sein Bruder Augustin Oestreich übernahm die Leitung der Werkstatt, konnte jedoch an die künstlerischen und technischen Leistungen seines Bruders nicht mehr anknüpfen. Von Augustin Oestreich sind zwei dennoch nicht uninteressante Instrumente erhalten, in Pfordt und Ützhausen – zwei kleine Orte bei Schlitz im Vogelsberg, die ebenfalls in dieser Reihe vorgestellt werden. 1852 erbaute Augustin Oestreich ein neues Instrument in der altehrwürdigen Michaelskirche zu Fulda. Doch mit dieser Arbeit Augustin Oestreichs war man überhaupt nicht zufrieden. So mußte bereits drei Jahre später, 1855 Augustins Stiefsohn Emil Oestreich die Orgel zurücknehmen und eine gänzlich neue Orgel errichten, die allerdings leider ebenso wenig erhalten ist wie das offensichtlich mißlungene Vorgängerinstrument. Zeitgleich schloß man mit dem 1832 geborenen, also erst 23jährigen Emil Oestreich den Orgelbauvertrag für Rüdigheim. Demnach sollte das neue Instrument 11 Register nebst einem Koppelzuge bekommen und in Summe 500 Thaler kosten. Die Familie setzte große Hoffnungen in den auch, wie es heißt, sehr begabten Emil Oestreich. Unmittelbar nach Vollendung der beiden Werke in der Michaelskirche und in Rüdigheim wanderte Emil zusammen mit seinem Stiefvater Augustin und seinen Brüdern in die USA aus, wo er aber schon 1857 mit gerade einmal 25 Jahren starb. Damit ging eine über 100jährige Orgelbautradition in Oberbimbach zu Ende. Die Orgel in Rüdigheim wurde 1889 durch Heinrich Hahner aus Fulda umgebaut und musste noch 1981 einem Neubau durch Wolfgang Hey aus Urspringen in der Rhön weichen. Hey übernahm bei seinem Orgelbau das alte Orgelgehäuse sowie insgesamt 4 Register von Emil Oestreich in die neue Orgel.
Die heutige, 1981 erbaute Orgel in Rüdigheim besitzt 15 Register auf 2 Manualen und Pedal. Vier Pfeifenreihen gehen noch auf die Vorgängerorgel von Emil Oestreich aus dem Jahre 1855 zurück – es sind dies die einzigen Stimmen, die uns aus der fünften Generation der Orgelbauerdynastie Oestreich aus Oberbimbach bis heute erhalten sind. Die beiden Manualwerke besitzen den modernen Klaviaturumfang vom Ton C bis zum g3. Im Hauptwerk finden wir Praestant, Gedackt und Gamba 8', die Oktaven 4' und 2' sowie eine 3fache Mixtur. Das Gedackt ist eines dieser vier alten Register. Das Oberwerk besitzt neben dem ebenfalls originalen Salicional 8' noch die Register Rohrflöte 8', Principal und Spillpfeife 4', eine Waldflöte 2' sowie einen Sesquialter 2fach, dazu gesellt sich noch ein Tremulant. Im Pedal sind Subbaß 16' und Octavbaß 8' aus der alten Orgel übernommen, dazu kommt noch ein Pommer 4'. Die gepflegte und vor wenigen Jahren erst frisch renovierte Orgel in Rüdigheim besitzt insgesamt einen schönen Klang, der in dem barocken Kirchenraum gut zur Entfaltung kommt. Ihre Stärke liegt in den sanften Registrierungen unter Einbezug der originalen Stimmen von Emil Oestreich. Der warme, weiche Charakter solcher Registermischungen geht teilweise noch auf dieses Instrument zurück. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=lUBesTWIypE

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Praestant 8' Rohrflöte 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gedackt 8' Salicional 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel zu I
Gamba 8' Principal 4' Pommer 4' Pedalkoppel zu II
Octave 4' Spillpfeife 4'   Tremulant
Octave 2' Waldflöte 2'    
Mixtur 3f. Sesquialter 2f.    

In Rüdigheim gespielte Stücke:
Niels Wilhelm Gade: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=moT2Uwl8np0
Niels Wilhelm Gade: Wie schön leuchtet der Morgenstern >>> https://www.youtube.com/watch?v=oyhoU2cM9aE
Carl Loewe: Herzliebster Jesu >>> https://www.youtube.com/watch?v=nMAIgPaq9Dk
Wilhelm Volckmar: Schmücke dich, o liebe Seele >>> https://www.youtube.com/watch?v=zTkvaPutPok



SCHÖNEBERG
 (Stadt Hofgeismar, Landkreis Kassel)
Ev. Hugenottenkirche



Unbekannter Erbauer 1728, Umbau Johann Georg Oestreich (Oberbimbach) 1810-1813, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Schöneberg ist ein Straßendorf im Landkreis Kassel in Nordhessen mit 550 Einwohnern. Seit der hessischen Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre ist Schöneberg ein Stadtteil der nahe gelegenen Stadt Hofgeismar. Der Ort liegt am Rande des Reinhardswalds. Durch den Ort führt die Bundesstraße B83 von Kassel nach Bremen. Zur weltlichen Macht der Mainzer Erzbischöfe im Bereich von Diemel und oberer Weser gehörte auch die Schutzburg Schöneberg auf dem gleichnamigen 323 m hohen Berg, westlich des heutigen Dorfes gelegen, die bereits Anfang des 12. Jahrhunderts errichtet worden war. Die Gründung des Dorfes Schöneberg erfolgte für Glaubensflüchtlinge aus Frankreich im Jahre 1699. Landgraf Karl von Hessen gab ihnen im 17. Jahrhundert auch in der Umgebung der Stadt Hofgeismar neuen Siedlungsraum, nachdem sie durch die Aufhebung der Religionsfreiheit in Frankreich ihre Heimat verloren hatten. Ebenso fanden hier Hugenotten und Waldenser eine neue Heimat, die 1698 auf Befehl Ludwigs XIV. vertrieben worden waren. Mit der Bebauung wurde im Jahre 1700 begonnen. Für die Ortsplanung war Paul du Ry verantwortlich, der - ebenfalls hugenottischer Glaubensflüchtling - 1685 von Landgraf Karl zum Hofbaumeister berufen worden war. Die Fachwerkkirche wurde 1705 gebaut, sie ist bis heute im Wesentlichen unverändert erhalten. Die heutige Orgel der Kirche steht allerdings erst seit 1965 in diesem Raum. Sie hatte bis dahin eine sehr bewegte, fast schon abenteuerliche Geschichte hinter sich.
Die heute in Schöneberg stehende Orgel hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich wurde sie 1728 für die Kirche des Dorfes Lingelbach bei Alsfeld erbaut. Aus den erhaltenen Akten geht allerdings nicht hervor, von wem das Instrument erbaut wurde, das 90 Reichsthaler gekostet hat. Nach einigen Reparaturen durch verschiedene Orgelbauer erfolgte 1795 die Neuaufstellung der Orgel in der neu erbauten Kirche in Lingelbach. Diese Arbeit führte Johann Georg Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda durch, ein Sohn des berühmten Johann Markus Oestreich. Johann Georg Oestreich war auch in den folgenden Jahren mehrfach an der Orgel beschäftigt. Eine Inschrift auf der Seitenwand lautet:“ Johann georg Oestreich gemacht Orgelbauer zu Oberbimbach aus dem Krosherzogtum Fulda.“ Nun, ein Großherzogtum Fulda hat es nie gegeben, aber Fulda gehörte von 1810 bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt. Diese Inschrift wurde folglich allgemein so gedeutet, daß Oestreich die Orgel zwischen 1810 und 1813 errichtet habe. Doch ist dies nicht zu beweisen und es ist wahrscheinlicher, daß die zitierte Inschrift bei einer Reparatur oder einem Umbau in jener Zeit angebracht wurde. 1865 wurde die Orgel dann an den Kaufmann Zickendraht in Hersfeld verkauft und das Instrument als Hausorgel in dessen Anwesen aufgestellt. Diese Arbeiten führte der Orgelbauer Georg Friedrich Wagner aus Hersfeld aus. 1874 verkaufte Zickendraht die Orgel weiter an die Gemeinde Tann im Kreis Hersfeld, heute ein Ortsteil der Gemeinde Ludwigsau. Zunächst fand die Orgel Aufstellung im Herrenhaus des großen Hofgutes Tann, im Jahre 1900 dann wurde sie in die Tanner Dorfkirche versetzt. Doch die Reise des Instruments geht weiter, 1949 wurde sie erneut versetzt und von dem Orgelbauer Paul Ott aus Göttingen in die Kirche im Kasseler Stadtteil Rothenditmold versetzt. Zu diesem Zeitpunkt erhielt die Orgel zum ersten Mal ein selbstständiges Pedal mit vier Registern. 1965 schließlich erfolgte der letzte Umzug der Orgel an ihren heutigen Standort, die Fachwerkkirche zu Schöneberg bei Hofgeismar.
Die heute in Schöneberg bei Hofgeismar stehende, ursprünglich aus dem 18. Jahrhundert stammende Orgel besitzt heute 11 Register auf einem Manual und Pedal. Glücklicherweise ist die Orgel allerdings irgendwie von der ansonsten üblichen Abgabe der Prospektpfeifen im ersten Weltkrieg verschont worden, so daß sich heute noch im Prospekt die originalen Pfeifen des Praestant 2' aus dem Jahre 1728 befinden. Das Manual hat einen Klaviaturumfang vom Ton C bis zum c3 und zwar ohne den Ton Cis – auch dies geht mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die ursprüngliche Orgel zurück. Wir finden die Register Gedackt 8', Prinzipal und Gedackt 4', der erwähnte Praestant 2' im Prospekt, sodann Quint 1 1/3', Oktav 1' sowie eine 3fache Mixtur. Ob diese recht steile Disposition ursprünglich ist, kann nicht gesagt werden, da uns die erste Dispositionsaufzeichnung der Orgel erst aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nach mehreren Umbauten vorliegt. Ein Teil des heutigen Pfeifenwerks stammt jedenfalls von Paul Ott 1949, der auch die vier hinter der Orgel aufgestellten Pedalregister beim Einbau in Kassel-Rothenditmold angefügt hat. Es sind dies die Stimmen Subbaß 16', Holzgedackt 8', Choralbaß 4' und Rauschquinte 2fach. Eine typisch orgelbewegte Pedaldisposition, die allerdings eine Pedalkoppel überflüssig macht und so besitzt das Instrument in Schöneberg auch keine solche Koppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=G4Q9hzSglJc

Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, C-d1
Gedackt 8' Subbaß 16'
Principal 4' Holzgedackt 8'
Gedackt 4' Choralbaß 4'
Praestant 2' Rauschquinte 2f.
Quint 1 1/3'  
Octav 1'  
Mixtur 3f.  

In Schöneberg gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Nun komm der Heiden Heiland BWV 699 >>> https://www.youtube.com/watch?v=_SZpp2bzHGA
Johann Sebastian Bach: Nun ruhen alle Wälder BWV 756 >>> https://www.youtube.com/watch?v=vMasKhH0toQ
Moritz Landgraf von Hessen: Fuga X in a >>> https://www.youtube.com/watch?v=iv2yY7v_atw&t=6s
Friedrich Wilhelm Zachow: Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=UQnb7TNlanw&t=4s
Friedrich Wilhelm Zachow: Mit Fried und Freud ich fahr dahin >>> https://www.youtube.com/watch?v=3V8VDtyr5P4&t=6s
Friedrich Wilhelm Zachow: Wir glauben all an einen Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=bIf9hNRd5sU&t=5s



SCHWALENBERG (Stadt Schieder-Schwalenberg, Landkreis Lippe)
Ev.-Ref. Pfarrkirche




Erbauer: Johann Markus Oestreich (Oberbimbach) 1804-1805, Rekonstruktion nach Brand Fa. Alfred Führer (Wilhelmshaven) 1983, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Schwalenberg ist einer der beiden namensgebenden Stadtteile von Schieder-Schwalenberg im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen. Schwalenberg wird erstmals 1127 als „Sualenbergh“ schriftlich erwähnt. 1970 wurde die damalige Stadt Schwalenberg durch das Gesetz zur Neugliederung des Kreises Detmold mit einigen anderen Gemeinden unter Eingliederung von Teilen der Stadt Blomberg zur neuen Stadt Schieder-Schwalenberg zusammengeschlossen. Schieder-Schwalenberg liegt im Südosten des Kreises Lippe zwischen dem Teutoburger Wald und dem Weserbergland im Naturpark Teutoburger Wald / Eggegebirge. Von der im Kern aus dem 13. Jahrhundert stammenden Burg Schwalenberg sind nur noch geringe Reste erhalten. Bedeutendstes Bauwerk des kleinen Ortes ist das in Fachwerk errichtete Schwalenberger Rathaus. Der zweigeschossige Kernbau, der im Erdgeschoss hinter einer offenen Laube eine Verkaufshalle enthielt, wurde 1579 erbaut. Noch immer wird die Schwalenberger Innenstadt von zahlreichen Wohnbauten in Fachwerk geprägt, deren älteste Vertreter aus dem 16. Jh. stammen. Einige Häuser weisen bis heute die für die Weserregion typische Deckung aus dünnen Sandsteinen auf, die aus dem Solling stammen. Die Evangelisch-reformierte Pfarrkirche, ehemals St. Johannes der Täufer wurde nach einem Brand von 1307 als Saalkirche errichtet. Sie liegt auf einer hohen Terrasse am nordwestlichen Rand der Altstadt. Das Innere verfügt unter andrem über eine spätgotische Sakramentsnische und ein nicht unbedeutendes Tafelbild im Chor, das um 1670 entstanden ist. Im Jahre 1587 erhielt die Kirche eine Orgel, die dann im Jahre 1804 von einem neuen Instrument aus der Werkstatt von Johann Markus Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda ersetzt wurde.
Die Orgelbauerfamilie Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda hatte seit etwa 1780 ihren Wirkungskreis nach Norden ausgedehnt und einige Aufträge im Fürstentum Lippe erhalten. Bedeutendste Schöpfung der Oestreichs im Lippischen ist die große Orgel in der Detmolder Erlöserkirche, 1795 fertiggestellt. Diesem Instrument folgten eine ganze Reihe von Orgeln in der näheren und ferneren Umgebung Detmolds, so auch in Schwalenberg. Der bedeutendste Vertreter der Orgelbauersippe Oestreich, der 1737 geborene Johann Markus Oestreich, hatte um 1800 in seiner Werkstatt tatkräftige Unterstützung durch seine beiden Söhne. Da ist zunächst Johann Georg Oestreich zu nennen, 1770 geboren und sein jüngerer Bruder Johann Adam Oestreich, der 1776 das Licht der Welt erblickte. Eine genaue Trennung von in jener Zeit entstandenen Orgeln ist schwierig und sicher wurden viele Instrumente auch gemeinsam vom Vater mit den Söhnen geplant und erbaut. Die weiten Reisen ins Lippische überließ der Seniorchef allerdings zunehmend seinen Söhnen. Beim Orgelbau in Schwalenberg übernahm Oestreich – welcher auch immer – drei Register aus der Vorgängerorgel. Form und Aufbau der Orgel als seitenspieliges Brüstungswerk mit einem unter dem Hauptwerk eingebauten Unterwerk findet eine auffällige Parallele in der fast zeitlich, 1805 errichteten Orgel für die Alte Lutherische Kirche in Detmold. Dieses Instrument ist, allerdings stark umgebaut, erhalten und befindet sich heute in der Kirche zu Bergkirchen. Nach dem Orgelbau Anfang des 19.Jahrhunderts wurde das Instrument in Schwalenberg in der Folgezeit nur wenig verändert und bis nach dem Zweiten Weltkrieg war sie recht gut erhalten. 1949 wurde der Prospekt und einige Pfeifen durch einen Schwelbrand schwer beschädigt. Leider wurde daraufhin auch der Rest der Orgel abgeräumt und vernichtet. Mit dem seinerzeit eingebauten Ersatzinstrument war man jedoch schon bald nicht mehr zufrieden. Die grundlegende Renovierung der Kirche, die 1980 abgeschlossen wurde, gab den Anstoß zu Rekonstruktion des Oestreich-Werks, die 1983 durch die Orgelbauwerkstatt Alfred Führer aus Wilhelmshaven ausgeführt wurde. 2008 erfolgte eine Überholung durch Heiko Lorenz aus Wilhelmshaven, dem Werkstattnachfolger der Firma Führer.
Die heutige, 1983 erbaute Orgel in der Reformierten Kirche zu Schwalenberg besitzt 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Nicht nur bei der optischen, sondern auch bei der klanglichen Gestaltung orientierte man sich eng an der Originalkonzeption der Oestreichs, lediglich die Klaviaturumfänge wurden ein wenig erweitert. Das Hauptwerk, das vom Ton C bis zum f3 ausgebaut ist, besitzt die Register Principal, Viola di Gamba, Bordun und Trompete 8', Principal, Kleingedackt und Salicional 4' sowie eine Oktave 2'. Bekrönt wird der Klang von einer 3fachen Mixtur. Das im unteren Teil des Gehäuses eingebaute Positiv besitzt 6 Register, nämlich Flöte Travers und Salicional 8', Viola di Gamba 4', Principal und Spitzflöte 2' sowie eine Oboe 8' nebst einem Tremulanten. Diese Positiv-Disposition ist nicht typisch für Oestreich, vermutlich wurde die Klanggestalt dem Orgelbauer vorgeschrieben. Das Pedal ist bis zum d1 ausgebaut und besitzt die drei Stimmen Subbaß und Posaune 16' sowie Violonbaß 8'. 1983 war die Rekonstruktion einer Orgel aus dem frühen 19. Jahrhundert noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit; umso erfreulicher, dass man sich in Schwalenberg damals dazu entschlossen hat und eine der angesehensten Firmen des norddeutschen Raums mit dem Projekt betraut hat. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=ReZdgMEW1_k

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Positiv, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Flöte travers 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Bordun 8' Salicional 8' Violonbaß 8' Pedalkoppel zu I
Viola di Gamba 8' Viola di Gamba 4' Posaune 16' Pedalkoppel zu II
Octave 4' Principal 2'   Tremulant
Kleingedackt 4' Spitzflöte 2'    
Salicional 4' Oboe 8'    
Octave 2'      
Mixtur 3f.      
Trompete 8'      

In Schwalenberg gespielte Stücke:
Georg Friedrich Händel: Jesu, meine Freude >>> https://www.youtube.com/watch?v=gWhcoO1osnE&t=4s
Georg Friedrich Händel: Präludium und Fuge a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=8cqCgc4qwl0
Engelbert Humperdinck: Lobe den Herren >>> https://www.youtube.com/watch?v=bb8VqXl4VCM
Johann Pachelbel: Ach Herr, mich armen Sünder >>> https://www.youtube.com/watch?v=_uGgdDH1tjM&t=6s
Georg Philipp Telemann: Erschienen ist der herrlich Tag >>> https://www.youtube.com/watch?v=xjLFwXiy7Fo



SPIESKAPPEL (Gemeinde Frielendorf, Schwalm-Eder-Kreis)
Ev. Klosterkirche St. Johannes



Erbauer: Johannes Schlottmann (Friedewald) 1770-1771, Umbau Werner Bosch Orgelbau GmbH (Sandershausen) 1964, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Spieskappel ist ein Ortsteil der Gemeinde Frielendorf im hessischen Schwalm-Eder-Kreis. Das Dorf liegt südlich des nur wenig entfernten Hauptortes mitten im Knüllgebirge, am Ohebach. Im Westen des Ortes verläuft die vielbefahrene Bundesstraße B254. Der Ort wird 1197 als „Cappel“ erstmals urkundlich erwähnt und ist dann spätestens seit 1585 unter seinem heutigen Namen, allerdings mit wechselnder Schreibweise, bekannt. Im Rahmen der hessischen Gebietsreform wurde der Ort 1974 in die Gemeinde Frielendorf eingegliedert. Vom ehemaligen Kloster Spieskappel, das von 1143 bis 1497 bestand, ist nur noch die Basilika erhalten. Ursprünglich bestand die romanische Klosteranlage aus einem Chorherrenstift in Unterkappel und einem Prämonstratenserinnenkloster in Oberkappel. Die Basilika von Oberkappel wird heute als Ev. Pfarrkirche genutzt. Sie wurde von 1145 bis 1255 als flach gedeckte romanische Basilika erbaut, von der das Langhaus und das linke Seitenschiff erhalten blieben, während um 1500 das rechte Seitenschiff und die Ostseite abgerissen wurden. Ebenso erhielt die Kirche anstelle des ursprünglichen romanischen Westturms einen quadratischen Turm im spätgotischen Stil. Das Kloster wurde 1497 aufgelöst. Die Klostergebäude, in denen noch 1529 Martin Luther auf seiner Reise zum Marburger Religionsgespräch übernachtete, wurden im 17. Jahrhundert abgerissen. Eine Orgel hat in der Klosterkirche schon im 14.Jahrhundert gestanden. Der heutige spätbarocke Orgelprospekt wurde 1770 bis 1771 von dem Orgelbauer Johannes Schlottmann aus Friedewald geschaffen. Ihr klingendes Innenleben hat vielfache Umgestaltungen erfahren.
Der Orgelbauer Johannes Schlottmann wurde 1726 als Sohn des dortigen Pfarrers in Heringen an der Werra geboren. Nach seiner Lehrzeit, über die wir nichts Näheres wissen, heiratete er 1752 und war bis zu seinem Tod im Jahre 1795 vor allem in Oberhessen tätig. Schlottmanns Name hat in der hessischen Orgelgeschichte keinen besonders guten Klang, denn sein Leben war geprägt von ständigen Auseinandersetzungen mit ansässigen, privilegierten Orgelbauern und seinem finanziellen Ruin. Dieser war eine Folge eines Orgelbaus im Dom zu Fritzlar, der 1768 mit 38 Registern „veraccordirt“ wurde, bis 1773 jedoch nur halb fertiggestellt war. Nach mehreren Klagen über Schlottmanns Säumigkeit wurde schließlich 1775 ein Konkursverfahren gegen ihn eröffnet und seine Werkstatt in Friedewald versteigert. Er verlor seinen gesamten Besitz und blieb zeitlebens in finanziellen Schwierigkeiten und unter Termindruck, da er durch die Annahme immer neuer Aufträge die entstandenen finanziellen Lücken zu stopfen versuchte. Seit 1775 arbeitete er als Wanderorgelbauer mit einem Gesellen ohne festen Wohnsitz. 1788 wurde er sogar festgenommen und mehrere Monate inhaftiert. 1789 erteilte das Konsistorium Marburg ein Arbeitsverbot und verwies ihn des Landes, trotzdem verdingte sich Schlottmann in seinen letzten Jahren weiterhin als Orgelbauer, hauptsächlich mit Reparaturdiensten in Hessen-Darmstadt. Aus heutiger Sicht erklären sich viele Vorwürfe gegen ihn durch Rufschädigungen von Seiten seiner Konkurrenten, aber auch durch seine Unfähigkeit, wirtschaftlich zu denken und zu handeln, denn seine wenigen erhaltenen Instrumente weisen qualitativ keine Mängel auf. Seine größeren Instrumente, etwa die Domorgel in Fritzlar mit 37 Registern oder die 1755 vollendete Orgel in der Stadtkirche zu Hersfeld, mußten längst Neubauten weichen. Das von Schlottmann in Spieskappel 1770 bis 1771 aufgestellte Instrument mit 13 Registern auf einem Manual und Pedal bestand aus Teilen der alten Domorgel aus Fritzlar, die ursprünglich 1590 von Timotheus Compenius erbaut wurde. Schlottmann schuf den schönen, spätbarocken Orgelprospekt und verwendete Teile des Pfeifenwerks des alten Pfeifenwerks wieder. Doch schon knapp einhundert Jahre später, 1863 bis 1864 erbaute der 1812 geborene August Röth aus Ziegenhain eine quasi neue Orgel mit zwei Manualen und 20 Registern. Hierbei wurden lediglich einige Holzregister aus der Schlottmann-Orgel übernommen. Doch auch dieses Instrument sollte keine hundert Jahre halten.
Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hegte man in Spieskappel Orgelneubaupläne. 1960 sind sich die Gutachter und der Orgelbauer Werner Bosch aus Sandershausen bei Kassel darin einig, wie es heißt, dass man eine Wiederverwendung des alten und verbrauchten Pfeifenmaterials mit gutem Gewissen nicht empfehlen könne. Und so entstand in den folgenden Jahren bis 1964 ein De-facto-Neubau durch die Firma Bosch unter Verwendung noch brauchbarer Teile der alten Orgel. Das Instrument hat heute 20 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk besitzt 9 Register, nämlich Bordun 16', Prinzipal, Weidenpfeife und Gedackt 8', Oktave und Spitzflöte 4', eine Quinte 2 2/3', die Oktave 2' und eine 4fache Mixtur. Das Oberwerk verfügt über Gemshorn und Flötbaß 8', Prinzipal und Rohrflöte 4', Waldflöte 2' sowie Sesquialtera und ein Rauschwerk 3fach. Im Pedal schließlich finden wir die Stimmen Subbaß 16', Principalbaß 8', Choralbaß 4' und ein 4faches Cornett.
 
Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=K53e2YXB4ZM

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Gemshorn 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flötbaß 8' Principalbaß 8' Pedalkoppel zu I
Gedackt 8' Principal 4' Choralbaß 4' Pedalkoppel zu II
Weidenpfeife 8' Rohrflöte 4' Cornett 4f.  
Octave 4' Waldflöte 2'    
Spitzflöte 4' Sesquialtera 2f.    
Quinte 2 2/3' Rauschwerk 3f.    
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Spieskappel gespielte Stücke:
Johann Christoph Friedrich Bach: Fughetta über HCFBACH >>> https://www.youtube.com/watch?v=ImYEoX-rXIg
Fortunato Chelleri: Fuga in C >>> https://www.youtube.com/watch?v=QmcXmSPHVKI&t=4s
Fortunato Chelleri: Introduction in C >>> https://www.youtube.com/watch?v=MuU7oQoV5kk&t=5s
Simon Lohet: Erbarm dich mein, o Herre Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=4wg6N5t7GaM&t=5s
Christian Heinrich Rinck: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=kSol26JbI7c
Christian Heinrich Rinck: Liebster Jesu, wir sind hier >>> https://www.youtube.com/watch?v=udbXWwbnV78
Christian Heinrich Rinck: O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen >>> https://www.youtube.com/watch?v=U_kcCMh1LSg
Georg Andreas Sorge: Kleines Praeludium Nr. 5 D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=zojehYR-ADc
Georg Andreas Sorge: Kleines Praeludium Nr. 6 D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=zojehYR-ADc
Georg Andreas Sorge: Praeludium fis-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=UC_XNUy2HnM



STAUSEBACH (Stadt Kirchhain, Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Kath. Kuratiekirche Mariä Himmelfahrt




Erbauer: Wilhelm Oestreich (Bachrain) 1871, Prospekt Daniel Mütze (Sachsenberg b. Korbach) 1713, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Stausebach ist ein Stadtteil von Kirchhain im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf. Das Dorf mit etwa 500 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt nordwestlich von Kirchhain am nördlichen Rand des Amöneburger Beckens. Die östliche Grenze der Gemarkung wird teilweise durch den Fluss Wohra markiert. Stausebach wurde erstmals 1268 als Stuzenbach urkundlich erwähnt. Im Dreißigjährigen Krieg erlitt das Dorf wie die meisten Orte in der Umgebung große Verwüstungen, welche von Caspar Preis in seiner zeitgenössischen Chronik dokumentiert wurden. 1972 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Stausebach im Rahmen der Gebietsreform in Hessen in die Stadt Kirchhain eingegliedert. Nördlich des Ortes befinden sich bronzezeitliche Hügelgräber. Größte Sehenswürdigkeit ist die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im spätgotischen Stil erbaute und von 1987 bis 2008 renovierte Kirche St. Mariae Himmelfahrt. Damals war Stausebach die letzte Station der Wallfahrer zum Grab der hl. Elisabeth in Marburg. Nach der ganzen Anlage war die Kirche ursprünglich wesentlich größer geplant worden. Doch als nach der Reformation die Wallfahrten aufhörten, zumal die Gebeine der Hl. Elisabeth auf Veranlassung von Philipp dem Großmütigen an einen unbekannten Ort verbracht wurden, hat man die bis dahin unfertige Kirche in Stausebach durch eine einfache Mauer zum heutigen Friedhof hin abgeschlossen. Um 1730 erhielt die Kirche in ihre spätgotischen Gewölbe eine prunkvolle barocke Stuckdecke, für eine gotische Kirche recht außergewöhnlich. Erwähnenswert sind außerdem die drei Bleiglasfenster im Chor und natürlich die Orgel, die 1713 von dem Orgelbauer Daniel Mütze eingebaut wurde. An ihr haben, wie man so schön sagt, Generationen gebaut und so finden wir in Stausebach heute ein Instrument mit einem barocken Orgelprospekt, einer Spielmechanik aus den 1960er Jahren und einem ausgesprochen schönen, hochromantischen Klangbild.
Der Orgelbauer Daniel Mütze wurde 1683 in Bringhausen an der Eder geboren und erlernte sein Handwerk möglicherweise bei dem Wender-Schüler Johann Jacob John in Einbeck oder bei den Brüdern Andreas und Bernhard Reinecke, die ihrerseits aus der John-Werkstatt hervorgingen und in Berndorf bei Korbach besaßen. Jedenfalls vollendete Mütze 1727 die von Andreas Reinecke begonnen und bei dessen Tod erst halbfertige Orgel in Thalitter am Edersee, was auf Beziehungen zueinander hindeutet. Nach der Lehre ließ sich Daniel Mütze in Sachsenberg bei Korbach nieder, wo er 1712 das Bürgerrecht erwarb, im Jahr darauf heiratete er. Das erste Instrument, an dem er nachweislich beteiligt war, wurde ebenfalls mit Andreas und Bernhard Reinecke verfertigt und zwar für die Kirche zu Bromskirchen im Jahre 1704. 1713 errichtete er sodann die Orgel für Stausebach. Mützes Orgeln lassen westfälische Einflüsse erkennen, was vor allem an der Prospektgestaltung erkennbar ist. Ausgehend vom großen runden oder polygonalen Mittelturm schließen sich niedrigere doppelgeschossige Flachfelder oder Spitztürme an, deren Gesimse nach außen stufenförmig abfallen. Mütze hat allerdings nie die in Westfalen oft noch gebräuchliche Springlade, sondern immer Schleifladen gebaut. Er starb 1741 in Sachsenberg und baute bis dahin vorwiegend einmanualige Orgeln ohne selbstständiges Pedal. Erhalten sind von alldem nur einige Prospekte und mit Ausnahme der relativ vollständig überkommenen Orgel in Armsfeld bei Bad Wildungen nur vereinzelte Pfeifenreihen. Auch die Orgel in Stausebach wurde umgebaut und zwar 1872 durch Wilhelm Oestreich aus Bachrain bei Fulda; im Prinzip kann man von einem Neubau durch Oestreich unter Verwendung von altem Material sprechen. Wilhelm Oestreich ist der letzte Vertreter jener über fünf Generationen hinweg im Fuldaer Land und darüber hinaus wirkenden Orgelbauerdynastie der Oestreichs. Er wurde 1848 als Sohn von Joseph Oestreich in Fulda geboren, erlernte das Handwerk bei seinem Vater und übernahm nach dessen Tod dessen Werkstatt. Er hatte nahezu alle Orgeln in Fulda und dem Umland in Pflege. Zeitlebens – er starb 1929 – war er ein Verfechter der Schleiflade und von mechanischen Trakturen. Beim Neu- oder Umbau in Stausebach übernahm er neben dem Prospekt die heute noch vorhandene Hauptwerks-Windlade und zahlreiche Pfeifen der Vorgängerorgel und intonierte sie im Sinne der Romantik um. Trotz der Veränderungen, die dann im 20.Jahrhundert erfolgten, bewahrte die Orgel in Stausebach weitgehend das Klangbild Wilhelm Oestreichs, von dem wir ansonsten nur noch ganz wenige Pfeifenreihen, etwa in Hartershausen bei Schlitz besitzen.
Die von Wilhelm Oestreich romantisierte Daniel-Mütze-Orgel in Stausebach wurde 1960 durch die Fa. Kreienbrink aus Osnabrück im Sinne der damaligen Zeit umgebaut. Neben dem Austausch von zwei Registern hat Kreienbrink damals vor allem die gesamte Spielanlage inklusive Spielschrank und Trakturen neu gebaut. Letztere wurde aus Metall gefertigt, was aus heutiger Sicht befremdlich wirkt, doch suchte man eben auch damals, wie übrigens zu allen Zeiten nach neuen Wegen und Methoden auch im Orgelbau. Das Instrument besitzt heute 10 Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual, das einen für 1872 recht konservativen Tonumfang vom C bis zum c3 besitzt, wird von einem Bordun 16' grundiert, den Oestreich durch Umintonation der alten Mütze-Quintade gewonnen hat. Des Weiteren sind vorhanden Principal, Gedackt und Gamba 8', Oktave und Flöte 4', eine Quinte 2 2/3', die Oktave 2' sowie eine 3fache Mixtur. Das 1960 von Kreienbrink mit neuer Pedallade und neuen Pfeifen versehene Pedal im Tonumfang bis zum d1 besitzt nur ein Register, Subbaß 16', dazu kommt eine Pedalkoppel. Der heutige Klang der Orgel in Stausebach hat eine eigentümliche Färbung; eine Art dunkel gefärbten Glanz. Oder wenn man im Zusammenhang mit mancher Barockorgel vom Silberglanz des Plenums schwärmt, so könnte man in Anlehnung daran dem Plenum in Stausebach vielleicht so etwas wie einen „Anthrazitglanz“ zusprechen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=6Roq8BignAQ

Disposition:


Manual, C-c3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8'    
Gedackt 8'    
Gamba 8'    
Octave 4'    
Flöte 4'    
Quinte 2 2/3'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Stausebach gespielte Stücke:
Otto Dienel: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=wOvhSQNWgVw
Otto Dienel: Jesus, meine Zuversicht >>> https://www.youtube.com/watch?v=-jMBgLhR3bA
Cesar Franck: Trois Antiennes >>> https://www.youtube.com/watch?v=mTkzkYWP15M
Carl Loewe: Ach, was soll ich Sünder machen >>> https://www.youtube.com/watch?v=kspLSqmKaAk
Carl Loewe: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=YHdMjnGNwiE&t=4s
Carl Loewe: Herzlich tut mich verlangen >>> https://www.youtube.com/watch?v=fU9uiWhfkVs
Carl Loewe: O Gott, du frommer Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=-R1PcYrQ6uo
Johann Gottfried Vierling: Allegretto H-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Johann Gottfried Vierling: Andante b-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Johann Gottfried Vierling: Andante h-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Johann Gottfried Vierling: Andantino b-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Johann Gottfried Vierling: Fughetta h-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Johann Gottfried Vierling: Larghetto H-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Johann Gottfried Vierling: Larghetto h-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=SiN4koAXPZ0
Wilhelm Volckmar: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>> https://www.youtube.com/watch?v=rwKgJjZ5fLM
Wilhelm Volckmar: Andante con moto c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=eaGKsLWVnNE
Wilhelm Volckmar: Andante g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=lyJmNZFAHDo
Wilhelm Volckmar: Nachspiel C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=oOu3K9ppH-s&t=4s
Wilhelm Volckmar: Wär Gott nicht mit uns diese Zeit >>> https://www.youtube.com/watch?v=_x4h2oAP07I
Wilhelm Volckmar: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=f9WeFMQkQ_E



STEINBRÜCKEN (Gemeinde Dietzhölztal, Lahn-Dill-Kreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Florentinus Wang (Hadamar) um 1705, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Steinbrücken ist ein Ortsteil der Gemeinde Dietzhölztal im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis. Zwei heute nicht mehr vorhandene steinerne Brücken, auf denen die Straße Köln-Leipzig in zwei Zügen oberhalb und unterhalb der heutigen Ortschaft das Flüsschen Dietzhölze überquerte, haben dem Dorf mit heute rund 800 Einwohnerinnen und Einwohnern einst den Namen gegeben. Entstanden sein dürfte die Siedlung zu Anfang des 10. Jahrhunderts, als die Waldgebiete des Haigergaues systematisch besiedelt wurden. Die anfangs in der Region maßgebenden Herren von Bicken übertrugen ihren Besitz im späten Mittelalter an die Grafen von Nassau. Die zahlreichen Besitzwechsel der folgenden Jahrhunderte innerhalb der verschiedenen nassauischen Linien bis hin zum Herzogtum Nassau im 19. Jahrhundert hier einzeln durchzugehen, würde den Rahmen sprengen. Seit 1867 gehörte Steinbrücken zu Preußen, Provinz Hessen-Nassau und 1971 erfolgte die Eingemeindung in die neue Gemeinde Dietzhölztal. Seit 1518 ist im Ort eine Marienkapelle nachweisbar. Das heutige Gotteshaus, eine kleine barocke Fachwerkkirche – 11,5 Meter lang und 5 Meter breit mit Dachreiter - entstand 1687 und wurde 1709 eingeweiht. Das schlichte Innere wird durch das Übereinander von Altar, Kanzel und Orgel geprägt und wirkt so harmonisch, als sei es von Anbeginn so konzipiert gewesen. Doch kam die barocke Orgel erst 2013 in die Kirche. Ihr Meister ist Florentinus Wang, der sie ursprünglich für die Hugenottenkirche in Usingen erbaute. 
Über den Orgelbauer Florentinus (oder Florenz) Wang ist wenig Gesichertes bekannt. Bei seiner Beerdigung 1742 in Hadamar wird er Lützenburgensis genannt, er stammte also aus dem Herzogtum Luxemburg. Um das Jahr 1700 machte er sich in Hadamar selbstständig, dürfte also ganz grob etwa um 1670 geboren worden sein. Sein Wirkungsbereich erstreckte sich vor allem auf das nördliche Nassau, wirkte aber auch in Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Sein erster gesicherter Neubau entstand 1703 für die Stadtkirche im mittelhessischen Grünberg mit zwölf Registern, der nicht erhalten ist. Von den 1716 bzw. 1719 fertiggestellten Orgeln in der Schloßkapelle Oranienstein bei Diez an der Lahn und in der Stadtkirche zu Dillenburg künden bis heute immerhin noch die barocken Prospekte. Weitere Orgelgehäuse, hinter denen sich ebenfalls jeweils neue Instrumente verbergen, sind in den Dorfkirchen in Eppenrod bei Diez von 1723, in Flacht bei Limburg aus dem gleichen Jahr, in Schönborn bei Herborn von 1725 und in Daaden bei Altenkirchen im Westerwald aus dem Jahr 1727 erhalten. Von den 1725 erbauten Instrumenten in Emmerichenhain bei Rennerod im Westerwald und in der Stadtkirche Haiger von 1732 sind darüber hinaus noch wenige, einzelne Register erhalten. Die heute in Steinbrücken stehende Orgel wurde ursprünglich für die reformierte Kirche in Usingen im Taunus erbaut. Das heute profanierte Gebäude am Marktplatz der Stadt wurde zwischen 1700 und 1705 errichtet und vermutlich erbaute Florentinus Wang damals oder kurz danach auch die Orgel. Nach der Nassauischen Union - dem aus Anlaß des 300jährigen Reformationsjubiläums vollzogenen Zusammenschluß der lutherischen und der reformierten Kirche in Nassau und der nachfolgenden Profanierung der Hugenottenkirche - erfolgte der Verkauf von deren Orgel nach Gräveneck im heutigen Landkreis Limburg-Weilburg, wo sie fortan die nächsten rund 90 Jahre erklang. 1908 wurde die Orgel nach Merkenbach, einem Stadtteil von Herborn im Lahn-Dill-Kreis weiterverkauft und von August Hardt aus Möttau aufgestellt. 1951 erfolgte die Versetzung in den Festsaal der psychiatrischen Klinik in Herborn, der heutigen Vitos-Klinik in der Austraße. Ende der 1980er Jahre kam das Instrument dann als Chororgel in die Herborner Stadtkirche und 2013 fand es in Steinbrücken seine mittlerweile sechste Heimat. Die Firma Förster und Nicolaus stellte das Instrument auf und erneuerte zwei zwischenzeitlich verloren gegangene Register, die Klaviatur und die Windversorgung. 
Die Orgel in Steinbrücken ist die einzige, die aus dem Schaffen von Florentinus Wang in großen Teilen bis heute erhalten ist. Das bis zum c3 ausgebaute Manual besitzt die originalen Stimmen Gedackt 8' sowie Principal und Kleingedackt 4'. Von Förster & Nicolaus rekonstruiert wurden die Octave 2' und die 3fache Mixtur. Der Subbaß 16' im Pedal stammt von August Hardt 1908, der als Extension auch als Gedacktbaß 8' spielbar ist, dazu kommt noch eine Pedalkoppel. Als Stimmungsart wurde 2013 „Neidhardt für eine große Stadt“ gewählt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-d1  
Gedact 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 4' Gedacktbaß 8'  
Kleingedackt 4'    
Octav 2'    
Mixtur 3f.    

In Steinbrücken gespielte Stücke:
Anonymus: Partita "Du Friedefürst, Herr Jesu Christ" >>> https://www.youtube.com/watch?v=LjUBewoToR8&t=8s
Johann Sebastian Bach: Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit >>> https://www.youtube.com/watch?v=kU_mbGaDNPA
Abraham van den Kerckhoven: Kyrie aus "Missa duplex" >>>
Johann Jacob de Neufville: Ciacona h-moll >>>
Johann Pachelbel: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Christian Umblaufft: Praeludium in C >>>
Christian Umblaufft: Praeludium in c >>>
Johann Baptist Anton Vallade: Praeambulum und Fuge in e >>>
Christian Friedrich Witt: Canzona in B >>>



TRÖGEN (Stadt Hardegsen, Landkreis Northeim)
Ev. Kirche St. Laurentius




Erbauer: Carl Giesecke (Göttingen) 1855, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Trögen ist ein Ortsteil der rund fünf Kilometer südlich liegenden Kleinstadt Hardegsen im Landkreis Northeim im südlichen Niedersachsen am Fuß des Höhenzuges Weper, zwischen dem Leine- und dem Weserbergland. Das heutige Dorf Trögen ist ein Zusammenschluss der beiden Orte Evessen und Strod, die zusammen mit Üssinghausen die Siedlung Trögen bildeten und „in den Trögen“, das heißt in der Talmulde der Espolde zwischen Weper und Solling lagen. Evessen war der südliche, Strod der nördliche Teil des heutigen Trögen. Der Ortsteil Evessen, in dem auch die mittelalterliche Kirche steht, wurde 1266 das erste Mal urkundlich erwähnt. Im frühen 15.Jahrhundert besaßen die Herren von Boventen in Trögen ein Rittergut, welches sie zunächst von den Grafen zu Everstein und später, ab 1437 von den Herzögen von Braunschweig als Lehen innehatten. Seit dem 16. Jahrhundert wurden die drei Dörfer gemeinsam als „Trögen“ bezeichnet. 1974 wurde Trögen im Zuge der Gebietsreform ein Ortsteil der Stadt Hardegsen. Die Kirche St. Laurentius besitzt einen viergeschossigen Westturm mit Bruchstein-Mauerwerk aus dem späten Mittelalter. Das Kirchenschiff wurde nach einer Datierung am Südeingang 1596 gebaut, eine Erweiterung erfolgte 1766 durch den Anbau eines Fachwerkteiles mit polygonalem Ostabschluss. Die heutige Orgel wurde 1855 angeschafft, kostete damals 340 Taler und ist ein Werk des Orgelbauers Carl Giesecke aus Göttingen.
Der Orgelbauer Carl Giesecke wurde 1812 als Sohn eines Tuchmachers in Göttingen geboren. Von 1840 bis 1844 arbeitete er als Orgelbaugeselle bei dem berühmten Meister Johann Friedrich Schulze in Paulinzella, an dessen Stil er sich baulich und klanglich orientierte. Schon in dieser Zeit trat seine besondere Begabung für den Bau von Zungenstimmen hervor und nachdem Giesecke sich 1844 in Göttingen selbstständig gemacht hatte, belieferte er Schulze weiterhin mit Zungenstimmen, vor allem mit den neuartigen, durchschlagenden Zungenstimmen sowie mit anderen Orgelteilen. In relativ kurzer Zeit hatte sich Giesecke in seiner Heimatregion einen guten Ruf erworben und errichtete beispielsweise in der Stadtkirche zu Moringen im Landkreis Northeim 1850 eine große Orgel mit 23 Stimmen, die teilweise bis heute erhalten ist. Bedeutsam ist auch das 1863 in Rosdorf bei Göttingen erbaute Instrument mit immerhin 28 Register, welches zwar verändert, aber doch in größeren Teilen ebenfalls die Zeiten bis heute überstanden hat. Die Giesecke-Werkstatt erlangte im deutschen Orgelbau spätestens ab 1860 eine führende Stellung als Zulieferbetrieb und verlegte sich ab 1870 ausschließlich auf die Herstellung und Lieferung von Zungenstimmen und anderen Orgelteilen; die Herstellung eigener Orgeln wurde aufgegeben. Carl Gieseckes 1847 geborener Sohn Hermann Giesecke trat in das Unternehmen ein, das seit 1884 als Carl Giesecke und Sohn firmierte und leitete es nach dem Tod seines Vaters 1888 allein. Da Hermann Giesecke keine männlichen Nachfahren hatte, wurde die Firma 1909 an Adolf Hammer verpachtet, dem Mitinhaber der Firma Furtwängler & Hammer in Hannover. Hermanns Gieseckes Töchter Helene und Gertrud wurden Gesellschafter und das Unternehmen in „Gieseckes Erben und Furtwängler“ umbenannt. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg auf über 75 an. 2006 wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt, etwa 25 Mitarbeiter belieferten weltweit Orgelbauer mit Zungen- und Labialpfeifen. Doch 2012 mußte das das Unternehmen Insolvenz anmelden. In der Folge wurde der Geschäftsbetrieb aufgegeben und die Werkstatt aufgelöst.
Das Instrument in Trögen wurde in der Vergangenheit zweimal erheblich verändert. Um 1900 erhielt die Orgel eine pneumatische Kegellade und zwischen 1946 und 1954 wurde sie klanglich durch die Firma Hillebrand aus Hannover neobarockisiert, wie so viele romantische Orgeln in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 2017 erfolgt eine stilgerechte Restaurierung und Teilrekonstruktion durch die Firma Sauer und Heinemann aus Ottbergen bei Höxter. Hierbei bekam die Orgel wieder ein selbstständiges Pedal mit zwei Registern aus älterem Bestand, nachdem sie nach dem Umbau in den 1950er Jahren lediglich über ein angehängtes Pedal verfügte. Das Manual ist bis zum f3 ausgebaut und besitzt die Stimmen Gedackt 8', Principal und Gedacktflöte 4', Octave 2', Quinte 1 1/3' sowie eine 3fache Mixtur. Das Pedal mit einem Tonumfang bis zum d1 besitzt heute einen Subbaß 16' mit Pfeifen von Theodor Reinelt aus Elze vom Ende des 19. Jahrhunderts und einen Gedacktbaß 8', gefertigt von Gottlieb Pfanneberg aus Köthen um 1870, dazu kommt eine Pedalkoppel. Als Stimmungsart wurde eine leicht ungleichschwebende Stimmung nach Bach-Kellner gewählt, wie sie in ländlichen Gebieten Mitteldeutschlands in ganz ähnlicher Form bis weit ins 19. Jahrhundert hinein üblich war. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=CBSwShHLrDA&t=54s

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 4' Gedacktbaß 8'  
Gedacktflöte 4'    
Octave 2'    
Quinte 1 1/3'    
Mixtur 3f.    

In Trögen gespielte Stücke:
Otto Brieger: Liebster Jesu, wir sind hier >>> https://www.youtube.com/watch?v=_IqgJSy-c-s&t=11s
Otto Brieger: Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit >>> https://www.youtube.com/watch?v=BJJ1FV7wI48&t=8s
Otto Brieger: Nun ruhen alle Wälder >>> https://www.youtube.com/watch?v=BioNkSHT574
Anton Bruckner: Vier kleine Präludien Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=8gXBe8D5OME
Karl Davin: Andante G-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=-iTzLBJGEkI&t=3s
Carl Karow: Lobe den Herren, o meine Seele >>> https://www.youtube.com/watch?v=rGLUyblmZ6E&t=1s
Carl Karow: O Lamm Gottes unschuldig >>> https://www.youtube.com/watch?v=-Fweq4xD-rc&t=3s
Carl Karow: Singen wir aus Herzensgrund >>> https://www.youtube.com/watch?v=-dDGyHl2j7s&t=3s
Georg Raphael: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>> https://www.youtube.com/watch?v=-yYhZ4UHgLw&t=4s
Georg Raphael: Von Gott will ich nicht lassen >>> https://www.youtube.com/watch?v=RKRJFjf2qmA&t=4s
Julius Röntgen: Präludium und Fuge e-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=vI-SiwNy9MM&t=11s



UNTERGEIS (Gemeinde Neuenstein, Landkreis Hersfeld-Rotenburg)
Ev. Kirche



Erbauer: Johann Wilhelm Schmerbach II (Frieda) 1810, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Untergeis ist ein Ortsteil der Gemeinde Neuenstein im osthessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Der Ortskern liegt im Geisbachtal, beiderseits des Geisbaches, der nach etwa acht Kilometern, bei Bad Hersfeld, in die Fulda mündet. Untergeis wurde im Jahre 1259 das erste Mal als „Inferior Geissa“ urkundlich erwähnt. 1971 wurde Untergeis in die neue Gemeinde Neuenstein eingegliedert. Der Ort hat ein weitgehend unberührtes, geschlossenes, von Fachwerkbauten bestimmtes Ortsbild aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Zentrum ist der „Kirchendrubbel“ am rechten Ufer der Geis, von dem aus sich der alte Ortskern vornehmlich nach Norden und Osten hin ausbreitet. Auf der linken Seite der Geis führt die B 324 durch den Ort. Die evangelische Kirche steht auf einer Anhöhe im Dorf, dem Lindenrain. Es ist ein geosteter Saalbau aus dem Jahre 1806. Der Kirchhof ist teilweise ummauert. Zwei Jahre nach dem Kirchbau beauftragte man den Orgelbauer Johann Wilhelm Schmerbach dem Mittleren aus Frieda bei Eschwege mit dem Neubau der Orgel, die 1810 vollendet wurde. Die Hauptvertreter dieser über drei Generationen hinweg hauptsächlich in Nordhessen und dem Eichsfeld tätigen Orgelbauerfamilie hießen alle Johann Wilhelm. Darum werden sie heute üblicherweise als Johann Wilhelm Schmerbach I, II oder III oder fast noch häufiger als Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere, der Mittlere und der Jüngere unterschieden.
Stammvater der Orgelbauerfamilie Schmerbach war der 1726 geborene Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere. Auch sein Vater Conrad Schmerbach war bereits Orgelbauer, doch sind von ihm keine Instrumente erhalten. Johann Wilhelm lernte sein Handwerk also vermutlich bei seinem Vater und baute seine früheste bekannte Orgel 1763 in Altenburschla bei Wanfried. Er war bekannt für seine reichlich vorhandenen hochliegenden Farbregister im Manual, wofür er sich seinerzeit auch die Kritik der Kirchenmusiker einhandelte. Sein 1765 in Frieda geborener Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere hatte bereits 1804 einen „guten Ruf“. Als im Kurfürstentum Hessen Kreisorgelbauer offiziell eingeteilt wurden, wurden ihm 1825 die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen zugeteilt, doch er baute auch viel im Kreis Eschwege. Seine erste eigene Orgel errichtete er 1789 bis 1790 in Sattenhausen im heutigen Landkreis Göttingen, die allerdings später mehrfach umgebaut wurde. Weitere Instrumente folgten für die Kirchen in Berneburg, Bischhausen und Mengershausen – alles Orte in Nordhessen beziehungsweise im angrenzenden Kreis Göttingen. Seine 1810 vollendete Orgel in Untergeis entstammt seiner mittleren Schaffensperiode und zeigt Johann Wilhelm Schmerbach den Mittleren auf der Höhe seiner Kunst. 1823 wurde er mit dem Umbau der großen Orgel in der St.-Cyriakus-Kirche zu Duderstadt betraut, zwei Register von Schmerbach sind in dem bedeutenden Instrument bis heute erhalten. Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere starb im Jahre 1831 in Kirchgandern während einer Orgelreparatur. Sein 1795 geborener Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Jüngere übernahm nach dem Tod seines Vaters dessen Amt als Kreisorgelbauer für die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen und wirkte als Orgelbauer in der väterlichen Werkstatt bis etwa 1860. Von allen drei Generationen Schmerbach ist Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere der künstlerisch Bedeutendste. Seine Orgeln sind klanglich noch ganz dem späten Barock verpflichtet; ihre weichen Grundstimmen verraten allerdings auch schon die sich herausbildende Klassik. Seine Orgeln bestechen durch große Eleganz im Klang und eine ausgezeichnete technische Verarbeitung.
Die 1810 vollendete Orgel von Johann Wilhelm Schmerbach dem Mittleren in Untergeis wurde 1998 durch die Firma Orgelbau Waltershausen behutsam und stilgerecht restauriert. Sie besitzt elf Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual mit einem Tonumfang bis zum f3 verfügt über die neun Stimmen Gedackt, Gemshorn und Traversflöte 8', Principal und Flöte 4', Octave 2' und eine Quinte 1 1/2'. Für milden Glanz sorgt die 3fache Mixtur, für Kontur und Farbe eine 2fache Sesquialtera. Das Pedal ist bis zum c1 ausgebaut und verfügt über Subbaß 16' und Octavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Die Schmerbach-Orgel in Untergeis ist ein höchst charaktervolles klangliches Juwel; allerdings ist sie selbst in ihrem näheren Umfeld kaum bekannt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=kki89Inyrco

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gemshorn 8' Octavbaß 8'  
Traversflöte 8'    
Principal 4'    
Flöte 4'    
Octave 2'    
Quinte 1 1/2'    
Sesquialtera 2f.    
Mixtur 3f.    

In Untergeis gespielte Stücke:
Johann Christoph Friedrich Bach: Präludium e-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=_dk4OfdUpPQ
Fortunato Chelleri: Fuga in d >>> https://www.youtube.com/watch?v=nZOOdj-tnYo&t=36s
Christian Heinrich Rinck: Ach Gott und Herr >>> https://www.youtube.com/watch?v=ElkAvArL_20
Christian Heinrich Rinck: Ach wie flüchtig, ach wie nichtig >>> https://www.youtube.com/watch?v=rzI8Hc19ELI
Christian Heinrich Rinck: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=h0jP6_nteeo
Christian Heinrich Rinck: Allein zu dir, Herr Jesu Christ >>> https://www.youtube.com/watch?v=gBh4om4JFIw
Christian Heinrich Rinck: O Herre Gott, dein göttlich Wort >>> https://www.youtube.com/watch?v=InfxwWOQFYE
Georg Andreas Sorge: Kleines Praeludium Nr. 3 c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=zojehYR-ADc&t=14s
Georg Andreas Sorge: Kleines Praeludium Nr. 4 c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=zojehYR-ADc&t=14s
Georg Andreas Sorge: Praeludium Ges-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=j6VTlZI2zEI
Johann Gottfried Vierling: Andante B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=k4M6SqK_NMo
Johann Gottfried Vierling: Andante Cis-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=k4M6SqK_NMo
Johann Gottfried Vierling: Larghetto a-moll I >>> https://www.youtube.com/watch?v=k4M6SqK_NMo
Johann Gottfried Vierling: Larghetto a-moll II >>> https://www.youtube.com/watch?v=k4M6SqK_NMo
Johann Gottfried Vierling: Larghetto B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=k4M6SqK_NMo
Johann Gottfried Vierling: Larghetto Cis-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=k4M6SqK_NMo
Abbé Vogler: Andantino f-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=OGQ56VikClM
 


VIERMÜNDEN (Stadt Frankenberg (Eder), Landkreis Waldeck-Frankenberg)
Ev. Petrikirche



Erbauer: Christoph Ludwig Goll (Kirchheim unter Teck) 1897, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>> 

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedeckt 8'   Oktaviant
Salicional 8'   Forte-Kombination
Octave 4'    

In Viermünden gespielte Stücke:
Anton Beer-Wallbrunn: Ein feste Burg ist unser Gott >>>
Theodore Dubois: Marcietta en Fa >>>
Sigfrid Karg-Elert: Freu dich sehr, o meine Seele >>>
Sigfrid Karg-Elert: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>>
Otto Rudnick: Zion klagt mit Angst und Schmerzen >>>
Josef Schmid: Herr, nun selbst den Wagen halt >>>
Jean Sibelius: Avaushymni >>>
Oskar Stapf: Andante B-Dur >>>
Oskar Stapf: Lento a-moll >>>
Heinrich Trautner: Gib dich zufrieden und sei stille >>>



WAHMBECK (Flecken Bodenfelde, Landkreis Northeim)
Ev. Christopheruskirche




Erbauer: Johann Stephan Heeren (Gottsbüren) 1787, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wahmbeck ist eine Ortschaft des Fleckens Bodenfelde im südniedersächsischen Landkreis Northeim. Der Ort liegt im Oberen Wesertal und direkt am nördlichen, niedersächsischen Ufer der Weser. In der Mitte des Flusses verläuft die Landesgrenze zu Hessen. Der Kernort Bodenfelde befindet sich rund 3 km östlich, das hessische Bad Karlshafen etwa 5 km westlich und die Kreisstadt Northeim zirka 32 km ost-nordöstlich. Wahmbeck wurde erstmals im Jahr 1031 urkundlich erwähnt. Seit 1974 ist die ehemals selbstständige Gemeinde ein Ortsteil der damals neu geschaffenen Einheitsgemeinde Bodenfelde. Nur rund 50 Meter neben der Christopheruskirche des Dorfes überquert eine sogenannte Gierseilfähre die Weser hinüber zur anderen, zur hessischen Seite. Eine Gierseilfähre ist eine Fähre, die zur Fortbewegung lediglich die Strömung des zu überquerenden Flusses ausnutzt. Schon in einer Urkunde aus dem Jahr 1192 wird Wambeck als Kirchort erwähnt, wann die heutige Christopheruskirche allerdings genau errichtet wurde, ist unklar. Im Dreißigjährigen Krieg wurde nicht nur das Dorf Wahmbeck gebrandschatzt, sondern auch die Kirche v erwüstet und das gesamte Inventar geraubt. Der saalartige Bau ohne Chor birgt heute einen Taufstein von 1868, ein modernes Bronzekreuz mit Bergkristall und eine historische Orgel, die im Jahr 1787 von Johann Stephan Heeren aus Gottsbüren errichtet wurde.
In Gottsbüren, heute ein Stadtteil von Trendelburg im nordhessischen Landkreis Kassel, besteht eine, wenn nicht sogar die älteste Orgelbautradition Deutschlands. Ihr Stammvater ist der 1598 geborene Joachim Kohlen, der seine Kunst an den Sohn David Kohlen und dieser dann an den 1687 geborenen Enkel Stephan Kohlen weitergab. Um 1695 herum heiratete ein gewisser Christoph Heeren die Schwester von Stephan Kohlen und arbeitete fortan in der von seinem Schwiegervater David Kohlen geführten Werkstatt. Als dieser 1737 starb, übernahm Christoph Heerens 1698 geborener Sohn David das Familienunternehmen in Gottsbüren. Unser Johann Stephan Heeren erblickte 1729 das Licht der Welt und erlernte sein Handwerk in der nunmehr väterlichen Werkstatt. 1765 zog er vorübergehend nach Barntrup, kehrte in den 1770er Jahren aber nach Gottsbüren zurück und wurde von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel zum privilegierten Hoforgelbauer ernannt. Seine früheste nachgewiesene Arbeit ist die 1757 vollendete Orgel in der Stadtkirche zu Zierenberg. Es folgten eine ganze Reihe von Orgelarbeiten in und um die Residenzstadt Kassel, so etwa 1774 bis 1777 in der Kasseler Elisabethkirche, 1778 in der dortigen Garnisonkirche und 1778 bis 1785 in der Stadtkirche zu Arolsen, wo der prachtvolle, spätbarocke Prospekt bis heute erhalten ist. Viel ist von all dem leider nicht erhalten, nur ein paar kleinere Instrumente wie etwa die 1773 vollendete Orgel in Obervellmar oder das 1787 vollendete Instrument in Wahmbeck zeugen noch heute von der Kunst des Johann Stephan Heeren. Seine Tochter Anna Elisabeth heiratete 1784 Johann Friedrich Euler. Nach dessen frühem Tod heirate Anna den Orgelbauer Johann Dietrich Kuhlmann, der die Werkstatt nach dem Tod Johann Stephan Heerens 1804 unter dem Namen Heeren et Kuhlmann weiterführte. Ab 1815 stieg Heerens Enkel Balthasar Conrad Euler in den Betrieb ein. Er und vor allem seine Söhne führten das Unternehmen als Gebrüder Euler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu seiner größten Blüte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Betrieb von Gottsbüren nach Hofgeismar verlegt, wo die Firma Euler-Orgelbau bis 1994 bestand. 1995 erwarb Elmar Krawinkel die ehemals Eulersche Werkstatt und verlegte sie im Jahre 2000 nach Trendelburg, womit sich in gewisser Weise ein Kreis schließt, denn der Ursprungsort des Unternehmens zwölf Generationen zuvor war ja, wie gesagt, in Gottsbüren ansässig, einem Ortsteil von Trendelburg.
Johann Stephan Heeren wurde einmal in einem heimatkundlichen Artikel über die Geschichte der Gottsbürener Orgelbautradition bezeichnet „als ein Vertreter seiner Kunst, der zu den Spitzen der Praktiker und Theoretiker des Orgelbaus im 18. Jahrhundert zählt“. Seine 1787 erbaute Orgel in Wahmbeck hatte ursprünglich 7 Register auf einem Manual nebst angehängtem Pedal. 1863 erhielt die Orgel durch Heerens Enkel Balthasar Conrad Euler dann ein selbstständiges Pedal mit zwei Registern, das getrennt hinter dem eigentlichen Orgelgehäuse an der Wand steht. Das Manual besitzt einen Tonumfang bis zum c3 und verfügt über die Register Gedackt und Gamba 8' sowie einen Diskant-Principal 8' ab dem c1. Weiterhin finden wir Principal und Gedackt 4', die Oktave 2' und eine 3fache Mixtur. Das 1863 hinzugefügte Pedal hat zwei Stimmen, nämlich Subbaß 16' und Oktavbaß 8'. 1970 bis 1971 wurde die Orgel restauriert durch Orgelbaumeister Martin Haspelmath aus Walsrode und erhielt in diesem Zusammenhang auch eine leicht ungleichschwebende Stimmung nach Valotti. Es war übrigens eine der ersten Orgeln, die von Haspelmath, diesem leider viel zu früh verstorbenen Spezialisten für die Orgeln des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts im Elbe-Weser-Gebiet restauriert wurde. Mit seiner kompromisslosen und auf unbedingte Erhaltung der historischen Substanz ausgelegten Arbeitsweise war Martin Haspelmath seiner Zeit weit voraus. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=zUJ8R0k3mw0

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Principal 8' (D) Subbaß 16' (keine Pedalkoppel!)
Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Gamba 8'    
Principal 4'    
Gedackt 4'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Wahmbeck gespielte Stücke:
Fortunato Chelleri: Fuga in e >>> https://www.youtube.com/watch?v=T4eb-uzxzZ4&t=6s
Johann Ludwig Krebs: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=Key9XVJEUKQ
Moritz Landgraf von Hessen: Fuga XIII in a >>> https://www.youtube.com/watch?v=TPFiI2cnEnE&t=4s
Christian Heinrich Rinck: Wir glauben all an einen Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=zrJMCc4MQN8&t=6s
Christian Heinrich Rinck: Wir glauben all an einen Gott, Vater >>> https://www.youtube.com/watch?v=zrJMCc4MQN8&t=6s
Johann Caspar Simon: Praeludium und Fuge in F >>> https://www.youtube.com/watch?v=LFIGw5vVfzY&t=6s



WALTERSBRÜCK (Gemeinde Neuental, Schwalm-Eder-Kreis)
Ev. Kirche



Erbauer: Johannes Schlottmann (Nordhessen, damals ohne festen Wohnsitz) 1788, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Waltersbrück ist ein etwa 450 Einwohner zählender Ortsteil der Gemeinde Neuental im hessischen Schwalm-Eder-Kreis. Der Ort liegt etwa 1,5 km südwestlich von Zimmersrode, dem Hauptort der Gemeinde Neuental, am östlichen rechten Ufer der Schwalm und eingebettet in die herrliche Landschaft des Schwalmtales. Die Anschlussstelle Neuental der Autobahn 49 ist gut 1 km entfernt. Waltersbrück wurde 1230 als „Waltersbrugga“ erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort war Sitz eines Gerichts, welches 1359 geteilt wurde. Dabei erhielten die Herren von Gilsa die Orte Zimmersrode und Gilsa, während das verbleibende Gericht mit den Orten Bischhausen, Gerzhausen, Schlierbach, Ahausen, Glimmerode und Dorheim an die Herren von Löwenstein-Schweinsberg fiel. In der Landgrafschaft Hessen bzw. Hessen-Kassel wurde Waltersbrück zunächst vom Amt Borken, ab 1791 dann vom Amt Jesberg und ab 1821 vom Kreis Fritzlar verwaltet. 1971 wurde die bis dahin selbstständige Gemeinde Waltersbrück im Rahmen der hessischen Gebietsreform in die neue Gemeinde Neuental eingegliedert. Die ursprüngliche Kirche des Ortes wurde im Jahr 1425 erstmals erwähnt und im 30-jährigen Krieg zerstört. Nur das unterste Stockwerk des gotischen Kapellenturms blieb erhalten. Der Wiederaufbau erfolgte in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Krönender Abschluss der Arbeiten war der Einbau einer neuen Orgel, die 1788 durch den Orgelbauer Johannes Schlottmann erfolgte. Schlottmanns Ruf in der hessischen Orgelbaugeschichte ist nicht der Allerbeste; zahlreiche und vielleicht nicht immer wahrheitsgetreue Berichte über sein Leben haben die gerechte Beurteilung seiner leider nur noch ganz wenigen, erhaltenen Instrumente bis heute meist verstellt.
Der Orgelbauer Johannes Schlottmann wurde 1726 als Sohn des dortigen Pfarrers in Heringen an der Werra geboren. Nach seiner Lehrzeit, über die wir nichts Näheres wissen, heiratete er 1752 und war bis zu seinem Tod im Jahre 1795 vor allem in Oberhessen tätig. Schlottmanns Leben war geprägt von ständigen Auseinandersetzungen mit ansässigen, privilegierten Orgelbauern und seinem 1775 eingetretenen finanziellen Ruin. Dieser war eine Folge eines Orgelbaus im Dom zu Fritzlar, der 1768 mit 38 Registern veraccordirt wurde, bis 1773 jedoch nur halb fertiggestellt war. Nach mehreren Klagen über Schlottmanns Säumigkeit wurde schließlich ein Konkursverfahren gegen ihn eröffnet und seine Werkstatt in Friedewald versteigert. Er verlor seinen gesamten Besitz und blieb zeitlebens in finanziellen Schwierigkeiten und unter Termindruck, da er durch die Annahme immer neuer Aufträge die entstandenen finanziellen Lücken zu stopfen versuchte. Seit 1775 arbeitete er als Wanderorgelbauer mit einem Gesellen ohne festen Wohnsitz. 1788 wurde er sogar festgenommen und mehrere Monate inhaftiert. Kurz vorher hatte er noch die Orgel in Waltersbrück fertigstellen können, die in so solide und traditionell gebaut ist, dass man die Wirrnisse seiner Biographie eigentlich gar nicht glauben möchte. 1789 erteilte das Konsistorium Marburg Schlottmann ein Arbeitsverbot und verwies ihn des Landes, trotzdem verdingte er sich in seinen letzten Jahren weiterhin als Orgelbauer, hauptsächlich mit Reparaturdiensten in Hessen-Darmstadt. Aus heutiger Sicht erklären sich viele Vorwürfe gegen ihn durch Rufschädigungen von Seiten seiner Konkurrenten, aber auch durch seine Unfähigkeit, wirtschaftlich zu denken und zu handeln. Seine größeren Instrumente, etwa die Domorgel in Fritzlar mit 37 Registern oder die 1755 vollendete Orgel in der Stadtkirche zu Hersfeld, mußten längst Neubauten weichen. Seine 1788 vollendete Orgel in Waltersbrück ist eine der wenigen Zeugnisse von Schlottmanns Orgelbaukunst, die bis heute erhalten sind. Daneben finden sich noch einige Pfeifenreihen in den Orgeln in Hönebach bei Wildeck sowie in Ottrau und Willingshausen im Schwalm-Eder-Kreis. Die Orgeln in Spieskappel und Niederaula, die manchmal als Schlottmann-Orgeln bezeichnet werden, enthalten hingegen nur noch sehr wenig Pfeifenmaterial dieses Orgelbauers.
Die Schlottmann-Orgel in Waltersbrück wurde im Laufe der Geschichte zwar einige Male leicht verändert, doch blieben technische und klangliche Substanz weitgehend erhalten. Die Firma Orgelbau Mebold aus Siegen führte 2013 eine stilgerechte Restaurierung und Rückführung auf den Originalzustand des Jahres 1788 durch. Das Instrument besitzt 10 Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual mit einem Tonumfang vom Ton C ohne das Cis bis zum d3 verfügt über die Stimmen Gedackt und Quintade 8', Principal und Flötha 4', eine Quinte 3', Octave und Spitzflöte 2' sowie eine 3fache Mixtur. Im Pedal mit einem Umfang bis zum c1 stehen die beiden Stimmen Subbaß 16' und Octavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Bei der letzten Restaurierung hat man das Pfeifenwerk genauestens untersucht und festgestellt, dass die originale Stimmtonhöhe bei 486 Hertz gelegen hat und die Orgel ursprünglich mitteltönig gestimmt war. Dies alles zeigt uns Johannes Schlottmann als einen Orgelbauer, der sehr konservativ gedacht und gearbeitet hat und vielleicht ist dieser Umstand auch ein wenig mit Schuld daran, dass er in seiner Zeit einen so schweren Stand hatte. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=RzOGqjSZuR0&t=549s

Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Quintade 8' Octavbaß 8'  
Principal 4'    
Flötha 4'    
Quinte 3'    
Octave 2'    
Spitzflöte 2'    
Mixtur 3f.    

In Waltersbrück gespielte Stücke:
Domenico Alberizi: Fuga in C >>> https://www.youtube.com/watch?v=qqaFSJZPSsM
Domenico Alberizi: Fuga inversa in e >>> https://www.youtube.com/watch?v=ndJCeffsLCE
Domenico Alberizi: Toccatina in e >>> https://www.youtube.com/watch?v=SWyrpSefs4c
Domenico Alberizi: Toccatina in F >>> https://www.youtube.com/watch?v=EMoc5zqySkg
Wilhelm Ernst Bach: Toccata C-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=JOdbUYOLHQ4&t=23s
Christian Herbig: Vater unser im Himmelreich >>> https://www.youtube.com/watch?v=X43G-RcmCH8&t=4s
Johann Philipp Käfer: Aria ex C >>> https://www.youtube.com/watch?v=nYEV-M8tQKo
Johann Caspar Simon: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>> https://www.youtube.com/watch?v=xDkq4PuFneI
Georg Andreas Sorge: Praeludium cis-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=3DP-6xZ4zXI



WASENBERG (Gemeinde Willingshausen, Schwalm-Eder-Kreis)
Ev. Kirche



Erbauer: August Röth (Ziegenhain) 1857-1862, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wasenberg ist ein Ortsteil der Gemeinde Willingshausen im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis, ziemlich genau in der Mitte der Orte Treysa, Schrecksbach und Neustadt in Hessen, rund 20 Kilometer nördlich der Stadt Alsfeld. Wir sind in der Schwalm – jener reizvollen Gegend im Herzen des Hessenlandes, die in Brauchtum, Tracht und Dialekt bis heute ihre Eigenständigkeit weitgehend bewahrt hat. Das 1290 erstmals urkundlich genannte Dorf hatte in jener Zeit schon einen Pleban, es bestand also auch schon eine Kirche, so daß das Datum der eigentlichen Gründung sicher früher anzusetzen ist. Um jene Zeit zählte der Ort zum mittelalterlichen Gericht auf der Wasen der Grafen von Ziegenhain. Nach dem Aussterben der Grafen von Ziegenhain 1450 kam das Gebiet zur Landgrafschaft Hessen, später Hessen-Kassel und dann im 19. Jahrhundert zum Kurfürstentum Hessen. 1974 wurde Wasenberg im Rahmen der Gebietsreform zum Sitz der Gemeindeverwaltung der neuen Gemeinde Willingshausen. Die Kirche des Ortes – mit seinem 47 Meter hohen Turm stolz der „Schwälmer Dom“ genannt – ist ein neugotischer Bau, der 1857 nach Plänen des Architekten Georg Gottlob Ungewitter erbaut wurde, der zu jener Zeit am Vorläufer der Kasseler Universität unterrichtete, wo unter anderem Robert Bunsen zu seinen Kollegen zählte. Augenfälligster Schmuck im ansonsten reformiert-schlichten Inneren des Gotteshauses ist die Orgel auf der rückwärtigen Empore, die Orgelbauer August Röth aus Ziegenhain geschaffen hat.  
August Röth wurde 1812 in Ottrau, ganz im Süden des heutigen Schwalm-Eder-Kreises als Sohn eines Lehrers geboren. Er erlernte zunächst das Schreinerhandwerk und bildete sich gemeinsam mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Konrad ab 1835 in der Werkstatt von Conrad Euler in Gottsbüren bei Hofgeismar als Orgelbauer aus, für den er ab 1837 erste eigenständige Reparaturarbeiten ausführte. 1838 machte er sich in Loshausen, dem Wohnort seiner Eltern, nur 5 Kilometer östlich von Wasenberg selbstständig und verlegte das Unternehmen 1842 in die nahe Kreisstadt Ziegenhain. Schnell erwarb er sich das Vertrauen des Orgelsachverständigen Wilhelm Volckmar, der im ebenfalls nicht allzu weit entfernten Homberg (Efze) als Seminarmusiklehrer zum Vater einer ganzen hessischen Organistengeneration wurde. Er hatte die 1842 von Röth erbaute Orgel in Riebelsdorf bei Neukirchen in der Schwalm geprüft und seinen Bericht mit den Worten geschlossen: „Ich kann diesen jungen Mann nach meiner festen Überzeugung angelegentlich empfehlen.“ Volckmars Wort hatte Gewicht, doch hatte Röth es in der Folge nicht immer leicht gegen die mächtige Konkurrenz. Obwohl Röth und Volckmar gemeinsam drei Tage die Orgel in Treysa, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ziegenhain, untersucht und einen Umbauvorschlag ausgearbeitet hatten, wurden die die Arbeiten an diesem Instrument schließlich an die Gebrüder Wilhelm übertragen. Die Orgel in Wasenberg, für die Röth 1857 erste Planungen vorgelegt hatte und die am vierten Advent 1862 von Wilhelm Volckmar abgenommen wurde, ist darum sein größtes und in der Substanz am besten erhaltene Werk aus seiner Werkstatt. In jener Zeit wird allerdings ein großes Problem von August Röth immer sichtbarer, sein Hang zum Alkohol. 1865 wird er sogar „wegen Trunksucht in Kuratel“ genommen und auch später heißt es in den Akten, er sei „dem Trunke ergeben“. Sein Bruder Konrad führte ab 1865 das Unternehmen, in dem auch Augusts 1844 geborener Sohn mitarbeitete und das ab 1869 unter dem Namen Gebrüder Röth und Sohn firmierte. August Röth starb 1872, sein Bruder 1890 und sein Sohn 1897. Da beide unverheiratet waren, wurde die Werkstatt nach Gustavs Tod aufgelöst. 
Aus dem Schaffen von August Röth ist nur wenig erhalten. Neben der Orgel in Wasenberg ist es vor allem die Orgel in Zella bei Willingshausen aus dem Jahre 1844, die noch überwiegend im Originalzustand bewahrt blieb und derzeit einer Restaurierung harrt. Die Orgel besitzt 21 Register und eine ausgewogene, klang- und farbenreiche romantische Disposition. Im Hauptwerk stehen Bordun 16', Principal, Hohlflöte, Gedackt und Viola di Gamba 8', Octave und Hohlflöte 4', Superoctave 2' und eine 3fache Mixtur. Das Oberwerk verfügt über Stillgedackt und Salicional 8', Principal und Gedeckte Flöte 4', Nasat 2 2/3', Spitzflöte 2' und eine bei der Restaurierung 1974 hinzugefügte 3fache Cymbel. Im Pedal finden wir Subbaß, Violon und eine originale Posaune 16' sowie Principalbaß und Octavbaß 8', wobei das als Octavbaß bezeichnete Register sehr stark und kräftig, der Principalbaß dagegen mäßig stark und streichend intoniert ist. Eine Manual- und eine Pedalkoppel ergänzen das Klangbild. 
 
Link zum klingenden Orgelportrait >>> 

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Stillgedact 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Salicional 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Principal 4' Principalbaß 8'  
Gedackt 8' Gedeckte Flöte 4' Octavbaß 8'  
Viola di Gamba 8' Nasat 2 2/3' Posaune 16'  
Octave 4' Spitzflöte 2'    
Hohlflöte 4' Cymbel 3f.    
Superoctave 2'      
Mixtur 3f.      

In Wasenberg gespielte Stücke:
Richard Bartmuß: Gebet F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=fcqDITxA_vk
Luigi Bottazzo: Marcia nuziale >>> https://www.youtube.com/watch?v=n61jmocy2d8
Eugen Grüel: Liebster Jesu, wir sind hier >>>
Eugen Grüel: Lobe den Herren >>>
Eugen Grüel: Straf mich nicht in deinem Zorn >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 22 B-Dur >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 23 B-Dur >>>
Felix Mendelssohn Bartholdy: Passacaglia c-moll >>>
Carl Rundnagel: Canon F-Dur (Bungert) >>>
Carl Rundnagel: Nachspiel C-Dur >>>
Pietro Yon: Rorate coeli >>>
Pietro Yon: Veni Emmanuel >>>



WEHRDA (Stadt Marburg an der Lahn, Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Diakonissen-Mutterhaus "Hebron"




Erbauer: Dienegott Janott (Neutomischel) 1916, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Wehrda ist ein Stadtteil von Marburg an der Lahn mit rund 6.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nördlich von Marburg zwischen dem westlichen Ufer der Lahn und dem Waldrand unterhalb des Marburger Rückens gelegen, leitet sich der Name des 1238 erstmals erwähnten Dorfes von seiner leicht erhöhten Lage am Ufer des Flusses ab – Werder, Wörth, Werdau und ähnliche Ortsnamen haben eine vergleichbare Bedeutung. Nach dem ältesten erhaltenen Salbuch des Amtes Marburg von 1374 war Wehrda neben Cappel, Marbach und Ockershausen ein sogenanntes „Hausdorf“ der Landgrafen von Hessen. Das bedeutet, dass die Bewohner dieser dem Marburger Schloss am nächsten gelegenen Dörfer zu zusätzlichen Hand- und Spanndiensten für die Landgrafen verpflichtet waren, zu deren Herrschaftsgebiet Wehrda immer gehörte. 1974 erfolgte die Eingemeindung in die Stadt Marburg. Wir interessieren uns heute aber weder für die Orgel der alten Martinskirche oder der Trinitatiskirche im Neubaugebiet, sondern für ein kleines Instrument, das im Andachtsraum des Diakonissen-Mutterhauses "Hebron" auf dem Hebronberg steht. Die Einrichtung geht zurück auf eine 1899 in Borken bei Bartenstein in Ostpreußen gegründete Diakonissen-Gemeinschaft, die 1908 in Marburg ihr Mutterhaus gründete und 1916 – mitten im Ersten Weltkrieg und unter großen Entbehrungen – den heute noch bestehenden Bau einweihen konnte. Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege, Ausbildung zu Hauswirtschafterinnen und Hortnerinnen, Einkehrtage und Freizeiten – das sind nur einige Stichworte für das segensreiche Wirken der Schwestern in nunmehr über 110 Jahren. Die Orgel, die ebenfalls 1916 eingeweiht wurde, stammt aus der Werkstatt von Dienegott Janott aus Neutomischel in der damaligen preußischen Provinz Posen. Das Gebiet – einst Zentrum Großpolens und im 19. Jahrhundert Preußen einverleibt – war jahrhundertelang ein Schmelztiegel deutscher und polnischer Kultur. 
Der Orgelbauer Dienegott Janott wurde 1869 in Cichagora bei Neutomischel / Nowy Tomyśl in der damaligen preußischen Provinz Posen geboren. Er erlernte die Kunst des Orgelbaus bei Wilhelm Sauer in Frankfurt/Oder und machte sich im Jahre 1900 in Neutomischel selbstständig. Er ließ ein 10 Meter hohes Werkstattgebäude errichten, in dem er mit drei Mitarbeitern begann und später auch seine Söhne einführte. Die siebenköpfige Belegschaft wurde mit Unterstützung von Dienegotts Frau wie eine Großfamilie geführt. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dessen Folge die Provinz Posen Polen zugesprochen wurde, wanderte Janott mit seiner Familie nach Fürstenwalde an der Spree aus, wo er 1921 eine neue Werkstatt gründete. Hier verlagerte sich seine Arbeit mehr und mehr auf Reparaturen. Als 1926 auch 28jährige Sohn Konrad starb, bestand die Firma personell nur noch aus dem Sohn Gotthold und dem Gründer, der zwei Jahre später ebenfalls starb, womit die Werkstatt ihr Ende fand. Janotts Werkverzeichnis umfasst 59 Instrumente, von denen 51 in Neutomischel und 8 in Fürstenwalde gefertigt wurden, die er bevorzugt an Baptisten und evangelische freikirchliche Gemeinschaften lieferte, so dass sein Wirkungskreis erstaunlich weit reichte und fast das gesamte damalige Deutsche Reich - von Tilsit in Ostpreußen über Berlin und Leipzig bis nach Bochum – umfasste. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand sind davon nur fünf Instrumente erhalten. Zwei davon stehen in Polen, in den Dorfkirchen Kuschten / Kosieczyn in der Provinz Posen von 1902 und Pirnig / Pyrnik in der Provinz Schlesien von 1909. Die drei Orgeln in Deutschland finden in der Stadtmission Leipzig-Lindenau von 1911, in der Dorfkirche zu Geierswalde in der Niederlausitz von 1905 und im Diakonissen-Mutterhaus in Marburg-Wehrda, 1916 fertiggestellt. Ein interessantes, nur zu leicht übersehenes Instrument eines Orgelbauers mit einem durchaus ungewöhnlichen Oeuvre und ein interessanter Farbtupfer in der hessischen Orgellandschaft.  
Das Instrument auf der Empore des Andachtsraumes im Diakonissen-Mutterhaus "Hebron" – für die ausnehmend herzliche Gastfreundschaft sei Oberschwester Renate Lippe herzlich gedankt – besitzt acht Register, pneumatische Kegelladen und ist unverändert erhalten geblieben. Das Hauptwerk besitzt Principal und Gedeckt 8', Octav 4' und als Klangspitze ein 1-2faches Progressio, das Oberwerk Geigenprincipal und Salicional 8' und Fugara 4', während das Pedal über einen Subbaß 16' als einziges Register verfügt. Drei feste Kombinationen, eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie eine Superoctavkoppel im Manual ergänzen das Klangbild der Orgel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gedeckt 8' Salicional 8'   Pedalkoppel
Octav 4' Fugara 4'   Manualoktavkoppel
Progressio 1-2f.     3 feste Kombinationen

In Wehrda gespielte Stücke:
Dezso Antalffy-Zsiross: Priere pour les morts >>> https://www.youtube.com/watch?v=lhx9SdZWkM0&t=31s
Rudolf Bibl: Präludium c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=bmOJMLR2A7c&t=15s
Rudolf Bibl: Präludium F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=UeLMrNOktiY&t=10s
Costante Adolfo Bossi: Schmücke dich, o liebe Seele >>> https://www.youtube.com/watch?v=JU7_IbCt-c8&t=32s
Fritz Drohla: Bleibt, Schäflein, bleibt >>> https://www.youtube.com/watch?v=oHKkhygdKQ0&t=11s
Fritz Drohla: Einen guten Kampf hab ich >>> https://www.youtube.com/watch?v=b3iqvU2d_Ko
Johannes Hanschke: Nur frisch hinein >>>
Johannes Hanschke: Wohlauf, wohlan zum letzten Gang >>>
Fritz Lubrich sen.: Ach Gott und Herr >>>
Fritz Lubrich sen.: O Gott, du frommer Gott >>>
Friedrich Wilhelm Markull: Sollt ich meinem Gott nicht singen >>>
Paul Niepel: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Paul Niepel: Sieh, hier bin ich, Ehrenkönig >>>
Paul Niepel: Von Gott will ich nicht lassen >>>
Carl Rundnagel: Canonisches Lied a-moll (Schumann) >>>
Jozef Surzynski: Anieli w niebie spiewaja >>>
Jozef Surzynski: Resonet in laudibus >>>
Mieczyslaw Surzynski: Andantino a-moll >>>
Mieczyslaw Surzynski: Larghetto h-moll >>>



WELLEN (Gemeinde Edertal, Landkreis Waldeck-Frankenberg)
Ev. Kirche



Erbauer: Jakob Vogt (Korbach) 1851, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wellen ist ein Ortsteil der Gemeinde Edertal im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg. Die Region rund um den Edersee – geprägt von Wäldern, Wasser und sanften Bergen – darf sich gewiß zu den Schönsten des Hessenlandes zählen. Die heutige, im Rahmen der Gebietsreform geschaffene Gemeinde Edertal, rund 30 Kilometer südöstlich von Kassel am Rand des Kellerwalds gelegen, besteht aus 13 Ortsteilen; das Dorf Wellen ist von diesen das südöstlichste, etwa auf halbem Weg zwischen Fritzlar und Bad Wildungen. Im späten 8. Jahrhundert erstmals in einer Urkunde des Klosters Hersfeld genannt, gehörte der Ort zunächst zur Grafschaft, später zum Fürstentum Waldeck und schließlich bis 1918 zum Fürstentum Waldeck-Pyrmont. 1260 wird ein Pleban, also ein eigener Geistlicher für Wellen erwähnt, die mittelalterliche Kirche brannte 1510 nieder. 1526 führten die Grafen von Waldeck in ihrem Herrschaftsgebiet die Reformation durch. Das heutige Gotteshaus, ein stattlicher spätklassizistisch-neuromanischer Saalbau mit Chor und Frontturm, wurde in den Jahren 1846-49 errichtet. Als krönenden Abschluß der Bauarbeiten konnte 1851 die neue Orgel eingeweiht werden, die aus der Werkstatt des Korbacher Orgelbauers Jakob Vogt stammt. 
Die Familie Vogt prägte den Orgelbau Nordhessens vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert maßgeblich mit. Ihr Stammvater ist der 1774 in Brotterode am Rennsteig geborene Johannes Vogt, der zunächst als Waldhornist in den Diensten des Grafen von Ziegenhain stand und ab 1804 als Orgelbauer nachweisbar ist; zunächst in Ziegenhain und ab 1808 in Rotenburg an der Fulda. Als im Kurfürstentum Hessen 1825 Kreisorgelbauer eingeteilt wurden, wurden ihm die Kreise Melsungen und Rotenburg übertragen. Als er 1833 starb, übernahm sein Schwiegersohn Friedrich Bechstein die Werkstatt. Der 1811 geborene Sohn Jakob Vogt verließ daraufhin nach der Lehre den väterlichen Betrieb und arbeitete ab von da an zwölf Jahre lang als Orgelbauer bei Ernst Siegfried Hesse in Dachwig. Er muß sich rasch das Vertrauen seines Meisters erworben haben, den etwa 1839 führte ihn eine Dienstreise sogar bis nach Riga. 1845 stellte er als Hesses Werkmeister die neue Orgel in der Stadtkirche zu Korbach im Waldeckischen aus. Kurz darauf machte er sich in der alten Hansestadt Korbach selbstständig. Mit Jakob Vogt erreichte die Werkstatt ihre Blütezeit, zahlreiche kleinere und größere Werke entstanden im Waldeckischen ebenso wie in den angrenzenden Gebieten des Sauer- und des Siegerlandes. Mit einem prachtvollen neugotischen Prospekt und hervorragend restauriert präsentiert sich etwa die 1853 fertiggestellte Orgel in Mengeringhausen bei Bad Arolsen mit 20 Registern; sehr gut erhalten ist auch das 19 Register umfassende Werk in der Kirche zu Battenfeld bei Allendorf an der Eder sowie eine ganze Reihe kleinerer Orgeln, etwa in Albertshausen, Odershausen und Frebershausen – alle diese drei Orte liegen bei Bad Wildungen – von denen die in Frebershausen ursprünglich für das Lehrerseminar in Korbach erbaut wurde. In diese Reihe gehört auch die 1851 fertiggestellte Orgel in Wellen mit ihren 12 Stimmen, ein echtes Schmuckstück der Orgellandschaft an der Eder. Seit 1871 arbeitete Jakobs Sohn Eduard Vogt in der Werkstatt mit und übernahm diese nach dem Tod des Vaters 1891. Eduards 1878 geborener Sohn Hermann Vogt erlernte die Kunst des Orgelbaus „auswärts“, bei Albin Hickmann in Dachwig und brachte von dort die Kenntnis von dessen patentiertem „pneumatischem System“ mit, das erstmals 1897 bei einer Orgel für Usseln bei Willingen zur Anwendung kam, die bis heute wohl erhalten ist. Hermann und sein 1887 geborener Bruder Richard Vogt führten das Unternehmen schließlich von 1913 bis 1954 weiter.  
Die Orgel in Wellen besitzt zwölf wohlgewählte und nuancenreich schattierte Register. Im Manual finden wir Bordun 16', Principal, Gedackt, Flauto traverso und Gambe 8', Octave und Flauto piano 4', eine Octave 2' und eine bemerkenswerterweise in Baß und Diskant geteilte, 3-chörige Mixtur. Das Pedal besitzt Subbaß 16', Principalbaß 8' und Octavbaß 4', dazu kommt eine Pedalkoppel. 2007 wurde das Instrument von Dieter Noeske aus Rotenburg an der Fulda restauriert. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> 

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Principalbaß 8'  
Gedackt 8' Octavbaß 4'  
Flauto Traverse 8'    
Gambe 8'    
Octave 4'    
Flauto Piano 4'    
Octave 2'    
Mixtur 3f. (B/D)    

In Wellen gespielte Stücke:
Ulrich Anton Clausen Fehr: Andante D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=Fhiekci8ALo
Ulrich Anton Clausen Fehr: Andante e-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=_RGOtEyGMy4
Ulrich Anton Clausen Fehr: Andante g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=BrmB4PSy6OY&t=24s
Emil Dercks: Jesus, meine Zuversicht >>> https://www.youtube.com/watch?v=cHQr8BlZyVU&t=11s
Jan Albert van Eijken: O du Liebe meiner Liebe >>> https://www.youtube.com/watch?v=4icygY4jyvc&t=5s
Jan Albert van Eijken: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>> https://www.youtube.com/watch?v=KeIDP1q6HRU&t=25s
Robert Musiol: Moderato As-Dur >>>
Robert Musiol: Moderato c-moll >>>
Joseph Gabriel Rheinberger: Präludium B-Dur >>>
Joseph Gabriel Rheinberger: Präludium F-Dur >>>
Simon Sechter: Präludium a-moll >>>
Simon Sechter: Präludium C-Dur >>>
Johannes Alfred Streicher: Herzlich tut mich verlangen >>>
Johannes Alfred Streicher: Ich will dich lieben, meine Stärke >>>
Johannes Alfred Streicher: Morgenglanz der Ewigkeit >>>
Benedikt Widmann: Andante e-moll >>>



WIPPERSHAIN (Gemeinde Schenklengsfeld, Landkreis Hersfeld-Rotenburg)
Ev. Kirche



Unbekannter Erbauer 1687, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wippershain ist ein Ortsteil der Gemeinde Schenklengsfeld im osthessischen Landkreis Hersfeld- Rotenburg mit rund 630 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das Dorf liegt etwa 6 Kilometer westlich der Kerngemeinde und etwa 7 km südöstlich von Bad Hersfeld. Im Ortsbereich liegt die Quelle des Wüllersbaches, der über den Fischbach und die Eitra in die Haune fließt. Der Ort liegt am südlichen Hang der Wippershainer Höhe. Richtung Süden und Südosten fällt das Gelände leicht zur Hochebene der Kuppenrhön bzw. des Hessischen Kegelspieles hin ab. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Dorf im Jahre 1317 als „Wyprechteshain“. Es wird angenommen, dass der Ort nach dem Heiligen Wigbert benannt wurde, der im nahen Kloster Hersfeld begraben wurde. Die Lage an der Altstraße, auf der die Pilger zu dem Heiligengrab in Hersfeld kamen, mag mit dazu beigetragen haben. Die Höhenstraße hieß in diesem Abschnitt „Karlsstraße“, da Karl der Große hier von der Weser kommend nach Würzburg weitergereist sein soll. Der Ort gehörte im Mittelalter zu dem kleinen hersfeldischen Gericht Schildschlag, das während seiner Existenz immer von benachbarten Ämtern verwaltet wurde. Lange Zeit hatten die Herren von Buchenau das Gericht zum Lehen. Erst zwischen 1720 und 1722 wurde Wippershain vollständig hessisch, als der Landgraf von Hessen-Kassel den Lehensbesitz der Buchenauer durch Kauf auslöste. Danach wurde das Gericht Schildschlag aufgelöst und Wippershain wurde dem hessischen Amt Hauneck zugewiesen. 1972 wurde Wippershain in die Gemeinde Schenklengsfeld eingegliedert. Eine Besonderheit in Wippershain ist, dass es nur nummerierte Straßennamen gibt. Hierbei sind die von Ost nach West führende Straßen mit den Nummern 3, 7, 9, 10, 11 und 13 benannt. Die davon nach Norden abzweigenden Straßen werden um eine Zehnerpotenz erhöht und von Ost nach West durchgezählt. So hat zum Beispiel die zweite Querstraße der 10. Straße den Namen 102. Straße, auch wenn der Ort insgesamt nur 20 Straßen hat. Die Kirche wurde nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg ab 1680 wiederaufgebaut und ein reformierter Pfarrer eingesetzt. 1783 wurde die Kirche umgestaltet, ebenso in den 1950er Jahren. Beim Umbau 1783 oder kurz danach bekam die Kirche ihre heutige Orgel. Sie wurde gebraucht erworben, ist rund einhundert älter und stammt aus der Pfarrkirche von Buchenau, den langjährigen Lehensinhabern des Dorfes Wippershain.
Die heute in Wippershain stehende Orgel wurde 1687 für die Pfarrkirche in Buchenau erbaut. Diese Zahl lesen wir in der Windlade. Ihr Erbauer ist nicht bekannt. Als man Mitte der 1780er Jahre in Buchenau eine neue Orgel errichtete, wurde das rund einhundert Jahre alte Instrument in die Kirche von Wippershain umgesetzt, wo sie bis heute erhalten ist. Wer könnte sie erbaut haben? Leider gibt es hierzu keine schriftlichen Quellen und stilkritische Vergleiche mit anderen Orgeln der Umgebung haben bisher auch noch nicht zur Klärung dieser Frage geführt. In Frage kommen vor allem drei Orgelbauer, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts im ritterschaftlichen Gebiet rund um Hersfeld wirkten. Da wäre zum einen Johann Christian Hart, der 1641 in Ostheim vor der Rhön getauft wurde und in Kaltensundheim und Kaltenwestheim seine Werkstätten unterhielt. Von ihm stammen unter anderem zwei ebenfalls in dieser Reihe bereits vorgestellte Instrumente in Hartershausen bei Schlitz und Oberwaldbehrungen in der Rhön. Stilistisch ist vor allem der Prospekt in Hartershausen demjenigen in Wippershain nicht unähnlich. In Eschwege wirkte in jener Zeit Jost Friedrich Schäffer oder Schäfer, der sich mal mit einem, mal mit zwei „f“ schrieb. Dieser wurde um 1650 geboren wurde erstellte unter anderem Orgelneubauten in Eschwege 1679, Rotenburg an der Fulda 1682, 1687 in Hartmuthsachsen, 1688 in Solz und um 1695 in Nentershausen. Das erhaltene, sehr schöne Orgelgehäuse in Nentershausen weist in vielen Details große Ähnlichkeiten mit dem Wippershainer Prospekt auf. Schließlich ist noch Heinrich Peter Möller zu nennen, Hoforgelmacher in Kassel, der unter anderem 1683 in Ziegenhain und 1687 in Obergeis bei Hersfeld Orgeln errichtete beziehungsweise umbaute. Ob das Rätsel um den Erbauer irgendwann einmal gelöst werden kann?
Die 1687 erbaute und rund einhundert Jahre später nach Wippershain umgesetzte Orgel hatte ursprünglich wohl lediglich ein angehängtes Pedal. Dies jedenfalls ist die Meinung von Pfarrer Gerhard Suhre aus Weimar bei Kassel, der sich mit der Geschichte des Orgelbaues in Nordhessen intensiv beschäftigt hat. Das selbstständige Pedal wäre demnach erst später, sehr wahrscheinlich beim Einbau in Wippershain Mitte der 1780er Jahre hinzugefügt worden. Im 19. Jahrhundert wurde die Disposition in Richtung Grundtönigkeit verändert, wie so häufig. Bereits 1952 wurde die Orgel durch die Firma Förster und Nicolaus aus Lich instandgesetzt und die vorherigen Dispositionsveränderungen dabei weitgehend rückgängig gemacht. 1968 erhielt die Orgel einen neuen Spielschrank, neue Trakturen und eine neue Pedallade durch die Orgelbaufirma Emil Hammer aus Hannover. Das Instrument besitzt neun Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual ist bis zum c3 ausgebaut und verfügt über die Stimmen Quintadena und Holzgedackt 8', Principal und Spitzflöte 4', Oktave 2', eine Quinte 1 1/3' sowie eine 3fache Mixtur. Das Pedal mit einem Umfang bis zum c1 besitzt Subbaß 16' und Oktavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Eine intensive Untersuchung, welche Teile des Pfeifenwerks noch alt sind, steht bis jetzt noch aus, wäre aber ein durchaus interessantes Projekt. Jedenfalls ist die heute in Wippershain stehende Orgel eine der ältesten in Nordhessen und darum in jedem Falle sehr beachtenswert. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=u-0syxNbRwo

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Holzgedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Quintadena 8' Octavbaß 8'  
Principal 4'    
Spitzflöte 4'    
Octave 2'    
Quinte 1 1/3'    
Mixtur 3f.    

In Wippershain gespielte Stücke:
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Ave Maria klare >>> https://www.youtube.com/watch?v=crcZ0qEoYKo
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Der Tag, der ist so freudenreich >>> https://www.youtube.com/watch?v=kDLo68uB_zs
Girolamo Frescobaldi: Hinno della Domenica >>> https://www.youtube.com/watch?v=3XRotYxEagE&t=24s
Johann Erasmus Kindermann: Intonatio Magnificat quarti toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=L2DvYTTffbM
Johann Erasmus Kindermann: Praeambulum V. et VI. toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=1ndiPi6TquA
Johann Erasmus Kindermann: Praeambulum I. et II. toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=2llmIQfZfvQ
Christian Heinrich Rinck: Hilf Gott, daß mir's gelinge >>> https://www.youtube.com/watch?v=u6Gi5PIVuJo
Christian Heinrich Rinck: Wenn wir in höchsten Nöten sein >>> https://www.youtube.com/watch?v=EmaqK-Y6xdw
Christian Heinrich Rinck: Wie soll ich dich empfangen >>> https://www.youtube.com/watch?v=w-MZcFAKFWQ
Johann Theodor Roemhildt: Zum Ausgange D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=wIbUtg1N4R8



WOLLRODE (Gemeinde Guxhagen, Schwalm-Eder-Kreis)
Ev. Kirche



Erbauer: Johannes Zitzmann (Kassel) 1798, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wollrode ist ein Ortsteil der Gemeinde Guxhagen im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis. Das Dorf mit rund 570 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt zwischen dem Söhrewald im Osten und dem Ort Guxhagen, rund 15 Kilometer südlich von Kassel. „In einem Dorf am Söhrerand einmal meine Wiege stand sanft eingebettet zwischen Höh’n: Immer ist Wollrode schön“ – so heißt es in einem Heimatgedicht aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Erstmals sicher erwähnt finden wir den Ortsnamen 1228 in einer Urkunde des nahen Klosters Breitenau, das auch das Patronat der mittelalterlichen Kirche innehatte. Wollrode gehörte für Jahrhunderte zum Amt Melsungen innerhalb der Landgrafschaft Hessen, später Hessen-Kassel bzw. im 19. Jahrhundert zu Kurhessen, mit dem es 1867 zur preußischen Provinz Hessen-Nassau kam. 1971 erfolgte im Rahmen der hessischen Gebietsreform die Eingemeindung nach Guxhagen. Die im Kern noch romanische Kirche des Ortes wurde laut einer Inschrift über der Kirchentür im Jahre 1741 in ihrer heutigen Form fertiggestellt. Kanzel und Emporen entstanden im 17. Jahrhundert, der spätgotische Taufstein ist nochmals rund 100 Jahre älter. 1798 entstand die Orgel.
Der Erbauer der Orgel in Wollrode, Johannes Zitzmann, wurde 1754 in der Töpfenmühle, südlich von Gersfeld in der Rhön geboren. Sein Vater war Schreinermeister und vermutlich mit jenem Nikolaus Zitzmann identisch, der 1787 als Schnitzer an der Wagner-Orgel der Gersfelder Stadtkirche mitgearbeitet hat. Auch Johannes Zitzmann erlernte zunächst den Schreinerberuf und arbeitete dann als Geselle bei dem Orgelbauer Kliem in Kassel, der dann um 1780 nach Brüheim bei Gotha verzog. Danach scheint er dessen Kundenkreis übernommen zu haben, jedenfalls beantragt er 1783 in Kassel die Konzession als Orgel- und Clavicimbelmacher, die ihm nach gestrenger Prüfung durch den Hoforganisten Becker und den Hoforgelbauer Wilhelm zwar als Cembalobauer, jedoch nicht als Orgelbauer erteilt wird. Er ließ sich danach dennoch in der nordhessischen Residenzstadt nieder und widmete sich vorwiegend dem Bau von Clavierinstrumenten aller Art, führte darüber hinaus jedoch hin und wieder Orgelarbeiten aus. Dabei mußte er stets bedacht sein, nicht mit zweifelsohne bedeutenderen Johann Peter Wilhelm in Konkurrenz zu treten, was wohl auch weitgehend gelang. Schon 1782 hatte er in seiner Rhöner Heimat die Orgel in Habel bei Tann in der neu erbauten Kirche aufgestellt. 1790 und 1791 fertigte er zwei kleine Orgeln für Niedergrenzebach bei Ziegenhain und für Weißenborn bei Ottrau im heutigen Schwalm-Eder-Kreis. Von 1789 war der aus Angersbach im Vogelsberg gebürtige Johann Heinrich Völler sein Mitarbeiter, der sich im Jahre 1800 als Instrumentenmacher und Mechanikus in Kassel selbstständig machte. Vermutlich hat Völler auch bei Zitzmanns letztem Orgelbau in Wollrode mitgewirkt, der 1798 fertiggestellt wurde. Danach scheint Zitzmann nur noch kleinere Stimmungsarbeiten durchgeführt zu haben. Er starb 1814 in Kassel, ein Jahr nach dem Ende von Jeromes Königreich Westphalen. Das Instrument in Wollrode dürfte heute die einzige erhaltene Orgel des Johannes Zitzmann sein, das Werk in Weißenborn etwa wurde noch 1973 durch einen Neubau ersetzt. Und auch der Orgel in Wollrode wurde noch vor gar nicht allzu langer Zeit übel mitgespielt, denn gerade in Nordhessen entwickelte sich das Bestreben, historische Instrumente zu erhalten, deutlich später als im Rest der Republik. Erinnert sei nur an die 1964 erfolgte Zerstörung der Orgel von Johann Adam Gundermann, einem Schüler Schnitgers in Sontra oder an die 1962 durch einen Neubau ersetzte Orgel Jost Friedrich Schäffers von 1682 in Rotenburg an der Fulda. Nachdem der barocke Orgelprospekt in Wollrode zwischenzeitlich schon einer Elektronenorgel als Fassade diente, wurde das Instrument 1998 durch Bruno Döring aus Neukirchen im Knüll und 2007 durch Werner Bosch aus Niestetal bei Kassel restauriert. Döring ergänzte fehlende Teile teilweise mit neuem, teilweise mit historischem Pfeifenwerk aus der - auch erst 1976 endgültig hingemordeten - Adam-Wilhelm-Orgel der Stadtkirche in Treysa, die zwischen 1806 und 1807 erbaut wurde.
Die 1798 erbaute Orgel in Wollrode besitzt 10 Register. Im bis zum f3 ausgebauten Manual finden wir Gedackt und Hohlflöte 8', Principal und Gedacktflöte 4', Octave 2', eine Sesquialtera und eine 3-fache Mixtur. Das bei der ersten Restaurierung etwas vergrößerte Pedal verfügt über Subbaß 16', Octavbaß 8' und einen damals wohl als unverzichtbar ergänzten Choralbaß 4', dazu kommen ein Tremulant und eine Pedalkoppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> 

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Octavbaß 8' Tremulant
Principal 4' Choralbaß 4'  
Gedacktflöte 4'    
Octave 2'    
Sesquialtera 2f.    
Mixtur 3f.    


In Wollrode gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Canone all' ottava aus BWV 988 >>> https://www.youtube.com/watch?v=xPsw_6XwPVw
Johann Sebastian Bach: Canone alla nona aus BWV 988 >>> https://www.youtube.com/watch?v=IRdtRqrbtaE
Carl Friedrich Baumgarten: Preludio B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=6-O-9RSIhC8
Michael Gotthard Fischer: Fuga D-Dur I >>> https://www.youtube.com/watch?v=Dwg7_dDxY7k
Michael Gotthard Fischer: Fuga D-Dur II >>> https://www.youtube.com/watch?v=e7YR6ZcEfjo
Johann Franz Otto: Sonata C-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio cantabile f-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio Es-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Moderato d-moll >>>
Johann Baptist Anton Vallade: Praeambulum und Fuge G-Dur